daß vielmehr nur durch ein Zusammenwirken beider Factoren das Ziel erreicht werden könne. Für die zu wählende Versammlung schlug Preußen das allgemeine Stimmrecht und directe Wahlen vor und demgemäß ging der Antrag dahin:
Hohe Bundesversammlung wolle beschließen: "eine aus directen Wahlen und allgemeinem Stimm- "recht der ganzen Nation hervorgehende Versammlung für "einen noch näher zu bestimmenden Tag einzuberufen, um "die Vorlagen der deutschen Regierungen über eine Reform "der Bundesverfassung entgegenzunehmen und zu berathen; "in der Zwischenzeit aber, bis zum Zusammentritt derselben, "durch Verständigung der Regierungen unter einander diese "Vorlage festzustellen."
Die Bundes-Versammlung verwies den Antrag an eine Com- mission von 9 Mitgliedern, die am 26. April gewählt wurde; schon am 27. April erließ Fürst Bismarck eine neue Circular-Depesche an die Preuß. Vertreter bei den deutschen Regierungen 1), in welcher er nochmals betonte, daß die Bestimmung des Termins der Parla- ments-Eröffnung vor Beginn der Regierungsverhandlungen über die Reformvorlagen der Kern des Antrages vom 9. April sei. "Mit der Ablehnung dieser Frage wäre die ernstliche Behand- lung der Bundesreform überhaupt thatsächlich abgelehnt."
Als die Bundesreform-Commission ihre Berathungen am 11. Mai 1866 begann, skizzirte der Preußische Gesandte die Reform- Pläne seiner Regierung näher, indem er 8 Punkte formulirte 2). Sie betrafen die Einführung einer periodisch einzuberufenden National- vertretung in den Bundesorganismus mit der Wirkung, daß die bisher erforderliche Stimmeneinheit der Bundesglieder durch Beschluß- fassung der Nationalvertretung auf speciell bezeichneten Gebieten der künftigen Bundesgesetzgebung ersetzt werden solle (Nro. a); ferner die Feststellung der Kompetenz (Nro. b--e); endlich Organi- sation des Konsulatwesens, Gründung einer deutschen Kriegsmarine und Revision der Bundeskriegsverfassung (Nro. f--h). Diese Preußischen Vorschläge sind darum von höchster Bedeutung, weil sie die Grundlinien der späteren Verfassung enthalten und gewisser-
1) bei Hahn S. 67.
2)Hahn S. 69.
§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
daß vielmehr nur durch ein Zuſammenwirken beider Factoren das Ziel erreicht werden könne. Für die zu wählende Verſammlung ſchlug Preußen das allgemeine Stimmrecht und directe Wahlen vor und demgemäß ging der Antrag dahin:
Hohe Bundesverſammlung wolle beſchließen: „eine aus directen Wahlen und allgemeinem Stimm- „recht der ganzen Nation hervorgehende Verſammlung für „einen noch näher zu beſtimmenden Tag einzuberufen, um „die Vorlagen der deutſchen Regierungen über eine Reform „der Bundesverfaſſung entgegenzunehmen und zu berathen; „in der Zwiſchenzeit aber, bis zum Zuſammentritt derſelben, „durch Verſtändigung der Regierungen unter einander dieſe „Vorlage feſtzuſtellen.“
Die Bundes-Verſammlung verwies den Antrag an eine Com- miſſion von 9 Mitgliedern, die am 26. April gewählt wurde; ſchon am 27. April erließ Fürſt Bismarck eine neue Circular-Depeſche an die Preuß. Vertreter bei den deutſchen Regierungen 1), in welcher er nochmals betonte, daß die Beſtimmung des Termins der Parla- ments-Eröffnung vor Beginn der Regierungsverhandlungen über die Reformvorlagen der Kern des Antrages vom 9. April ſei. „Mit der Ablehnung dieſer Frage wäre die ernſtliche Behand- lung der Bundesreform überhaupt thatſächlich abgelehnt.“
Als die Bundesreform-Commiſſion ihre Berathungen am 11. Mai 1866 begann, ſkizzirte der Preußiſche Geſandte die Reform- Pläne ſeiner Regierung näher, indem er 8 Punkte formulirte 2). Sie betrafen die Einführung einer periodiſch einzuberufenden National- vertretung in den Bundesorganismus mit der Wirkung, daß die bisher erforderliche Stimmeneinheit der Bundesglieder durch Beſchluß- faſſung der Nationalvertretung auf ſpeciell bezeichneten Gebieten der künftigen Bundesgeſetzgebung erſetzt werden ſolle (Nro. a); ferner die Feſtſtellung der Kompetenz (Nro. b—e); endlich Organi- ſation des Konſulatweſens, Gründung einer deutſchen Kriegsmarine und Reviſion der Bundeskriegsverfaſſung (Nro. f—h). Dieſe Preußiſchen Vorſchläge ſind darum von höchſter Bedeutung, weil ſie die Grundlinien der ſpäteren Verfaſſung enthalten und gewiſſer-
1) bei Hahn S. 67.
2)Hahn S. 69.
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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
daß vielmehr nur durch ein Zuſammenwirken beider Factoren das
Ziel erreicht werden könne. Für die zu wählende Verſammlung
ſchlug Preußen das allgemeine Stimmrecht und directe Wahlen
vor und demgemäß ging der Antrag dahin:
Hohe Bundesverſammlung wolle beſchließen:
„eine aus directen Wahlen und allgemeinem Stimm-
„recht der ganzen Nation hervorgehende Verſammlung für
„einen noch näher zu beſtimmenden Tag einzuberufen, um
„die Vorlagen der deutſchen Regierungen über eine Reform
„der Bundesverfaſſung entgegenzunehmen und zu berathen;
„in der Zwiſchenzeit aber, bis zum Zuſammentritt derſelben,
„durch Verſtändigung der Regierungen unter einander dieſe
„Vorlage feſtzuſtellen.“
Die Bundes-Verſammlung verwies den Antrag an eine Com-
miſſion von 9 Mitgliedern, die am 26. April gewählt wurde; ſchon
am 27. April erließ Fürſt Bismarck eine neue Circular-Depeſche
an die Preuß. Vertreter bei den deutſchen Regierungen 1), in welcher
er nochmals betonte, daß die Beſtimmung des Termins der Parla-
ments-Eröffnung vor Beginn der Regierungsverhandlungen über
die Reformvorlagen der Kern des Antrages vom 9. April ſei.
„Mit der Ablehnung dieſer Frage wäre die ernſtliche Behand-
lung der Bundesreform überhaupt thatſächlich abgelehnt.“
Als die Bundesreform-Commiſſion ihre Berathungen am
11. Mai 1866 begann, ſkizzirte der Preußiſche Geſandte die Reform-
Pläne ſeiner Regierung näher, indem er 8 Punkte formulirte 2).
Sie betrafen die Einführung einer periodiſch einzuberufenden National-
vertretung in den Bundesorganismus mit der Wirkung, daß die
bisher erforderliche Stimmeneinheit der Bundesglieder durch Beſchluß-
faſſung der Nationalvertretung auf ſpeciell bezeichneten Gebieten
der künftigen Bundesgeſetzgebung erſetzt werden ſolle (Nro. a);
ferner die Feſtſtellung der Kompetenz (Nro. b—e); endlich Organi-
ſation des Konſulatweſens, Gründung einer deutſchen Kriegsmarine
und Reviſion der Bundeskriegsverfaſſung (Nro. f—h). Dieſe
Preußiſchen Vorſchläge ſind darum von höchſter Bedeutung, weil
ſie die Grundlinien der ſpäteren Verfaſſung enthalten und gewiſſer-
1) bei Hahn S. 67.
2) Hahn S. 69.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/32>, abgerufen am 22.11.2024.
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