ist daher nicht einfach auf den Kaiser zurückzuführen wie die Er- theilung des Amtsauftrages; sondern auf das ideelle Subjekt der Reichsgewalt. Die Amtsgewalt der Reichsbehörden ist nicht kaiser- liche Gewalt, sondern Reichsgewalt. Während in den monarchischen Staaten landesherrliche Gewalt und Staatsgewalt dasselbe ist, ist der Kaiser Mitglied und Organ des Reiches, aber nicht Souverän desselben.
Im Einklange mit dieser theoretischen Unterscheidung steht der Rechtssatz, daß alle Verordnungen des Bundesrathes, welche derselbe innerhalb seiner Zuständigkeit beschließt, von den Reichsbehörden befolgt und ausgeführt werden müssen, ohne daß der Kaiser die Befolgung derselben zu genehmigen braucht oder auch nur zur Ertheilung dieser Genehmigung ermächtigt wäre. Dies gilt auch in dem Falle, daß der Bundesrath seinen Beschluß gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Kaisers gefaßt hat. Im monarchischen Einheitsstaat kann es keine für die Behörden maßgebenden Vorschriften geben, welche nicht wenigstens formell und in letzter Quelle auf dem Willen und der Sanction des Landesherrn beruhen; im Reiche werden solche Vorschriften fort- während von einem Organe, welches dem Kaiser gegenüber völlig unabhängig ist und seine Beschlüsse im Widerspruch mit dem Willen des Kaisers fassen kann, aufgestellt und sind für den Wir- kungskreis und die Machtbefugnisse der Behörden mitbestimmend. Daher sind die Reichsbehörden nicht schlechthin kaiserliche Behörden.
IV. Das im Art 18 der R.-V. dem Kaiser zuertheilte Recht, die Reichsbeamten zu ernennen und erforderlichen Falles zu ent- lassen, schließt keineswegs eine Befugniß des Kaisers ein, Reichs- ämter zu errichten oder aufzuheben. Die Frage, wer befugt ist, eine Aenderung des Aemter-Organismus anzuordnen, ist nicht mit einem einzigen Satze zu beantworten, sondern erfordert folgende Unterscheidungen.
Zunächst ist es zweifellos, daß das Finanzrecht von Einfluß auf die Befugniß zur Schaffung neuer Aemter ist. Schon bei der Berathung des Bundeshaushalts-Gesetzes für 1868 faßte der Reichs- tag die Resolution, daß die Errichtung neuer Behörden oder Be- amtenstellen, sowie die Erhöhung von Beamtengehalten nicht ohne vorgängige Bewilligung des Reichstages durch den Staatshaushalts-
§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
iſt daher nicht einfach auf den Kaiſer zurückzuführen wie die Er- theilung des Amtsauftrages; ſondern auf das ideelle Subjekt der Reichsgewalt. Die Amtsgewalt der Reichsbehörden iſt nicht kaiſer- liche Gewalt, ſondern Reichsgewalt. Während in den monarchiſchen Staaten landesherrliche Gewalt und Staatsgewalt daſſelbe iſt, iſt der Kaiſer Mitglied und Organ des Reiches, aber nicht Souverän deſſelben.
Im Einklange mit dieſer theoretiſchen Unterſcheidung ſteht der Rechtsſatz, daß alle Verordnungen des Bundesrathes, welche derſelbe innerhalb ſeiner Zuſtändigkeit beſchließt, von den Reichsbehörden befolgt und ausgeführt werden müſſen, ohne daß der Kaiſer die Befolgung derſelben zu genehmigen braucht oder auch nur zur Ertheilung dieſer Genehmigung ermächtigt wäre. Dies gilt auch in dem Falle, daß der Bundesrath ſeinen Beſchluß gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Kaiſers gefaßt hat. Im monarchiſchen Einheitsſtaat kann es keine für die Behörden maßgebenden Vorſchriften geben, welche nicht wenigſtens formell und in letzter Quelle auf dem Willen und der Sanction des Landesherrn beruhen; im Reiche werden ſolche Vorſchriften fort- während von einem Organe, welches dem Kaiſer gegenüber völlig unabhängig iſt und ſeine Beſchlüſſe im Widerſpruch mit dem Willen des Kaiſers faſſen kann, aufgeſtellt und ſind für den Wir- kungskreis und die Machtbefugniſſe der Behörden mitbeſtimmend. Daher ſind die Reichsbehörden nicht ſchlechthin kaiſerliche Behörden.
IV. Das im Art 18 der R.-V. dem Kaiſer zuertheilte Recht, die Reichsbeamten zu ernennen und erforderlichen Falles zu ent- laſſen, ſchließt keineswegs eine Befugniß des Kaiſers ein, Reichs- ämter zu errichten oder aufzuheben. Die Frage, wer befugt iſt, eine Aenderung des Aemter-Organismus anzuordnen, iſt nicht mit einem einzigen Satze zu beantworten, ſondern erfordert folgende Unterſcheidungen.
Zunächſt iſt es zweifellos, daß das Finanzrecht von Einfluß auf die Befugniß zur Schaffung neuer Aemter iſt. Schon bei der Berathung des Bundeshaushalts-Geſetzes für 1868 faßte der Reichs- tag die Reſolution, daß die Errichtung neuer Behörden oder Be- amtenſtellen, ſowie die Erhöhung von Beamtengehalten nicht ohne vorgängige Bewilligung des Reichstages durch den Staatshaushalts-
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§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
iſt daher nicht einfach auf den Kaiſer zurückzuführen wie die Er-
theilung des Amtsauftrages; ſondern auf das ideelle Subjekt der
Reichsgewalt. Die Amtsgewalt der Reichsbehörden iſt nicht kaiſer-
liche Gewalt, ſondern Reichsgewalt. Während in den monarchiſchen
Staaten landesherrliche Gewalt und Staatsgewalt daſſelbe iſt, iſt
der Kaiſer Mitglied und Organ des Reiches, aber nicht Souverän
deſſelben.
Im Einklange mit dieſer theoretiſchen Unterſcheidung ſteht
der Rechtsſatz, daß alle Verordnungen des Bundesrathes,
welche derſelbe innerhalb ſeiner Zuſtändigkeit beſchließt, von den
Reichsbehörden befolgt und ausgeführt werden müſſen, ohne daß
der Kaiſer die Befolgung derſelben zu genehmigen braucht oder
auch nur zur Ertheilung dieſer Genehmigung ermächtigt wäre.
Dies gilt auch in dem Falle, daß der Bundesrath ſeinen Beſchluß
gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Kaiſers gefaßt hat.
Im monarchiſchen Einheitsſtaat kann es keine für die Behörden
maßgebenden Vorſchriften geben, welche nicht wenigſtens formell
und in letzter Quelle auf dem Willen und der Sanction des
Landesherrn beruhen; im Reiche werden ſolche Vorſchriften fort-
während von einem Organe, welches dem Kaiſer gegenüber völlig
unabhängig iſt und ſeine Beſchlüſſe im Widerſpruch mit dem
Willen des Kaiſers faſſen kann, aufgeſtellt und ſind für den Wir-
kungskreis und die Machtbefugniſſe der Behörden mitbeſtimmend.
Daher ſind die Reichsbehörden nicht ſchlechthin kaiſerliche Behörden.
IV. Das im Art 18 der R.-V. dem Kaiſer zuertheilte Recht,
die Reichsbeamten zu ernennen und erforderlichen Falles zu ent-
laſſen, ſchließt keineswegs eine Befugniß des Kaiſers ein, Reichs-
ämter zu errichten oder aufzuheben. Die Frage, wer befugt iſt,
eine Aenderung des Aemter-Organismus anzuordnen, iſt nicht mit
einem einzigen Satze zu beantworten, ſondern erfordert folgende
Unterſcheidungen.
Zunächſt iſt es zweifellos, daß das Finanzrecht von Einfluß
auf die Befugniß zur Schaffung neuer Aemter iſt. Schon bei der
Berathung des Bundeshaushalts-Geſetzes für 1868 faßte der Reichs-
tag die Reſolution, daß die Errichtung neuer Behörden oder Be-
amtenſtellen, ſowie die Erhöhung von Beamtengehalten nicht ohne
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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