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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
amte, welcher entweder vom Kaiser angestellt oder nach Vorschrift
der Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu
leisten verpflichtet ist" 1).

Es gibt sonach zwei Klassen von Reichs-Beamten im Sinne
dieses Gesetzes.

1. Die erste Klasse bilden die vom Kaiser oder in seinem
Auftrage kraft Delegation angestellten Beamten des Reiches. Da
der Art. 18 der Reichsverf. bestimmt: "Der Kaiser ernennt die
Reichsbeamten", so ist die Begriffs-Bestimmung dieser Klasse nichts-
sagend. Es kann zwar -- wie soeben ausgeführt worden ist --
Reichsbehörden geben, welche der Kaiser nicht oder nicht aus-
schließlich besetzt; aber nach dem Art. 18 versteht es sich für die
Reichsbeamten von selbst, daß sie vom Kaiser oder in dessen
Namen kraft kaiserlicher Ermächtigung ernannt sind. Die erste Kate-
gorie des §. cit. sagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne
dieses Gesetzes ist jeder Beamte, welcher Reichsbeamter ist.

Eine praktische Bedeutung erlangt die Definition des §. 1
lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.

2. Die zweite Klasse umfaßt Personen, welche nicht Reichs-
beamte, sondern Beamte der Einzelstaaten sind, trotzdem aber
nach Vorschrift der Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers
Folge zu leisten verpflichtet sind. Der §. 1 will sagen: Dieses
Gesetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, sondern
auch auf diejenigen Beamten der Einzelstaaten, welche u. s. w.
Durch die Gesetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873
sind die praktischen Uebelstände zum Theil beseitigt worden, welche
sich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anstellung
der Beamten der Post- nnd Telegraphen-Verwaltung und über
das Heerwesen ergeben mußten. Die im Art 50. Abs. 5 der
R.-V. aufgeführten Post- und Telegraphen-Beamten werden nicht
vom Kaiser, sondern von den Landesherren ernannt, soweit nicht
besondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie sind
mithin Landesbeamte
2). Ebenso ist die Militär-Ver-

1) Diese Definition ist wörtlich entnommen dem Gesetz vom 2. Juni
1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur
daß hier selbstverständlich statt "Kaiser" "Bundespräsidium" stand.
2) Es ist dies vom Präsidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an-
erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Gesetzes im Reichstage von 1868

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
amte, welcher entweder vom Kaiſer angeſtellt oder nach Vorſchrift
der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu
leiſten verpflichtet iſt“ 1).

Es gibt ſonach zwei Klaſſen von Reichs-Beamten im Sinne
dieſes Geſetzes.

1. Die erſte Klaſſe bilden die vom Kaiſer oder in ſeinem
Auftrage kraft Delegation angeſtellten Beamten des Reiches. Da
der Art. 18 der Reichsverf. beſtimmt: „Der Kaiſer ernennt die
Reichsbeamten“, ſo iſt die Begriffs-Beſtimmung dieſer Klaſſe nichts-
ſagend. Es kann zwar — wie ſoeben ausgeführt worden iſt —
Reichsbehörden geben, welche der Kaiſer nicht oder nicht aus-
ſchließlich beſetzt; aber nach dem Art. 18 verſteht es ſich für die
Reichsbeamten von ſelbſt, daß ſie vom Kaiſer oder in deſſen
Namen kraft kaiſerlicher Ermächtigung ernannt ſind. Die erſte Kate-
gorie des §. cit. ſagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne
dieſes Geſetzes iſt jeder Beamte, welcher Reichsbeamter iſt.

Eine praktiſche Bedeutung erlangt die Definition des §. 1
lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie.

2. Die zweite Klaſſe umfaßt Perſonen, welche nicht Reichs-
beamte, ſondern Beamte der Einzelſtaaten ſind, trotzdem aber
nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers
Folge zu leiſten verpflichtet ſind. Der §. 1 will ſagen: Dieſes
Geſetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, ſondern
auch auf diejenigen Beamten der Einzelſtaaten, welche u. ſ. w.
Durch die Geſetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873
ſind die praktiſchen Uebelſtände zum Theil beſeitigt worden, welche
ſich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anſtellung
der Beamten der Poſt- nnd Telegraphen-Verwaltung und über
das Heerweſen ergeben mußten. Die im Art 50. Abſ. 5 der
R.-V. aufgeführten Poſt- und Telegraphen-Beamten werden nicht
vom Kaiſer, ſondern von den Landesherren ernannt, ſoweit nicht
beſondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie ſind
mithin Landesbeamte
2). Ebenſo iſt die Militär-Ver-

1) Dieſe Definition iſt wörtlich entnommen dem Geſetz vom 2. Juni
1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur
daß hier ſelbſtverſtändlich ſtatt „Kaiſer“ „Bundespräſidium“ ſtand.
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erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Geſetzes im Reichstage von 1868
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[398/0418] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. amte, welcher entweder vom Kaiſer angeſtellt oder nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten verpflichtet iſt“ 1). Es gibt ſonach zwei Klaſſen von Reichs-Beamten im Sinne dieſes Geſetzes. 1. Die erſte Klaſſe bilden die vom Kaiſer oder in ſeinem Auftrage kraft Delegation angeſtellten Beamten des Reiches. Da der Art. 18 der Reichsverf. beſtimmt: „Der Kaiſer ernennt die Reichsbeamten“, ſo iſt die Begriffs-Beſtimmung dieſer Klaſſe nichts- ſagend. Es kann zwar — wie ſoeben ausgeführt worden iſt — Reichsbehörden geben, welche der Kaiſer nicht oder nicht aus- ſchließlich beſetzt; aber nach dem Art. 18 verſteht es ſich für die Reichsbeamten von ſelbſt, daß ſie vom Kaiſer oder in deſſen Namen kraft kaiſerlicher Ermächtigung ernannt ſind. Die erſte Kate- gorie des §. cit. ſagt weiter Nichts als: Reichsbeamter im Sinne dieſes Geſetzes iſt jeder Beamte, welcher Reichsbeamter iſt. Eine praktiſche Bedeutung erlangt die Definition des §. 1 lediglich wegen der Hinzufügung der zweiten Kategorie. 2. Die zweite Klaſſe umfaßt Perſonen, welche nicht Reichs- beamte, ſondern Beamte der Einzelſtaaten ſind, trotzdem aber nach Vorſchrift der Reichsverfaſſung den Anordnungen des Kaiſers Folge zu leiſten verpflichtet ſind. Der §. 1 will ſagen: Dieſes Geſetz findet Anwendung nicht nur auf die Reichsbeamten, ſondern auch auf diejenigen Beamten der Einzelſtaaten, welche u. ſ. w. Durch die Geſetze vom 2. Juni 1869 und vom 31. März 1873 ſind die praktiſchen Uebelſtände zum Theil beſeitigt worden, welche ſich aus den Anordnungen der Reichsverf. über die Anſtellung der Beamten der Poſt- nnd Telegraphen-Verwaltung und über das Heerweſen ergeben mußten. Die im Art 50. Abſ. 5 der R.-V. aufgeführten Poſt- und Telegraphen-Beamten werden nicht vom Kaiſer, ſondern von den Landesherren ernannt, ſoweit nicht beſondere Conventionen eine Ausnahme begründen. Sie ſind mithin Landesbeamte 2). Ebenſo iſt die Militär-Ver- 1) Dieſe Definition iſt wörtlich entnommen dem Geſetz vom 2. Juni 1869 über die Kautionen der Bundesbeamten §. 1 (B.-G.-Bl. S. 161); nur daß hier ſelbſtverſtändlich ſtatt „Kaiſer“ „Bundespräſidium“ ſtand. 2) Es iſt dies vom Präſidenten des Reichskanzler-Amtes ausdrücklich an- erkannt worden bei der Berathung des Beamten-Geſetzes im Reichstage von 1868

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/418>, abgerufen am 22.11.2024.