Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 61. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung. II. Das Verhältniß der Reichsgesetze zu den Landesgesetzen 1) 1. Der Vorrang der Reichsgesetze vor den Landesgesetzen be- 2. Durch den Erlaß eines Reichsgesetzes ergeben sich für die a) Landesgesetze, welche Rechtssätze, die in einem Reichsgesetz 1) Vortreffliche Untersuchungen darüber enthält die Schrift von Heinze, das Verhältniß des Reichsstrafrechts zu dem Landesstrafrecht. Leipzig 1871. Vgl. auch auch Kayser im Handbuch des Deutschen Strafrechts von Holtzen- dorff Bd. IV. S. 93 ff. (1877). 2) Vgl. Bd. I. §. 10 S. 105 fg. Einen wesentlich verschiedenen Standpunkt nimmt Seydel ein, welcher Kommentar S. 35. 124 das Reichsgesetz lediglich als "gleichmäßiges Landesgesetz aller Bundesstaaten" erklärt. Ebenso Böhlau a. a. O. I. S. 289. 309. 3) Abweichender Ansicht Heinze S. 24. Uebereinstimmend Riedel S. 41. Seydel, Commentar S. 37. v. Mohl S. 168. Hänel, Studien I. S. 263 Note 16. 4) Riedel S. 40. Seydel S. 37. 5) Hiersemenzel, Verf. des Nordd. B. I. S. 7.
§. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung. II. Das Verhältniß der Reichsgeſetze zu den Landesgeſetzen 1) 1. Der Vorrang der Reichsgeſetze vor den Landesgeſetzen be- 2. Durch den Erlaß eines Reichsgeſetzes ergeben ſich für die a) Landesgeſetze, welche Rechtsſätze, die in einem Reichsgeſetz 1) Vortreffliche Unterſuchungen darüber enthält die Schrift von Heinze, das Verhältniß des Reichsſtrafrechts zu dem Landesſtrafrecht. Leipzig 1871. Vgl. auch auch Kayſer im Handbuch des Deutſchen Strafrechts von Holtzen- dorff Bd. IV. S. 93 ff. (1877). 2) Vgl. Bd. I. §. 10 S. 105 fg. Einen weſentlich verſchiedenen Standpunkt nimmt Seydel ein, welcher Kommentar S. 35. 124 das Reichsgeſetz lediglich als „gleichmäßiges Landesgeſetz aller Bundesſtaaten“ erklärt. Ebenſo Böhlau a. a. O. I. S. 289. 309. 3) Abweichender Anſicht Heinze S. 24. Uebereinſtimmend Riedel S. 41. Seydel, Commentar S. 37. v. Mohl S. 168. Hänel, Studien I. S. 263 Note 16. 4) Riedel S. 40. Seydel S. 37. 5) Hierſemenzel, Verf. des Nordd. B. I. S. 7.
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§. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung.
II. Das Verhältniß der Reichsgeſetze zu den Landesgeſetzen 1)
der einzelnen Staaten beſtimmt ſich im Allgemeinen durch den
Grundſatz, daß das Reich die ſouveräne Geſetzgebungs-Gewalt, die
Einzelſtaaten die Autonomie haben 2). Daraus ergiebt ſich, daß
die Reichsgeſetze den Landesgeſetzen vorgehen. R.-V. Art. 2. Im
Einzelnen erfordern hier folgende Punkte eine genauere Erörterung:
1. Der Vorrang der Reichsgeſetze vor den Landesgeſetzen be-
ruht darauf, daß ihre Sanktion von der höheren, und zwar
der ſouverainen Gewalt, ausgeht; nicht auf ihrem Inhalte oder
der Art der Feſtſtellung deſſelben. Der Vorrang kömmt daher
nicht blos den eigentlichen, d. h. unter Zuſtimmung des Reichs-
tags erlaſſenen Reichsgeſetzen, ſondern auch allen Reichsverordnungen
zu, wofern ſie rechtsgültig erlaſſen ſind 3). Andererſeits ſtehen nicht
blos die formellen Landesgeſetze den Reichsgeſetzen nach, ſondern
ebenſo die Verordnungen der Einzelſtaaten und die in den Einzel-
ſtaaten geltenden Gewohnheitsrechtsſätze. Durch den Erlaß eines
Reichsgeſetzes verlieren alle landesrechtlichen Vorſchriften, welche
mit dem Reichsgeſetz im Widerſpruch ſtehen, ipso iure ihre Gel-
tung; ebenſo treten formell außer Kraft diejenigen, deren mate-
rieller Inhalt mit dem neuen Reichsgeſetz übereinſtimmt 4); das
Reichsgeſetz iſt nicht blos das ſpätere, ſondern auch das ſtärkere
(höhere) Geſetz 5).
2. Durch den Erlaß eines Reichsgeſetzes ergeben ſich für die
Geſetzgebung der Einzelſtaaten folgende Beſchränkungen:
a) Landesgeſetze, welche Rechtsſätze, die in einem Reichsgeſetz
enthalten ſind, wiederholen oder beſtätigen, ſind unſtatthaft und
1) Vortreffliche Unterſuchungen darüber enthält die Schrift von Heinze,
das Verhältniß des Reichsſtrafrechts zu dem Landesſtrafrecht. Leipzig 1871.
Vgl. auch auch Kayſer im Handbuch des Deutſchen Strafrechts von Holtzen-
dorff Bd. IV. S. 93 ff. (1877).
2) Vgl. Bd. I. §. 10 S. 105 fg. Einen weſentlich verſchiedenen Standpunkt
nimmt Seydel ein, welcher Kommentar S. 35. 124 das Reichsgeſetz lediglich als
„gleichmäßiges Landesgeſetz aller Bundesſtaaten“ erklärt. Ebenſo Böhlau
a. a. O. I. S. 289. 309.
3) Abweichender Anſicht Heinze S. 24. Uebereinſtimmend Riedel
S. 41. Seydel, Commentar S. 37. v. Mohl S. 168. Hänel, Studien
I. S. 263 Note 16.
4) Riedel S. 40. Seydel S. 37.
5) Hierſemenzel, Verf. des Nordd. B. I. S. 7.
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