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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden.
beruhen z. B. das Oberhandelsgericht, das Bundesamt für das
Heimathwesen, die entscheidenden Disciplinarbehörden, die Ver-
waltung des Invalidenfonds u. s. w.; auf einer mittelbaren gesetz-
lichen Grundlage die Reichs-Zoll-Kontrolbehörden, die Post- und
Telegraphen-Behörden, die Bankstellen, die Gesandtschaften, Kon-
sulate u. s. w.

Ist nun in einem Gesetze die Errichtung einer oder mehrerer
bestimmter Behörden angeordnet, so daß unmittelbar durch Ver-
fügung
die Bildung derselben erfolgen kann, so gehört es zu
der Machtvollkommenheit des Kaisers 1), die Behörden in das
Leben zu rufen, da es sich in diesem Falle lediglich um die Aus-
führung eines Verwaltungsgeschäftes handelt. Wenn dagegen nur
mittelbar durch Reichsgesetze die Bildung von Behörden ange-
ordnet ist, insofern die letzteren zur Ausführung der Reichsgesetze
erforderlich sind, so tritt die Regel in Art 7 Ziff. 2 der R.-V.
ein, daß der Bundesrath beschließt, "über die zur Ausführung
der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften
und Einrichtungen". Die Errichtung von Behörden gehört
zu den zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Einrichtun-
gen. Die Verfügung des Kaisers, welche eine solche Behörde in
das Leben ruft, setzt daher außer der mittelbaren Grundlage,
welche das Gesetz gibt, die unmittelbare Grundlage eines Bundes-
raths-Beschlusses (Ausführungs-Verordnung) voraus 2).

Da die Regel des Art 7 Ziff. 2 aber nur eintritt, "sofern
nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist", so ergiebt sich,
daß die Befugniß des Bundesrathes ausgeschlossen sein und daß
dem Kaiser das Recht, Reichsämter -- innerhalb der durch das
Finanzrecht gezogenen Schranken -- zu errichten, zwar zustehen
kann, daß dies aber eine besondere gesetzliche Bestimmung
erfordert. Eine solche ist z. B. enthalten im Art 53 der R.-V.
hinsichtlich der Marine, ferner in Art. 48 Abs. 2 verbunden mit

1) Vorausgesetzt, daß die erforderlichen Geldmittel durch den Etat oder
ein besonderes sogen. "Kredit-Gesetz" bewilligt sind.
2) So kann z. B. der Kaiser außer den gesetzlich angeordneten Discipli-
narkammern, auch noch andere "im Einvernehmen mit dem Bundesrath" er-
richten. Ges. vom 31. März 1873 §. 87. Ferner bestimmt der Bundesrath
die Plätze, an denen Reichsbank-Hauptstellen zu errichten sind. Bankges. vom
14. März 1875 §. 36 u. s. w.

§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
beruhen z. B. das Oberhandelsgericht, das Bundesamt für das
Heimathweſen, die entſcheidenden Disciplinarbehörden, die Ver-
waltung des Invalidenfonds u. ſ. w.; auf einer mittelbaren geſetz-
lichen Grundlage die Reichs-Zoll-Kontrolbehörden, die Poſt- und
Telegraphen-Behörden, die Bankſtellen, die Geſandtſchaften, Kon-
ſulate u. ſ. w.

Iſt nun in einem Geſetze die Errichtung einer oder mehrerer
beſtimmter Behörden angeordnet, ſo daß unmittelbar durch Ver-
fügung
die Bildung derſelben erfolgen kann, ſo gehört es zu
der Machtvollkommenheit des Kaiſers 1), die Behörden in das
Leben zu rufen, da es ſich in dieſem Falle lediglich um die Aus-
führung eines Verwaltungsgeſchäftes handelt. Wenn dagegen nur
mittelbar durch Reichsgeſetze die Bildung von Behörden ange-
ordnet iſt, inſofern die letzteren zur Ausführung der Reichsgeſetze
erforderlich ſind, ſo tritt die Regel in Art 7 Ziff. 2 der R.-V.
ein, daß der Bundesrath beſchließt, „über die zur Ausführung
der Reichsgeſetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorſchriften
und Einrichtungen“. Die Errichtung von Behörden gehört
zu den zur Ausführung der Reichsgeſetze erforderlichen Einrichtun-
gen. Die Verfügung des Kaiſers, welche eine ſolche Behörde in
das Leben ruft, ſetzt daher außer der mittelbaren Grundlage,
welche das Geſetz gibt, die unmittelbare Grundlage eines Bundes-
raths-Beſchluſſes (Ausführungs-Verordnung) voraus 2).

Da die Regel des Art 7 Ziff. 2 aber nur eintritt, „ſofern
nicht durch Reichsgeſetz etwas Anderes beſtimmt iſt“, ſo ergiebt ſich,
daß die Befugniß des Bundesrathes ausgeſchloſſen ſein und daß
dem Kaiſer das Recht, Reichsämter — innerhalb der durch das
Finanzrecht gezogenen Schranken — zu errichten, zwar zuſtehen
kann, daß dies aber eine beſondere geſetzliche Beſtimmung
erfordert. Eine ſolche iſt z. B. enthalten im Art 53 der R.-V.
hinſichtlich der Marine, ferner in Art. 48 Abſ. 2 verbunden mit

1) Vorausgeſetzt, daß die erforderlichen Geldmittel durch den Etat oder
ein beſonderes ſogen. „Kredit-Geſetz“ bewilligt ſind.
2) So kann z. B. der Kaiſer außer den geſetzlich angeordneten Discipli-
narkammern, auch noch andere „im Einvernehmen mit dem Bundesrath“ er-
richten. Geſ. vom 31. März 1873 §. 87. Ferner beſtimmt der Bundesrath
die Plätze, an denen Reichsbank-Hauptſtellen zu errichten ſind. Bankgeſ. vom
14. März 1875 §. 36 u. ſ. w.
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[303/0323] §. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. beruhen z. B. das Oberhandelsgericht, das Bundesamt für das Heimathweſen, die entſcheidenden Disciplinarbehörden, die Ver- waltung des Invalidenfonds u. ſ. w.; auf einer mittelbaren geſetz- lichen Grundlage die Reichs-Zoll-Kontrolbehörden, die Poſt- und Telegraphen-Behörden, die Bankſtellen, die Geſandtſchaften, Kon- ſulate u. ſ. w. Iſt nun in einem Geſetze die Errichtung einer oder mehrerer beſtimmter Behörden angeordnet, ſo daß unmittelbar durch Ver- fügung die Bildung derſelben erfolgen kann, ſo gehört es zu der Machtvollkommenheit des Kaiſers 1), die Behörden in das Leben zu rufen, da es ſich in dieſem Falle lediglich um die Aus- führung eines Verwaltungsgeſchäftes handelt. Wenn dagegen nur mittelbar durch Reichsgeſetze die Bildung von Behörden ange- ordnet iſt, inſofern die letzteren zur Ausführung der Reichsgeſetze erforderlich ſind, ſo tritt die Regel in Art 7 Ziff. 2 der R.-V. ein, daß der Bundesrath beſchließt, „über die zur Ausführung der Reichsgeſetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorſchriften und Einrichtungen“. Die Errichtung von Behörden gehört zu den zur Ausführung der Reichsgeſetze erforderlichen Einrichtun- gen. Die Verfügung des Kaiſers, welche eine ſolche Behörde in das Leben ruft, ſetzt daher außer der mittelbaren Grundlage, welche das Geſetz gibt, die unmittelbare Grundlage eines Bundes- raths-Beſchluſſes (Ausführungs-Verordnung) voraus 2). Da die Regel des Art 7 Ziff. 2 aber nur eintritt, „ſofern nicht durch Reichsgeſetz etwas Anderes beſtimmt iſt“, ſo ergiebt ſich, daß die Befugniß des Bundesrathes ausgeſchloſſen ſein und daß dem Kaiſer das Recht, Reichsämter — innerhalb der durch das Finanzrecht gezogenen Schranken — zu errichten, zwar zuſtehen kann, daß dies aber eine beſondere geſetzliche Beſtimmung erfordert. Eine ſolche iſt z. B. enthalten im Art 53 der R.-V. hinſichtlich der Marine, ferner in Art. 48 Abſ. 2 verbunden mit 1) Vorausgeſetzt, daß die erforderlichen Geldmittel durch den Etat oder ein beſonderes ſogen. „Kredit-Geſetz“ bewilligt ſind. 2) So kann z. B. der Kaiſer außer den geſetzlich angeordneten Discipli- narkammern, auch noch andere „im Einvernehmen mit dem Bundesrath“ er- richten. Geſ. vom 31. März 1873 §. 87. Ferner beſtimmt der Bundesrath die Plätze, an denen Reichsbank-Hauptſtellen zu errichten ſind. Bankgeſ. vom 14. März 1875 §. 36 u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/323>, abgerufen am 24.11.2024.