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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 35. Die selbstständigen Reichs-Finanzbehörden.
kungen über dieselben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O.
"die selbstständige, unbedingte Verantwortlichkeit," wodurch die
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs-
hof geführten Geschäfte ausgeschlossen ist.

Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den
übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenso unabhängige Stel-
lung wie ein oberster Gerichtshof.

Dieselbe ist dadurch gesichert, daß die Mitglieder des Rech-
nungshofes in Beziehung auf die Versetzung in ein anderes Amt,
über die einstweilige und über die zwangsweise Versetzung in den
Ruhestand, über Disciplinarbestrafung und über vorläufige Dienst-
enthebung von den Vorschriften des Reichsbeamten-Gesetzes vom
31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten
gleichgestellt sind 2).

Auch in finanzieller Hinsicht ist der Rechnungshof von den
Verwaltungsbehörden vollständig emancipirt, indem dem Präsiden-
ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundstücke,
Gebäude, Inventarienstücke und Materialien, welche für den Dienst
des Rechnungshofes bestimmt sind, desgleichen die Vertretung des
Fiskus bei den auf diese Vermögensverwaltung bezüglichen Ver-
trägen und Prozessen übertragen ist 3).

Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle-
gial-System. Der Vorsitzende giebt nur bei gleicher Theilung
der Stimmen den Ausschlag. Zwar wird die Revision und Prü-
fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feststellungen auf
die Beamten möglichst gleichmäßig und dauernd vertheilt, und
zwar dergestalt, daß die Geschäftskreise der einzelnen Departe-
mentsräthe nach den verschiedenen Verwaltungszweigen und die-
jenigen der einzelnen Revisionsbeamten nach Bezirken oder nach
Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re-
visionsbeamter in zwei verschiedenen Bureau's beschäftigt und der
Uebergang der Beamten von einem Geschäftskreise zu einem an-
deren möglichst vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele-
heiten ist aber die kollegialische Berathung und Beschlußfassung

1) Reichsbeamten-Gesetz §. 158.
2) Preuß. Gesetz vom 27. März 1872 §. 5.
3) Instrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).
4) Instrukt. §. 3.

§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
kungen über dieſelben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O.
„die ſelbſtſtändige, unbedingte Verantwortlichkeit,“ wodurch die
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs-
hof geführten Geſchäfte ausgeſchloſſen iſt.

Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den
übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenſo unabhängige Stel-
lung wie ein oberſter Gerichtshof.

Dieſelbe iſt dadurch geſichert, daß die Mitglieder des Rech-
nungshofes in Beziehung auf die Verſetzung in ein anderes Amt,
über die einſtweilige und über die zwangsweiſe Verſetzung in den
Ruheſtand, über Disciplinarbeſtrafung und über vorläufige Dienſt-
enthebung von den Vorſchriften des Reichsbeamten-Geſetzes vom
31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten
gleichgeſtellt ſind 2).

Auch in finanzieller Hinſicht iſt der Rechnungshof von den
Verwaltungsbehörden vollſtändig emancipirt, indem dem Präſiden-
ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundſtücke,
Gebäude, Inventarienſtücke und Materialien, welche für den Dienſt
des Rechnungshofes beſtimmt ſind, desgleichen die Vertretung des
Fiskus bei den auf dieſe Vermögensverwaltung bezüglichen Ver-
trägen und Prozeſſen übertragen iſt 3).

Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle-
gial-Syſtem. Der Vorſitzende giebt nur bei gleicher Theilung
der Stimmen den Ausſchlag. Zwar wird die Reviſion und Prü-
fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feſtſtellungen auf
die Beamten möglichſt gleichmäßig und dauernd vertheilt, und
zwar dergeſtalt, daß die Geſchäftskreiſe der einzelnen Departe-
mentsräthe nach den verſchiedenen Verwaltungszweigen und die-
jenigen der einzelnen Reviſionsbeamten nach Bezirken oder nach
Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re-
viſionsbeamter in zwei verſchiedenen Bureau’s beſchäftigt und der
Uebergang der Beamten von einem Geſchäftskreiſe zu einem an-
deren möglichſt vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele-
heiten iſt aber die kollegialiſche Berathung und Beſchlußfaſſung

1) Reichsbeamten-Geſetz §. 158.
2) Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 §. 5.
3) Inſtrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).
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[357/0377] §. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden. kungen über dieſelben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O. „die ſelbſtſtändige, unbedingte Verantwortlichkeit,“ wodurch die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs- hof geführten Geſchäfte ausgeſchloſſen iſt. Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenſo unabhängige Stel- lung wie ein oberſter Gerichtshof. Dieſelbe iſt dadurch geſichert, daß die Mitglieder des Rech- nungshofes in Beziehung auf die Verſetzung in ein anderes Amt, über die einſtweilige und über die zwangsweiſe Verſetzung in den Ruheſtand, über Disciplinarbeſtrafung und über vorläufige Dienſt- enthebung von den Vorſchriften des Reichsbeamten-Geſetzes vom 31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten gleichgeſtellt ſind 2). Auch in finanzieller Hinſicht iſt der Rechnungshof von den Verwaltungsbehörden vollſtändig emancipirt, indem dem Präſiden- ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundſtücke, Gebäude, Inventarienſtücke und Materialien, welche für den Dienſt des Rechnungshofes beſtimmt ſind, desgleichen die Vertretung des Fiskus bei den auf dieſe Vermögensverwaltung bezüglichen Ver- trägen und Prozeſſen übertragen iſt 3). Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle- gial-Syſtem. Der Vorſitzende giebt nur bei gleicher Theilung der Stimmen den Ausſchlag. Zwar wird die Reviſion und Prü- fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feſtſtellungen auf die Beamten möglichſt gleichmäßig und dauernd vertheilt, und zwar dergeſtalt, daß die Geſchäftskreiſe der einzelnen Departe- mentsräthe nach den verſchiedenen Verwaltungszweigen und die- jenigen der einzelnen Reviſionsbeamten nach Bezirken oder nach Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re- viſionsbeamter in zwei verſchiedenen Bureau’s beſchäftigt und der Uebergang der Beamten von einem Geſchäftskreiſe zu einem an- deren möglichſt vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele- heiten iſt aber die kollegialiſche Berathung und Beſchlußfaſſung 1) Reichsbeamten-Geſetz §. 158. 2) Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 §. 5. 3) Inſtrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160). 4) Inſtrukt. §. 3.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/377>, abgerufen am 22.11.2024.