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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geschäfte.

b) "Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit
der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich."
Die "gesetzliche Anzahl" ist, gleichviel ob Sitze erledigt sind oder
nicht, 397 1). Beschlußfähig ist der Reichstag daher nur, wenn
mindestens 199 Mitglieder anwesend sind. Die Anwesenheit einer
so großen Anzahl von Mitgliedern braucht aber nicht bei jeder
Beschlußfassung constatirt zu werden; die Beschlußfähigkeit wird
in allen Fällen präsumirt, in denen nicht durch Auszählung oder
namentliche Abstimmung das Gegentheil festgestellt wird. Nur zur
Beschlußfassung, nicht zu Verhandlungen des Reichstages ist die
Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern erforderlich.
Debatten können daher fortgesetzt werden, selbst wenn die Beschluß-
Unfähigkeit des Hauses constatirt ist 2).

3) "Dem Reichstag steht es zu, seinen Präsidenten, seine
Vicepräsidenten und Schriftführer zu wählen
."
R.-V. Art. 27. Dieselben führen die Gesammtbezeichnung "Vor-
stand des Reichstages." Beim Eintritt einer neuen Legislatur-
Periode übernimmt zunächst interimistisch das älteste Mitglied den
Vorsitz, es wird sodann ein Beschluß des Reichstages gefaßt 3),
an welchem folgenden Tage die Wahlen erfolgen sollen. Die Wahl
der Präsidenten und von zwei Vicepräsidenten erfolgt das erste
Mal auf 4 Wochen, dann aber für die übrige Dauer der Session.
Sie geschieht unter Namens-Aufruf durch Stimmzettel nach ab-
soluter
Majorität.

In den folgenden Sessionen einer Legislatur-Periode setzen
die Präsidenten der vorangegangenen Session ihre Functionen bis

hat, finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Sie können nach relativer
Stimmenmehrheit erfolgen, z. B. die Wahl der Schriftführer, und bei Stim-
mengleichheit entscheidet das Loos. Gesch.-Ordn. §. 7. 8. Für die Wahl der
Mitglieder der Reichsschulden-Komm. ist absolute Stimmenmehrheit vorgeschrie-
ben im Ges. v. 19. Juni 1868 §. 5 (B.-G.-Bl. S. 340).
1) Siehe oben S. 531 fg.
2) Vrgl. v. Mohl Zeitschr. f. Staatswissensch. Bd. 31. S. 94 fg.
3) Hierzu ist demnach die Anwesenheit einer beschlußfähigen Anzahl er-
forderlich, zur Wahl selbst dagegen nicht. Gesch.-Ordn. §. 7. Denn man kann
eine Wahl doch kaum als einen "Beschluß" bezeichnen. Die Praxis des Reichs-
tages hat sich aber dafür entschieden, nur solche Wahlen für gültig zu erachten,
bei welcher eine beschlußfähige Anzahl von Stimmen abgegeben worden ist.
Vrgl. namentlich Stenogr. Ber. 1874/75 I. S. 14.
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§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte.

b) „Zur Gültigkeit der Beſchlußfaſſung iſt die Anweſenheit
der Mehrheit der geſetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.“
Die „geſetzliche Anzahl“ iſt, gleichviel ob Sitze erledigt ſind oder
nicht, 397 1). Beſchlußfähig iſt der Reichstag daher nur, wenn
mindeſtens 199 Mitglieder anweſend ſind. Die Anweſenheit einer
ſo großen Anzahl von Mitgliedern braucht aber nicht bei jeder
Beſchlußfaſſung conſtatirt zu werden; die Beſchlußfähigkeit wird
in allen Fällen präſumirt, in denen nicht durch Auszählung oder
namentliche Abſtimmung das Gegentheil feſtgeſtellt wird. Nur zur
Beſchlußfaſſung, nicht zu Verhandlungen des Reichstages iſt die
Anweſenheit einer beſtimmten Anzahl von Mitgliedern erforderlich.
Debatten können daher fortgeſetzt werden, ſelbſt wenn die Beſchluß-
Unfähigkeit des Hauſes conſtatirt iſt 2).

3) „Dem Reichstag ſteht es zu, ſeinen Präſidenten, ſeine
Vicepräſidenten und Schriftführer zu wählen
.“
R.-V. Art. 27. Dieſelben führen die Geſammtbezeichnung „Vor-
ſtand des Reichstages.“ Beim Eintritt einer neuen Legislatur-
Periode übernimmt zunächſt interimiſtiſch das älteſte Mitglied den
Vorſitz, es wird ſodann ein Beſchluß des Reichstages gefaßt 3),
an welchem folgenden Tage die Wahlen erfolgen ſollen. Die Wahl
der Präſidenten und von zwei Vicepräſidenten erfolgt das erſte
Mal auf 4 Wochen, dann aber für die übrige Dauer der Seſſion.
Sie geſchieht unter Namens-Aufruf durch Stimmzettel nach ab-
ſoluter
Majorität.

In den folgenden Seſſionen einer Legislatur-Periode ſetzen
die Präſidenten der vorangegangenen Seſſion ihre Functionen bis

hat, finden dieſe Beſtimmungen keine Anwendung. Sie können nach relativer
Stimmenmehrheit erfolgen, z. B. die Wahl der Schriftführer, und bei Stim-
mengleichheit entſcheidet das Loos. Geſch.-Ordn. §. 7. 8. Für die Wahl der
Mitglieder der Reichsſchulden-Komm. iſt abſolute Stimmenmehrheit vorgeſchrie-
ben im Geſ. v. 19. Juni 1868 §. 5 (B.-G.-Bl. S. 340).
1) Siehe oben S. 531 fg.
2) Vrgl. v. Mohl Zeitſchr. f. Staatswiſſenſch. Bd. 31. S. 94 fg.
3) Hierzu iſt demnach die Anweſenheit einer beſchlußfähigen Anzahl er-
forderlich, zur Wahl ſelbſt dagegen nicht. Geſch.-Ordn. §. 7. Denn man kann
eine Wahl doch kaum als einen „Beſchluß“ bezeichnen. Die Praxis des Reichs-
tages hat ſich aber dafür entſchieden, nur ſolche Wahlen für gültig zu erachten,
bei welcher eine beſchlußfähige Anzahl von Stimmen abgegeben worden iſt.
Vrgl. namentlich Stenogr. Ber. 1874/75 I. S. 14.
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[563/0583] §. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte. b) „Zur Gültigkeit der Beſchlußfaſſung iſt die Anweſenheit der Mehrheit der geſetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.“ Die „geſetzliche Anzahl“ iſt, gleichviel ob Sitze erledigt ſind oder nicht, 397 1). Beſchlußfähig iſt der Reichstag daher nur, wenn mindeſtens 199 Mitglieder anweſend ſind. Die Anweſenheit einer ſo großen Anzahl von Mitgliedern braucht aber nicht bei jeder Beſchlußfaſſung conſtatirt zu werden; die Beſchlußfähigkeit wird in allen Fällen präſumirt, in denen nicht durch Auszählung oder namentliche Abſtimmung das Gegentheil feſtgeſtellt wird. Nur zur Beſchlußfaſſung, nicht zu Verhandlungen des Reichstages iſt die Anweſenheit einer beſtimmten Anzahl von Mitgliedern erforderlich. Debatten können daher fortgeſetzt werden, ſelbſt wenn die Beſchluß- Unfähigkeit des Hauſes conſtatirt iſt 2). 3) „Dem Reichstag ſteht es zu, ſeinen Präſidenten, ſeine Vicepräſidenten und Schriftführer zu wählen.“ R.-V. Art. 27. Dieſelben führen die Geſammtbezeichnung „Vor- ſtand des Reichstages.“ Beim Eintritt einer neuen Legislatur- Periode übernimmt zunächſt interimiſtiſch das älteſte Mitglied den Vorſitz, es wird ſodann ein Beſchluß des Reichstages gefaßt 3), an welchem folgenden Tage die Wahlen erfolgen ſollen. Die Wahl der Präſidenten und von zwei Vicepräſidenten erfolgt das erſte Mal auf 4 Wochen, dann aber für die übrige Dauer der Seſſion. Sie geſchieht unter Namens-Aufruf durch Stimmzettel nach ab- ſoluter Majorität. In den folgenden Seſſionen einer Legislatur-Periode ſetzen die Präſidenten der vorangegangenen Seſſion ihre Functionen bis 3) 1) Siehe oben S. 531 fg. 2) Vrgl. v. Mohl Zeitſchr. f. Staatswiſſenſch. Bd. 31. S. 94 fg. 3) Hierzu iſt demnach die Anweſenheit einer beſchlußfähigen Anzahl er- forderlich, zur Wahl ſelbſt dagegen nicht. Geſch.-Ordn. §. 7. Denn man kann eine Wahl doch kaum als einen „Beſchluß“ bezeichnen. Die Praxis des Reichs- tages hat ſich aber dafür entſchieden, nur ſolche Wahlen für gültig zu erachten, bei welcher eine beſchlußfähige Anzahl von Stimmen abgegeben worden iſt. Vrgl. namentlich Stenogr. Ber. 1874/75 I. S. 14. 3) hat, finden dieſe Beſtimmungen keine Anwendung. Sie können nach relativer Stimmenmehrheit erfolgen, z. B. die Wahl der Schriftführer, und bei Stim- mengleichheit entſcheidet das Loos. Geſch.-Ordn. §. 7. 8. Für die Wahl der Mitglieder der Reichsſchulden-Komm. iſt abſolute Stimmenmehrheit vorgeſchrie- ben im Geſ. v. 19. Juni 1868 §. 5 (B.-G.-Bl. S. 340). 36*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/583>, abgerufen am 25.11.2024.