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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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ß. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Die Einsicht aber, daß der Beamte ein Recht auf Belohnung haben
müsse, führte dahin, eine Dienstmiethe anzunehmen 1). Bald
fand man auch dies unpassend und unwürdig, weil der Staats-
dienst nicht zu den operae illiberales zu zählen sei, und ging zum
Mandat über 2). Da auch dies als durchaus unzutreffend sich
erwies, nahm man seine Zuflucht zu der nichtssagenden Formel
des Innominat-Contracts und man kam schließlich dazu,
einen eigenthümlichen, besonders gearteten "Staatsdienst-Ver-
trag
" aufzustellen 3).

Einen Wendepunkt bildet die geistreiche Schrift von Gönner
"Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkte des Rechts und der
National-Oekonomie betrachtet" (1808). Er widerlegt die privat-
rechtliche Auffassung des Staatsdienstverhältnisses in allen ihren
Färbungen in energischer Weise und stützt das Dienstverhältniß
auf die Staatsgewalt, auf die Unterthanenpflicht 4). Diese Ansicht

de statu region. Germ. c. III. §. 34 Myler ab Ehrenbach Hypar-
cholog. cap. III. §. 32. Böhmer Exercit. ad Pandectas p.
767 fg.
und derselbe in der Dissert. de iure princip. circa dimiss. ministr. Halae
1716 cap. II.
§. 16, wo die älteren Vertreter angeführt sind.
1) z. B. Strube Rechtl. Bedenken Th. III. Nr. 144 S. 510. Dieselbe
Auffassung findet sich noch in einem Erk. des Appellat.-Gerichts zu
Leipzig vom 3. September 1863. Wochenbl. für merkw. Rechtsfälle von
1864 S. 81 ff.
2) z. B. Harprecht Consil. respons. 93 Nr. 77. Ebenso noch das
Erk. des Preuß. Obertribunals vom 17. März 1865. Entscheidungen
Bd. 52 S. 321 ff.
3) Am eingehendsten, unter Widerlegung der anderen Ansichten, Seuffert
Vom Verhältniß des Staats und der Diener des Staates (Würzburg 1793)
S. 16 fg. und v. der Becke Von Staatsämtern und Staatsdienern (Heilbronn
1797) S. 36 ff. Ferner Leist Staatsr. §. 100. Jordan Lehrbuch §. 72 II.
(Vgl die bei Grotefend §. 669 Note 2 mitgetheilte Stelle daraus.) Klüber
Oeffentl. Recht §. 492 S. 720. Auch Buddeus in Weiske's Rechtslexik. I.
S. 744 hält noch an der Annahme eines privatrechtlichen Staatsdienstvertra-
ges fest; ebenso Feuerbach Lehrb. des peinl. R §. 477. Schwankend und
unbestimmt Mittermaier in Ersch und Gruber's Encyclop. Art. "Amt."
4) Gönner a. a. O. S. 27. "Jede Arbeit für den Staat, welche der
Unterthan leistet, ist Staatsdienst." S. 49 ff. "Die Leistung der Staatsdienste
haftet auf der vereinigten Kraft der Unterthanen." "Dienste stehen wie die
Steuern unter den Regeln der Finanzwissenschaft." S. 56 ff. und bes. 83 ff.
"Staatsdienste sind eine Staatslast; sie werden von den Einzelnen nach Maß-
gabe ihrer Kräfte, Talente und Kenntnisse gefordert."

ß. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Die Einſicht aber, daß der Beamte ein Recht auf Belohnung haben
müſſe, führte dahin, eine Dienſtmiethe anzunehmen 1). Bald
fand man auch dies unpaſſend und unwürdig, weil der Staats-
dienſt nicht zu den operae illiberales zu zählen ſei, und ging zum
Mandat über 2). Da auch dies als durchaus unzutreffend ſich
erwies, nahm man ſeine Zuflucht zu der nichtsſagenden Formel
des Innominat-Contracts und man kam ſchließlich dazu,
einen eigenthümlichen, beſonders gearteten „Staatsdienſt-Ver-
trag
“ aufzuſtellen 3).

Einen Wendepunkt bildet die geiſtreiche Schrift von Gönner
„Der Staatsdienſt aus dem Geſichtspunkte des Rechts und der
National-Oekonomie betrachtet“ (1808). Er widerlegt die privat-
rechtliche Auffaſſung des Staatsdienſtverhältniſſes in allen ihren
Färbungen in energiſcher Weiſe und ſtützt das Dienſtverhältniß
auf die Staatsgewalt, auf die Unterthanenpflicht 4). Dieſe Anſicht

de statu region. Germ. c. III. §. 34 Myler ab Ehrenbach Hypar-
cholog. cap. III. §. 32. Böhmer Exercit. ad Pandectas p.
767 fg.
und derſelbe in der Dissert. de iure princip. circa dimiss. ministr. Halae
1716 cap. II.
§. 16, wo die älteren Vertreter angeführt ſind.
1) z. B. Strube Rechtl. Bedenken Th. III. Nr. 144 S. 510. Dieſelbe
Auffaſſung findet ſich noch in einem Erk. des Appellat.-Gerichts zu
Leipzig vom 3. September 1863. Wochenbl. für merkw. Rechtsfälle von
1864 S. 81 ff.
2) z. B. Harprecht Consil. respons. 93 Nr. 77. Ebenſo noch das
Erk. des Preuß. Obertribunals vom 17. März 1865. Entſcheidungen
Bd. 52 S. 321 ff.
3) Am eingehendſten, unter Widerlegung der anderen Anſichten, Seuffert
Vom Verhältniß des Staats und der Diener des Staates (Würzburg 1793)
S. 16 fg. und v. der Becke Von Staatsämtern und Staatsdienern (Heilbronn
1797) S. 36 ff. Ferner Leiſt Staatsr. §. 100. Jordan Lehrbuch §. 72 II.
(Vgl die bei Grotefend §. 669 Note 2 mitgetheilte Stelle daraus.) Klüber
Oeffentl. Recht §. 492 S. 720. Auch Buddeus in Weiske’s Rechtslexik. I.
S. 744 hält noch an der Annahme eines privatrechtlichen Staatsdienſtvertra-
ges feſt; ebenſo Feuerbach Lehrb. des peinl. R §. 477. Schwankend und
unbeſtimmt Mittermaier in Erſch und Gruber’s Encyclop. Art. „Amt.“
4) Gönner a. a. O. S. 27. „Jede Arbeit für den Staat, welche der
Unterthan leiſtet, iſt Staatsdienſt.“ S. 49 ff. „Die Leiſtung der Staatsdienſte
haftet auf der vereinigten Kraft der Unterthanen.“ „Dienſte ſtehen wie die
Steuern unter den Regeln der Finanzwiſſenſchaft.“ S. 56 ff. und beſ. 83 ff.
„Staatsdienſte ſind eine Staatslaſt; ſie werden von den Einzelnen nach Maß-
gabe ihrer Kräfte, Talente und Kenntniſſe gefordert.“
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[393/0413] ß. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. Die Einſicht aber, daß der Beamte ein Recht auf Belohnung haben müſſe, führte dahin, eine Dienſtmiethe anzunehmen 1). Bald fand man auch dies unpaſſend und unwürdig, weil der Staats- dienſt nicht zu den operae illiberales zu zählen ſei, und ging zum Mandat über 2). Da auch dies als durchaus unzutreffend ſich erwies, nahm man ſeine Zuflucht zu der nichtsſagenden Formel des Innominat-Contracts und man kam ſchließlich dazu, einen eigenthümlichen, beſonders gearteten „Staatsdienſt-Ver- trag“ aufzuſtellen 3). Einen Wendepunkt bildet die geiſtreiche Schrift von Gönner „Der Staatsdienſt aus dem Geſichtspunkte des Rechts und der National-Oekonomie betrachtet“ (1808). Er widerlegt die privat- rechtliche Auffaſſung des Staatsdienſtverhältniſſes in allen ihren Färbungen in energiſcher Weiſe und ſtützt das Dienſtverhältniß auf die Staatsgewalt, auf die Unterthanenpflicht 4). Dieſe Anſicht 2) 1) z. B. Strube Rechtl. Bedenken Th. III. Nr. 144 S. 510. Dieſelbe Auffaſſung findet ſich noch in einem Erk. des Appellat.-Gerichts zu Leipzig vom 3. September 1863. Wochenbl. für merkw. Rechtsfälle von 1864 S. 81 ff. 2) z. B. Harprecht Consil. respons. 93 Nr. 77. Ebenſo noch das Erk. des Preuß. Obertribunals vom 17. März 1865. Entſcheidungen Bd. 52 S. 321 ff. 3) Am eingehendſten, unter Widerlegung der anderen Anſichten, Seuffert Vom Verhältniß des Staats und der Diener des Staates (Würzburg 1793) S. 16 fg. und v. der Becke Von Staatsämtern und Staatsdienern (Heilbronn 1797) S. 36 ff. Ferner Leiſt Staatsr. §. 100. Jordan Lehrbuch §. 72 II. (Vgl die bei Grotefend §. 669 Note 2 mitgetheilte Stelle daraus.) Klüber Oeffentl. Recht §. 492 S. 720. Auch Buddeus in Weiske’s Rechtslexik. I. S. 744 hält noch an der Annahme eines privatrechtlichen Staatsdienſtvertra- ges feſt; ebenſo Feuerbach Lehrb. des peinl. R §. 477. Schwankend und unbeſtimmt Mittermaier in Erſch und Gruber’s Encyclop. Art. „Amt.“ 4) Gönner a. a. O. S. 27. „Jede Arbeit für den Staat, welche der Unterthan leiſtet, iſt Staatsdienſt.“ S. 49 ff. „Die Leiſtung der Staatsdienſte haftet auf der vereinigten Kraft der Unterthanen.“ „Dienſte ſtehen wie die Steuern unter den Regeln der Finanzwiſſenſchaft.“ S. 56 ff. und beſ. 83 ff. „Staatsdienſte ſind eine Staatslaſt; ſie werden von den Einzelnen nach Maß- gabe ihrer Kräfte, Talente und Kenntniſſe gefordert.“ 2) de statu region. Germ. c. III. §. 34 Myler ab Ehrenbach Hypar- cholog. cap. III. §. 32. Böhmer Exercit. ad Pandectas p. 767 fg. und derſelbe in der Dissert. de iure princip. circa dimiss. ministr. Halae 1716 cap. II. §. 16, wo die älteren Vertreter angeführt ſind.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/413>, abgerufen am 18.05.2024.