kungen über dieselben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O. "die selbstständige, unbedingte Verantwortlichkeit," wodurch die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs- hof geführten Geschäfte ausgeschlossen ist.
Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenso unabhängige Stel- lung wie ein oberster Gerichtshof.
Dieselbe ist dadurch gesichert, daß die Mitglieder des Rech- nungshofes in Beziehung auf die Versetzung in ein anderes Amt, über die einstweilige und über die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand, über Disciplinarbestrafung und über vorläufige Dienst- enthebung von den Vorschriften des Reichsbeamten-Gesetzes vom 31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten gleichgestellt sind 2).
Auch in finanzieller Hinsicht ist der Rechnungshof von den Verwaltungsbehörden vollständig emancipirt, indem dem Präsiden- ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundstücke, Gebäude, Inventarienstücke und Materialien, welche für den Dienst des Rechnungshofes bestimmt sind, desgleichen die Vertretung des Fiskus bei den auf diese Vermögensverwaltung bezüglichen Ver- trägen und Prozessen übertragen ist 3).
Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle- gial-System. Der Vorsitzende giebt nur bei gleicher Theilung der Stimmen den Ausschlag. Zwar wird die Revision und Prü- fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feststellungen auf die Beamten möglichst gleichmäßig und dauernd vertheilt, und zwar dergestalt, daß die Geschäftskreise der einzelnen Departe- mentsräthe nach den verschiedenen Verwaltungszweigen und die- jenigen der einzelnen Revisionsbeamten nach Bezirken oder nach Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re- visionsbeamter in zwei verschiedenen Bureau's beschäftigt und der Uebergang der Beamten von einem Geschäftskreise zu einem an- deren möglichst vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele- heiten ist aber die kollegialische Berathung und Beschlußfassung
1) Reichsbeamten-Gesetz §. 158.
2) Preuß. Gesetz vom 27. März 1872 §. 5.
3) Instrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).
4) Instrukt. §. 3.
§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
kungen über dieſelben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O. „die ſelbſtſtändige, unbedingte Verantwortlichkeit,“ wodurch die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs- hof geführten Geſchäfte ausgeſchloſſen iſt.
Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenſo unabhängige Stel- lung wie ein oberſter Gerichtshof.
Dieſelbe iſt dadurch geſichert, daß die Mitglieder des Rech- nungshofes in Beziehung auf die Verſetzung in ein anderes Amt, über die einſtweilige und über die zwangsweiſe Verſetzung in den Ruheſtand, über Disciplinarbeſtrafung und über vorläufige Dienſt- enthebung von den Vorſchriften des Reichsbeamten-Geſetzes vom 31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten gleichgeſtellt ſind 2).
Auch in finanzieller Hinſicht iſt der Rechnungshof von den Verwaltungsbehörden vollſtändig emancipirt, indem dem Präſiden- ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundſtücke, Gebäude, Inventarienſtücke und Materialien, welche für den Dienſt des Rechnungshofes beſtimmt ſind, desgleichen die Vertretung des Fiskus bei den auf dieſe Vermögensverwaltung bezüglichen Ver- trägen und Prozeſſen übertragen iſt 3).
Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle- gial-Syſtem. Der Vorſitzende giebt nur bei gleicher Theilung der Stimmen den Ausſchlag. Zwar wird die Reviſion und Prü- fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feſtſtellungen auf die Beamten möglichſt gleichmäßig und dauernd vertheilt, und zwar dergeſtalt, daß die Geſchäftskreiſe der einzelnen Departe- mentsräthe nach den verſchiedenen Verwaltungszweigen und die- jenigen der einzelnen Reviſionsbeamten nach Bezirken oder nach Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re- viſionsbeamter in zwei verſchiedenen Bureau’s beſchäftigt und der Uebergang der Beamten von einem Geſchäftskreiſe zu einem an- deren möglichſt vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele- heiten iſt aber die kollegialiſche Berathung und Beſchlußfaſſung
1) Reichsbeamten-Geſetz §. 158.
2) Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 §. 5.
3) Inſtrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).
4) Inſtrukt. §. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0377"n="357"/><fwplace="top"type="header">§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.</fw><lb/>
kungen über dieſelben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O.<lb/>„die ſelbſtſtändige, unbedingte Verantwortlichkeit,“ wodurch die<lb/>
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs-<lb/>
hof geführten Geſchäfte ausgeſchloſſen iſt.</p><lb/><p>Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den<lb/>
übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenſo unabhängige Stel-<lb/>
lung wie ein oberſter Gerichtshof.</p><lb/><p>Dieſelbe iſt dadurch geſichert, daß die Mitglieder des Rech-<lb/>
nungshofes in Beziehung auf die Verſetzung in ein anderes Amt,<lb/>
über die einſtweilige und über die zwangsweiſe Verſetzung in den<lb/>
Ruheſtand, über Disciplinarbeſtrafung und über vorläufige Dienſt-<lb/>
enthebung von den Vorſchriften des Reichsbeamten-Geſetzes vom<lb/>
31. März 1873 ausgenommen <noteplace="foot"n="1)">Reichsbeamten-Geſetz §. 158.</note> und den richterlichen Beamten<lb/>
gleichgeſtellt ſind <noteplace="foot"n="2)">Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 §. 5.</note>.</p><lb/><p>Auch in finanzieller Hinſicht iſt der Rechnungshof von den<lb/>
Verwaltungsbehörden vollſtändig emancipirt, indem dem Präſiden-<lb/>
ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundſtücke,<lb/>
Gebäude, Inventarienſtücke und Materialien, welche für den Dienſt<lb/>
des Rechnungshofes beſtimmt ſind, desgleichen die Vertretung des<lb/>
Fiskus bei den auf dieſe Vermögensverwaltung bezüglichen Ver-<lb/>
trägen und Prozeſſen übertragen iſt <noteplace="foot"n="3)">Inſtrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).</note>.</p><lb/><p>Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle-<lb/>
gial-Syſtem. Der Vorſitzende giebt nur bei gleicher Theilung<lb/>
der Stimmen den Ausſchlag. Zwar wird die Reviſion und Prü-<lb/>
fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feſtſtellungen auf<lb/>
die Beamten möglichſt gleichmäßig und dauernd vertheilt, und<lb/>
zwar dergeſtalt, daß die Geſchäftskreiſe der einzelnen Departe-<lb/>
mentsräthe nach den verſchiedenen Verwaltungszweigen und die-<lb/>
jenigen der einzelnen Reviſionsbeamten nach Bezirken oder nach<lb/>
Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re-<lb/>
viſionsbeamter in zwei verſchiedenen Bureau’s beſchäftigt und der<lb/>
Uebergang der Beamten von einem Geſchäftskreiſe zu einem an-<lb/>
deren möglichſt vermieden wird <noteplace="foot"n="4)">Inſtrukt. §. 3.</note>. Für alle wichtigeren Angele-<lb/>
heiten iſt aber die kollegialiſche Berathung und Beſchlußfaſſung<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[357/0377]
§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
kungen über dieſelben trägt der Rechnungshof nach §. 18 a. a. O.
„die ſelbſtſtändige, unbedingte Verantwortlichkeit,“ wodurch die
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers für die vom dem Rechnungs-
hof geführten Geſchäfte ausgeſchloſſen iſt.
Der Rechnungshof hat demnach dem Reichskanzler und den
übrigen Reichsbehörden gegenüber eine ebenſo unabhängige Stel-
lung wie ein oberſter Gerichtshof.
Dieſelbe iſt dadurch geſichert, daß die Mitglieder des Rech-
nungshofes in Beziehung auf die Verſetzung in ein anderes Amt,
über die einſtweilige und über die zwangsweiſe Verſetzung in den
Ruheſtand, über Disciplinarbeſtrafung und über vorläufige Dienſt-
enthebung von den Vorſchriften des Reichsbeamten-Geſetzes vom
31. März 1873 ausgenommen 1) und den richterlichen Beamten
gleichgeſtellt ſind 2).
Auch in finanzieller Hinſicht iſt der Rechnungshof von den
Verwaltungsbehörden vollſtändig emancipirt, indem dem Präſiden-
ten des Rechnungshofes die Verwaltung der Gelder, Grundſtücke,
Gebäude, Inventarienſtücke und Materialien, welche für den Dienſt
des Rechnungshofes beſtimmt ſind, desgleichen die Vertretung des
Fiskus bei den auf dieſe Vermögensverwaltung bezüglichen Ver-
trägen und Prozeſſen übertragen iſt 3).
Für die Amtsthätigkeit des Rechnungshofes gilt das Colle-
gial-Syſtem. Der Vorſitzende giebt nur bei gleicher Theilung
der Stimmen den Ausſchlag. Zwar wird die Reviſion und Prü-
fung der einzelnen Rechnungen durch allgemeine Feſtſtellungen auf
die Beamten möglichſt gleichmäßig und dauernd vertheilt, und
zwar dergeſtalt, daß die Geſchäftskreiſe der einzelnen Departe-
mentsräthe nach den verſchiedenen Verwaltungszweigen und die-
jenigen der einzelnen Reviſionsbeamten nach Bezirken oder nach
Materien abgegrenzt werden, und daß der Regel nach kein Re-
viſionsbeamter in zwei verſchiedenen Bureau’s beſchäftigt und der
Uebergang der Beamten von einem Geſchäftskreiſe zu einem an-
deren möglichſt vermieden wird 4). Für alle wichtigeren Angele-
heiten iſt aber die kollegialiſche Berathung und Beſchlußfaſſung
1) Reichsbeamten-Geſetz §. 158.
2) Preuß. Geſetz vom 27. März 1872 §. 5.
3) Inſtrukt. vom 5. März 1875 §. 18 (Centralbl. S. 160).
4) Inſtrukt. §. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/377>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.