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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 54. Bundesglied und Reichsland.
Lothringen an die Formen gebunden ist, welche nach der Reichs-
verfassung für die Reichsgesetzgebung bestehen. Der Reichstag und
selbst der Bundesrath könnten von der Theilnahme daran ausge-
schlossen und eine Vertretung der elsaß-lothringischen Bevölkerung
könnte zur Theilnahme daran berufen sein; immerhin aber bliebe
das Reich oder der Kaiser als Stellvertreter und im Namen des
Reiches Gesetzgeber d. h. Subjekt des Gesetzgebungsrechts. Es kann
mit anderen Worten auch die Reichsgesetzgebung für die besonderen
Angelegenheiten des Reichslandes decentralisirt sein.

Durch das Gesetz v. 3. Juli 1871 §. 1 (G.-Bl. S. 2) ist
angeordnet, daß die für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze und
Kaiserlichen Verordnungen ihre verbindliche Kraft durch ihre Ver-
kündigung in einem Gesetzblatt erhalten, welches den Titel "Ge-
setzblatt für Elsaß-Lothringen" führt. So lange der Art. 2 der R.-V.
im Reichslande keine Geltung hatte, war die Publikation der Ge-
setze in dem Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen die einzige Art,
wie Gesetze des Reiches im Reichsland verkündigt werden konnten.
Es ist dadurch ein äußeres Kriterium geschaffen, welches die für
das Reich und die für das Reichsland erlassenen Gesetze von ein-
ander scheidet. Seit Einführung der Reichsverfassung erhalten
die vom Reiche erlassenen Gesetze, ihre verbindliche Kraft durch
ihre Verkündigung im Reichsgesetzblatte auch in Elsaß-Lothringen.
Es werden aber auch jetzt noch im Reichsgesetzblatt nur diejenigen
Reichsgesetze publizirt, welche "nach Maßgabe des Inhalts der
Reichsverfassung" (Art. 2 der R.-V.) erlassen werden; dagegen
nicht diejenigen Gesetze, welche in den "der Reichsgesetzgebung in
den Bundesstaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten" auf Grund
des Ges. v. 9. Juni 1872 für Elsaß-Lothringen erlassen werden.
Die letzteren werden im Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen publizirt.
Man unterscheidet daher auch jetzt noch in Elsaß-Lothringen Gesetze,
welche innerhalb der verfassungsmäßigen Kompetenz des
Reiches, und Gesetze, welche außerhalb dieser Kompetenz erlassen
werden und nennt die letzteren, mit einem nicht ganz zutreffenden
Ausdrucke: Landesgesetze.

Das Gesetz vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung
der Verf. des Deutschen Reiches in Elsaß-Lothringen, selbst be-
stimmt in §. 4 Abs. 1:
"Die in Art. 35 der Verf. erwähnte Besteuerung des in-

§. 54. Bundesglied und Reichsland.
Lothringen an die Formen gebunden iſt, welche nach der Reichs-
verfaſſung für die Reichsgeſetzgebung beſtehen. Der Reichstag und
ſelbſt der Bundesrath könnten von der Theilnahme daran ausge-
ſchloſſen und eine Vertretung der elſaß-lothringiſchen Bevölkerung
könnte zur Theilnahme daran berufen ſein; immerhin aber bliebe
das Reich oder der Kaiſer als Stellvertreter und im Namen des
Reiches Geſetzgeber d. h. Subjekt des Geſetzgebungsrechts. Es kann
mit anderen Worten auch die Reichsgeſetzgebung für die beſonderen
Angelegenheiten des Reichslandes decentraliſirt ſein.

Durch das Geſetz v. 3. Juli 1871 §. 1 (G.-Bl. S. 2) iſt
angeordnet, daß die für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze und
Kaiſerlichen Verordnungen ihre verbindliche Kraft durch ihre Ver-
kündigung in einem Geſetzblatt erhalten, welches den Titel „Ge-
ſetzblatt für Elſaß-Lothringen“ führt. So lange der Art. 2 der R.-V.
im Reichslande keine Geltung hatte, war die Publikation der Ge-
ſetze in dem Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen die einzige Art,
wie Geſetze des Reiches im Reichsland verkündigt werden konnten.
Es iſt dadurch ein äußeres Kriterium geſchaffen, welches die für
das Reich und die für das Reichsland erlaſſenen Geſetze von ein-
ander ſcheidet. Seit Einführung der Reichsverfaſſung erhalten
die vom Reiche erlaſſenen Geſetze, ihre verbindliche Kraft durch
ihre Verkündigung im Reichsgeſetzblatte auch in Elſaß-Lothringen.
Es werden aber auch jetzt noch im Reichsgeſetzblatt nur diejenigen
Reichsgeſetze publizirt, welche „nach Maßgabe des Inhalts der
Reichsverfaſſung“ (Art. 2 der R.-V.) erlaſſen werden; dagegen
nicht diejenigen Geſetze, welche in den „der Reichsgeſetzgebung in
den Bundesſtaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten“ auf Grund
des Geſ. v. 9. Juni 1872 für Elſaß-Lothringen erlaſſen werden.
Die letzteren werden im Geſetzbl. für Elſaß-Lothringen publizirt.
Man unterſcheidet daher auch jetzt noch in Elſaß-Lothringen Geſetze,
welche innerhalb der verfaſſungsmäßigen Kompetenz des
Reiches, und Geſetze, welche außerhalb dieſer Kompetenz erlaſſen
werden und nennt die letzteren, mit einem nicht ganz zutreffenden
Ausdrucke: Landesgeſetze.

Das Geſetz vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung
der Verf. des Deutſchen Reiches in Elſaß-Lothringen, ſelbſt be-
ſtimmt in §. 4 Abſ. 1:
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[589/0609] §. 54. Bundesglied und Reichsland. Lothringen an die Formen gebunden iſt, welche nach der Reichs- verfaſſung für die Reichsgeſetzgebung beſtehen. Der Reichstag und ſelbſt der Bundesrath könnten von der Theilnahme daran ausge- ſchloſſen und eine Vertretung der elſaß-lothringiſchen Bevölkerung könnte zur Theilnahme daran berufen ſein; immerhin aber bliebe das Reich oder der Kaiſer als Stellvertreter und im Namen des Reiches Geſetzgeber d. h. Subjekt des Geſetzgebungsrechts. Es kann mit anderen Worten auch die Reichsgeſetzgebung für die beſonderen Angelegenheiten des Reichslandes decentraliſirt ſein. Durch das Geſetz v. 3. Juli 1871 §. 1 (G.-Bl. S. 2) iſt angeordnet, daß die für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze und Kaiſerlichen Verordnungen ihre verbindliche Kraft durch ihre Ver- kündigung in einem Geſetzblatt erhalten, welches den Titel „Ge- ſetzblatt für Elſaß-Lothringen“ führt. So lange der Art. 2 der R.-V. im Reichslande keine Geltung hatte, war die Publikation der Ge- ſetze in dem Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen die einzige Art, wie Geſetze des Reiches im Reichsland verkündigt werden konnten. Es iſt dadurch ein äußeres Kriterium geſchaffen, welches die für das Reich und die für das Reichsland erlaſſenen Geſetze von ein- ander ſcheidet. Seit Einführung der Reichsverfaſſung erhalten die vom Reiche erlaſſenen Geſetze, ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung im Reichsgeſetzblatte auch in Elſaß-Lothringen. Es werden aber auch jetzt noch im Reichsgeſetzblatt nur diejenigen Reichsgeſetze publizirt, welche „nach Maßgabe des Inhalts der Reichsverfaſſung“ (Art. 2 der R.-V.) erlaſſen werden; dagegen nicht diejenigen Geſetze, welche in den „der Reichsgeſetzgebung in den Bundesſtaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten“ auf Grund des Geſ. v. 9. Juni 1872 für Elſaß-Lothringen erlaſſen werden. Die letzteren werden im Geſetzbl. für Elſaß-Lothringen publizirt. Man unterſcheidet daher auch jetzt noch in Elſaß-Lothringen Geſetze, welche innerhalb der verfaſſungsmäßigen Kompetenz des Reiches, und Geſetze, welche außerhalb dieſer Kompetenz erlaſſen werden und nennt die letzteren, mit einem nicht ganz zutreffenden Ausdrucke: Landesgeſetze. Das Geſetz vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung der Verf. des Deutſchen Reiches in Elſaß-Lothringen, ſelbſt be- ſtimmt in §. 4 Abſ. 1: „Die in Art. 35 der Verf. erwähnte Beſteuerung des in-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/609>, abgerufen am 03.05.2024.