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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
Unfleiß, Sorglosigkeit, Saumseligkeit u. dgl. in der Führung der
Amtsgeschäfte; insbesondere Verlassen des Amtes ohne Urlaub oder
Ueberschreiten des Urlaubs ohne entschuldigende Gründe.

b) Verletzungen der Pflicht zur Treue und zum
Gehorsam
. Hierunter fallen Widerspänstigkeit und Ungehorsam
gegen amtliche Befehle welche, innerhalb der Zuständigkeit der vorge-
setzten Behörde ertheilt sind; Verletzung der Amtsverschwiegenheit;
Veruntreuung von Geldern und Materialien. Ebenso kann hierher
ein Verhalten des Beamten in seinem Amte fallen, welches darauf ab-
zielt, den von der Reichsregierung angestellten Erfolg gewisser Maaß-
regeln zu vereiteln und die Pläne und Absichten der Regierung
durch bewußtes Entgegenwirken oder durch Lässigkeit in der
Ausführung der Anordnungen zu durchkreuzen. Zweifellos kann
aber die Ausübung des Wahlrechtes oder die Thätigkeit als Land-
tags- oder Reichstags-Mitglied, bei welcher sich der Beamte aus-
schließlich nach seiner subjektiven Ueberzeugung zu bestimmen hat,
niemals als schuldbare Verletzung der Treue erachtet und discipli-
narisch bestraft werden.

c) Verletzungen der Pflicht eines achtungswürdi-
gen Verhaltens
. Hierhin gehört jedes Benehmen des Beam-
ten, sowohl in seinem Amte als außerhalb desselben, welches der
Sitte und Ehre widerspricht und geeignet ist, ihn in der allge-
meinen Achtung herabzusetzen, gleichviel ob die Handlung zugleich
unter die Strafgesetze fällt oder nicht. Es kann eine Handlung
strafbar sein und dennoch kein Disciplinarvergehen, z. B. fahr-
lässige Brandstiftung durch Wegwerfen eines Zündhölzchens, fahr-
lässige Körperverletzung oder Tödtung bei einer Jagd u. dgl.; es
kann andererseits eine Handlung oder Unterlassung ein schweres
Dienstvergehen sein, ohne nach Strafrecht verfolgbar zu sein, z. B.
Trunkenheit, leichtsinniges Schuldenmachen, Hazardspiel u. dgl.,
wenn dadurch öffentliches Aergerniß gegeben und das allgemeine
Sittlichkeits-Gefühl verletzt wird.

d) Hierzu kommen noch Verletzungen der den Beamten aufer-
legten Beschränkungen durch unbefugte Annahme von Remu-
nerationen, Orden, Nebenämtern, durch Betrieb eines Gewerbes
u. dgl.

2) Die Disciplinarstrafen sind keine öffentlichen Strafen;
sie bewegen sich in dem Rahmen des durch die Anstellung begrün-

§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
Unfleiß, Sorgloſigkeit, Saumſeligkeit u. dgl. in der Führung der
Amtsgeſchäfte; insbeſondere Verlaſſen des Amtes ohne Urlaub oder
Ueberſchreiten des Urlaubs ohne entſchuldigende Gründe.

b) Verletzungen der Pflicht zur Treue und zum
Gehorſam
. Hierunter fallen Widerſpänſtigkeit und Ungehorſam
gegen amtliche Befehle welche, innerhalb der Zuſtändigkeit der vorge-
ſetzten Behörde ertheilt ſind; Verletzung der Amtsverſchwiegenheit;
Veruntreuung von Geldern und Materialien. Ebenſo kann hierher
ein Verhalten des Beamten in ſeinem Amte fallen, welches darauf ab-
zielt, den von der Reichsregierung angeſtellten Erfolg gewiſſer Maaß-
regeln zu vereiteln und die Pläne und Abſichten der Regierung
durch bewußtes Entgegenwirken oder durch Läſſigkeit in der
Ausführung der Anordnungen zu durchkreuzen. Zweifellos kann
aber die Ausübung des Wahlrechtes oder die Thätigkeit als Land-
tags- oder Reichstags-Mitglied, bei welcher ſich der Beamte aus-
ſchließlich nach ſeiner ſubjektiven Ueberzeugung zu beſtimmen hat,
niemals als ſchuldbare Verletzung der Treue erachtet und discipli-
nariſch beſtraft werden.

c) Verletzungen der Pflicht eines achtungswürdi-
gen Verhaltens
. Hierhin gehört jedes Benehmen des Beam-
ten, ſowohl in ſeinem Amte als außerhalb deſſelben, welches der
Sitte und Ehre widerſpricht und geeignet iſt, ihn in der allge-
meinen Achtung herabzuſetzen, gleichviel ob die Handlung zugleich
unter die Strafgeſetze fällt oder nicht. Es kann eine Handlung
ſtrafbar ſein und dennoch kein Disciplinarvergehen, z. B. fahr-
läſſige Brandſtiftung durch Wegwerfen eines Zündhölzchens, fahr-
läſſige Körperverletzung oder Tödtung bei einer Jagd u. dgl.; es
kann andererſeits eine Handlung oder Unterlaſſung ein ſchweres
Dienſtvergehen ſein, ohne nach Strafrecht verfolgbar zu ſein, z. B.
Trunkenheit, leichtſinniges Schuldenmachen, Hazardſpiel u. dgl.,
wenn dadurch öffentliches Aergerniß gegeben und das allgemeine
Sittlichkeits-Gefühl verletzt wird.

d) Hierzu kommen noch Verletzungen der den Beamten aufer-
legten Beſchränkungen durch unbefugte Annahme von Remu-
nerationen, Orden, Nebenämtern, durch Betrieb eines Gewerbes
u. dgl.

2) Die Disciplinarſtrafen ſind keine öffentlichen Strafen;
ſie bewegen ſich in dem Rahmen des durch die Anſtellung begrün-

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[452/0472] §. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. Unfleiß, Sorgloſigkeit, Saumſeligkeit u. dgl. in der Führung der Amtsgeſchäfte; insbeſondere Verlaſſen des Amtes ohne Urlaub oder Ueberſchreiten des Urlaubs ohne entſchuldigende Gründe. b) Verletzungen der Pflicht zur Treue und zum Gehorſam. Hierunter fallen Widerſpänſtigkeit und Ungehorſam gegen amtliche Befehle welche, innerhalb der Zuſtändigkeit der vorge- ſetzten Behörde ertheilt ſind; Verletzung der Amtsverſchwiegenheit; Veruntreuung von Geldern und Materialien. Ebenſo kann hierher ein Verhalten des Beamten in ſeinem Amte fallen, welches darauf ab- zielt, den von der Reichsregierung angeſtellten Erfolg gewiſſer Maaß- regeln zu vereiteln und die Pläne und Abſichten der Regierung durch bewußtes Entgegenwirken oder durch Läſſigkeit in der Ausführung der Anordnungen zu durchkreuzen. Zweifellos kann aber die Ausübung des Wahlrechtes oder die Thätigkeit als Land- tags- oder Reichstags-Mitglied, bei welcher ſich der Beamte aus- ſchließlich nach ſeiner ſubjektiven Ueberzeugung zu beſtimmen hat, niemals als ſchuldbare Verletzung der Treue erachtet und discipli- nariſch beſtraft werden. c) Verletzungen der Pflicht eines achtungswürdi- gen Verhaltens. Hierhin gehört jedes Benehmen des Beam- ten, ſowohl in ſeinem Amte als außerhalb deſſelben, welches der Sitte und Ehre widerſpricht und geeignet iſt, ihn in der allge- meinen Achtung herabzuſetzen, gleichviel ob die Handlung zugleich unter die Strafgeſetze fällt oder nicht. Es kann eine Handlung ſtrafbar ſein und dennoch kein Disciplinarvergehen, z. B. fahr- läſſige Brandſtiftung durch Wegwerfen eines Zündhölzchens, fahr- läſſige Körperverletzung oder Tödtung bei einer Jagd u. dgl.; es kann andererſeits eine Handlung oder Unterlaſſung ein ſchweres Dienſtvergehen ſein, ohne nach Strafrecht verfolgbar zu ſein, z. B. Trunkenheit, leichtſinniges Schuldenmachen, Hazardſpiel u. dgl., wenn dadurch öffentliches Aergerniß gegeben und das allgemeine Sittlichkeits-Gefühl verletzt wird. d) Hierzu kommen noch Verletzungen der den Beamten aufer- legten Beſchränkungen durch unbefugte Annahme von Remu- nerationen, Orden, Nebenämtern, durch Betrieb eines Gewerbes u. dgl. 2) Die Disciplinarſtrafen ſind keine öffentlichen Strafen; ſie bewegen ſich in dem Rahmen des durch die Anſtellung begrün-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/472>, abgerufen am 24.07.2024.