Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 55. Der Landesfiskus von Elsaß-Lothringen.
Schulden ist die Landeskasse (der Landesfiskus) von Elsaß-Lothrin-
gen, das Reichsland als vermögensrechtliches Rechtssubject.

Diese Trennung der Finanzwirthschaft Elsaß-Lothringens von
der Finanz-Wirthschaft des Reiches äußert ihre Wirkungen nach
vielen Seiten hin und erweckt bisweilen den Anschein, als wenn
Elsaß-Lothringen nicht Reichsland, sondern ein wirklicher Staat
wäre. Es kommen hier folgende Punkte in Betracht:

I. Staatsverträge, welche das Reich mit Rücksicht auf
Elsaß-Lothringen schließt, und welche Gegenstände betreffen, welche
nicht zu der reichsverfassunsmäßigen Kompetenz der Centralver-
waltung gehören, werden in ihren finanziellen Wirkungen so be-
handelt, als wären sie von Elsaß-Lothringen contrahirt worden.
Staatsrechtlich und völkerrechtlich sind sie Verträge des Reiches 1),
vermögensrechtlich werden sie wie Verträge der elsaß-lothringischen
Landeskasse behandelt. Das wichtigste Beispiel ist die mit Frank-
reich am 11. Dez. 1871 zu Frankfurt a. M. geschlossene Zusatz-
konvention zum Friedensvertrage. Dieselbe regelt im Art. 2 die
Pflicht zur Zahlung von Pensionen, im Art. 5 die Auszahlung
von Gerichtskosten, sowie die Einziehung von Geldstrafen und
Kosten, im Art. 8 die Auslieferung von Urkunden, Registern,
Schriftstücken u. s. w., im Art. 13 die Erfüllung von Kontrakten,
welche die französische Regierung mit Bau-Unternehmern u. s. w.
geschlossen hatte 2), im Art. 14 die Uebernahme der Kosten für
Anlage und Erhaltung der Kanäle u. s. w. In derselben Weise
sind die mit Baden getroffenen Verabredungen wegen des Baues
und der Erhaltung von Brücken über den Rhein und die Besol-
dung des Aufsichts-Personals, die mit Preußen geschlossene Ver-
einbarung wegen der Unterhaltungskosten der gemeinschaftlichen
Saar-Kanalstrecke von Saargemünd bis Güdingen, die Verträge,
welche die Rheinschifffahrt, insbesondere die Kosten der Rhein-
schifffahrts-Central-Kommission betreffen, in Beziehung auf die

1) Siehe oben S. 586.
2) Einen Fall dieser Art betrifft das Urtheil des Landgerichts Mülhausen
v. 20. Nov. 1872 in Puchelt's Zeitschrift f. Französ. Civilr. IV. S. 189 ff.
Ueber die Frage, in wie weit durch die Abtretung Elsaß-Lothringens Forde-
rungen und Schulden der französ. Staatskasse auf die els.-lothr. Landeskasse
übergegangen sind, ist zu vgl. Löning a. a. O. S. 232 ff.

§. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen.
Schulden iſt die Landeskaſſe (der Landesfiskus) von Elſaß-Lothrin-
gen, das Reichsland als vermögensrechtliches Rechtsſubject.

Dieſe Trennung der Finanzwirthſchaft Elſaß-Lothringens von
der Finanz-Wirthſchaft des Reiches äußert ihre Wirkungen nach
vielen Seiten hin und erweckt bisweilen den Anſchein, als wenn
Elſaß-Lothringen nicht Reichsland, ſondern ein wirklicher Staat
wäre. Es kommen hier folgende Punkte in Betracht:

I. Staatsverträge, welche das Reich mit Rückſicht auf
Elſaß-Lothringen ſchließt, und welche Gegenſtände betreffen, welche
nicht zu der reichsverfaſſunsmäßigen Kompetenz der Centralver-
waltung gehören, werden in ihren finanziellen Wirkungen ſo be-
handelt, als wären ſie von Elſaß-Lothringen contrahirt worden.
Staatsrechtlich und völkerrechtlich ſind ſie Verträge des Reiches 1),
vermögensrechtlich werden ſie wie Verträge der elſaß-lothringiſchen
Landeskaſſe behandelt. Das wichtigſte Beiſpiel iſt die mit Frank-
reich am 11. Dez. 1871 zu Frankfurt a. M. geſchloſſene Zuſatz-
konvention zum Friedensvertrage. Dieſelbe regelt im Art. 2 die
Pflicht zur Zahlung von Penſionen, im Art. 5 die Auszahlung
von Gerichtskoſten, ſowie die Einziehung von Geldſtrafen und
Koſten, im Art. 8 die Auslieferung von Urkunden, Regiſtern,
Schriftſtücken u. ſ. w., im Art. 13 die Erfüllung von Kontrakten,
welche die franzöſiſche Regierung mit Bau-Unternehmern u. ſ. w.
geſchloſſen hatte 2), im Art. 14 die Uebernahme der Koſten für
Anlage und Erhaltung der Kanäle u. ſ. w. In derſelben Weiſe
ſind die mit Baden getroffenen Verabredungen wegen des Baues
und der Erhaltung von Brücken über den Rhein und die Beſol-
dung des Aufſichts-Perſonals, die mit Preußen geſchloſſene Ver-
einbarung wegen der Unterhaltungskoſten der gemeinſchaftlichen
Saar-Kanalſtrecke von Saargemünd bis Güdingen, die Verträge,
welche die Rheinſchifffahrt, insbeſondere die Koſten der Rhein-
ſchifffahrts-Central-Kommiſſion betreffen, in Beziehung auf die

1) Siehe oben S. 586.
2) Einen Fall dieſer Art betrifft das Urtheil des Landgerichts Mülhauſen
v. 20. Nov. 1872 in Puchelt’s Zeitſchrift f. Franzöſ. Civilr. IV. S. 189 ff.
Ueber die Frage, in wie weit durch die Abtretung Elſaß-Lothringens Forde-
rungen und Schulden der franzöſ. Staatskaſſe auf die elſ.-lothr. Landeskaſſe
übergegangen ſind, iſt zu vgl. Löning a. a. O. S. 232 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0626" n="606"/><fw place="top" type="header">§. 55. Der Landesfiskus von El&#x017F;aß-Lothringen.</fw><lb/>
Schulden i&#x017F;t die Landeska&#x017F;&#x017F;e (der Landesfiskus) von El&#x017F;aß-Lothrin-<lb/>
gen, das Reichsland als <hi rendition="#g">vermögensrechtliches</hi> Rechts&#x017F;ubject.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Trennung der Finanzwirth&#x017F;chaft El&#x017F;aß-Lothringens von<lb/>
der Finanz-Wirth&#x017F;chaft des Reiches äußert ihre Wirkungen nach<lb/>
vielen Seiten hin und erweckt bisweilen den An&#x017F;chein, als wenn<lb/>
El&#x017F;aß-Lothringen nicht Reichsland, &#x017F;ondern ein wirklicher Staat<lb/>
wäre. Es kommen hier folgende Punkte in Betracht:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Staatsverträge</hi>, welche das Reich mit Rück&#x017F;icht auf<lb/>
El&#x017F;aß-Lothringen &#x017F;chließt, und welche Gegen&#x017F;tände betreffen, welche<lb/>
nicht zu der reichsverfa&#x017F;&#x017F;unsmäßigen Kompetenz der Centralver-<lb/>
waltung gehören, werden in ihren finanziellen Wirkungen &#x017F;o be-<lb/>
handelt, als wären &#x017F;ie von El&#x017F;aß-Lothringen contrahirt worden.<lb/>
Staatsrechtlich und völkerrechtlich &#x017F;ind &#x017F;ie Verträge des Reiches <note place="foot" n="1)">Siehe oben S. 586.</note>,<lb/>
vermögensrechtlich werden &#x017F;ie wie Verträge der el&#x017F;aß-lothringi&#x017F;chen<lb/>
Landeska&#x017F;&#x017F;e behandelt. Das wichtig&#x017F;te Bei&#x017F;piel i&#x017F;t die mit Frank-<lb/>
reich am 11. Dez. 1871 zu Frankfurt a. M. ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Zu&#x017F;atz-<lb/>
konvention zum Friedensvertrage. Die&#x017F;elbe regelt im Art. 2 die<lb/>
Pflicht zur Zahlung von Pen&#x017F;ionen, im Art. 5 die Auszahlung<lb/>
von Gerichtsko&#x017F;ten, &#x017F;owie die Einziehung von Geld&#x017F;trafen und<lb/>
Ko&#x017F;ten, im Art. 8 die Auslieferung von Urkunden, Regi&#x017F;tern,<lb/>
Schrift&#x017F;tücken u. &#x017F;. w., im Art. 13 die Erfüllung von Kontrakten,<lb/>
welche die franzö&#x017F;i&#x017F;che Regierung mit Bau-Unternehmern u. &#x017F;. w.<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte <note place="foot" n="2)">Einen Fall die&#x017F;er Art betrifft das Urtheil des Landgerichts <hi rendition="#g">Mülhau&#x017F;en</hi><lb/>
v. 20. Nov. 1872 in <hi rendition="#g">Puchelt</hi>&#x2019;s Zeit&#x017F;chrift f. Franzö&#x017F;. Civilr. <hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 189 ff.<lb/>
Ueber die Frage, in wie weit durch die Abtretung El&#x017F;aß-Lothringens Forde-<lb/>
rungen und Schulden der franzö&#x017F;. Staatska&#x017F;&#x017F;e auf die el&#x017F;.-lothr. Landeska&#x017F;&#x017F;e<lb/>
übergegangen &#x017F;ind, i&#x017F;t zu vgl. <hi rendition="#g">Löning</hi> a. a. O. S. 232 ff.</note>, im Art. 14 die Uebernahme der Ko&#x017F;ten für<lb/>
Anlage und Erhaltung der Kanäle u. &#x017F;. w. In der&#x017F;elben Wei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind die mit Baden getroffenen Verabredungen wegen des Baues<lb/>
und der Erhaltung von Brücken über den Rhein und die Be&#x017F;ol-<lb/>
dung des Auf&#x017F;ichts-Per&#x017F;onals, die mit Preußen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ver-<lb/>
einbarung wegen der Unterhaltungsko&#x017F;ten der gemein&#x017F;chaftlichen<lb/>
Saar-Kanal&#x017F;trecke von Saargemünd bis Güdingen, die Verträge,<lb/>
welche die Rhein&#x017F;chifffahrt, insbe&#x017F;ondere die Ko&#x017F;ten der Rhein-<lb/>
&#x017F;chifffahrts-Central-Kommi&#x017F;&#x017F;ion betreffen, in Beziehung auf die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0626] §. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen. Schulden iſt die Landeskaſſe (der Landesfiskus) von Elſaß-Lothrin- gen, das Reichsland als vermögensrechtliches Rechtsſubject. Dieſe Trennung der Finanzwirthſchaft Elſaß-Lothringens von der Finanz-Wirthſchaft des Reiches äußert ihre Wirkungen nach vielen Seiten hin und erweckt bisweilen den Anſchein, als wenn Elſaß-Lothringen nicht Reichsland, ſondern ein wirklicher Staat wäre. Es kommen hier folgende Punkte in Betracht: I. Staatsverträge, welche das Reich mit Rückſicht auf Elſaß-Lothringen ſchließt, und welche Gegenſtände betreffen, welche nicht zu der reichsverfaſſunsmäßigen Kompetenz der Centralver- waltung gehören, werden in ihren finanziellen Wirkungen ſo be- handelt, als wären ſie von Elſaß-Lothringen contrahirt worden. Staatsrechtlich und völkerrechtlich ſind ſie Verträge des Reiches 1), vermögensrechtlich werden ſie wie Verträge der elſaß-lothringiſchen Landeskaſſe behandelt. Das wichtigſte Beiſpiel iſt die mit Frank- reich am 11. Dez. 1871 zu Frankfurt a. M. geſchloſſene Zuſatz- konvention zum Friedensvertrage. Dieſelbe regelt im Art. 2 die Pflicht zur Zahlung von Penſionen, im Art. 5 die Auszahlung von Gerichtskoſten, ſowie die Einziehung von Geldſtrafen und Koſten, im Art. 8 die Auslieferung von Urkunden, Regiſtern, Schriftſtücken u. ſ. w., im Art. 13 die Erfüllung von Kontrakten, welche die franzöſiſche Regierung mit Bau-Unternehmern u. ſ. w. geſchloſſen hatte 2), im Art. 14 die Uebernahme der Koſten für Anlage und Erhaltung der Kanäle u. ſ. w. In derſelben Weiſe ſind die mit Baden getroffenen Verabredungen wegen des Baues und der Erhaltung von Brücken über den Rhein und die Beſol- dung des Aufſichts-Perſonals, die mit Preußen geſchloſſene Ver- einbarung wegen der Unterhaltungskoſten der gemeinſchaftlichen Saar-Kanalſtrecke von Saargemünd bis Güdingen, die Verträge, welche die Rheinſchifffahrt, insbeſondere die Koſten der Rhein- ſchifffahrts-Central-Kommiſſion betreffen, in Beziehung auf die 1) Siehe oben S. 586. 2) Einen Fall dieſer Art betrifft das Urtheil des Landgerichts Mülhauſen v. 20. Nov. 1872 in Puchelt’s Zeitſchrift f. Franzöſ. Civilr. IV. S. 189 ff. Ueber die Frage, in wie weit durch die Abtretung Elſaß-Lothringens Forde- rungen und Schulden der franzöſ. Staatskaſſe auf die elſ.-lothr. Landeskaſſe übergegangen ſind, iſt zu vgl. Löning a. a. O. S. 232 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/626
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/626>, abgerufen am 24.11.2024.