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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 32. Begriff und System der Reichsbehörden.
über die Selbstverwaltung der Einzelstaaten eine eigene Verwaltung
nur zu hinsichtlich der Post- und Telegraphie, und auf Grund der
Art. 11 und 56 die Möglichkeit, eine eigene Verwaltung der aus-
wärtigen Angelegenheiten und des Konsulatswesens einzurichten.
Mit der Ausübung der dem Reiche zustehenden Gesetzgebungsbe-
fugniß, mit der Ausdehnung der Reichsfinanzwirthschaft, mit dem
Erwerb von Elsaß-Lothringen, mit der Herstellung einheitlicher
Einrichtungen haben sich auch zahlreiche laufende Geschäfte, die
das Reich unmittelbar besorgen muß, herausgebildet und in Folge
davon hat sich der Behörden-Organismus des Reiches mehr und
mehr verzweigt. Zu einem prinzipiellen Abschluß ist diese Ent-
wicklung noch nicht gelangt; sie trägt, wie alles Historisch-Entstan-
dene den Charakter des Zufälligen, des Willkührlichen und Ver-
änderlichen.

II. Ein Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht be-
gränzter Kreis von staatlichen Geschäften 1). Ein Staatsamt ist
niemals ein Rechtssubject und hat niemals Befugnisse irgend
welcher Art; es ist vielmehr stets eine objective Institution, ein
Inbegriff von Geschäften. Da aber staatliche Geschäfte
nur durchgeführt werden können durch Ausübung der dem Staate
zustehenden Hoheitsrechte 2), so enthält der Auftrag zur Führung
staatlicher Geschäfte zugleich immer auch eine Delegation derjenigen
Hoheitsrechte des Staates, welche zur Führung der Geschäfte er-
forderlich sind. Wer daher ein obrigkeitliches Staatsamt führt,

1) Vgl. Pözl in Bluntschli und Brater's Staatswörterb. I. S. 204 ff.
Artikel "Amt." v. Seybold Das Institut der Aemter. München 1854
und dazu Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern 1854 S. 760 fg.
2) Unter Staatsamt versteht man zwar oft auch einen Kreis von Ge-
schäften rein wirthschaftlichen Inhalts, z. B. behufs der Verwaltung
von Forsten, Domänen, Bergwerken, Fabriken, Eisenbahnen u. s. w., welche
dem Fiskus gehören. Der staatliche Charakter kömmt bei diesen Aemtern
nur dann in Betracht, wenn sie zugleich die Handhabung der Polizei, der
öffentlichen Wohlfahrtspflege mit einschließen. Sonst sind diese Aemter streng
genommen nicht staatliche, sondern fiskalische und rücksichtlich des Wir-
kungskreises nicht unterschieden von der Verwaltung von Forsten, Bergwerken,
Eisenbahnen u. s. w., welche Privatpersonen gehören. Man nennt ja auch
allgemein Personen, welche zur Führung von wirthschaftlichen Geschäften von
Privatleuten dauernd angestellt sind, Beamte. Vgl. Bluntschli Allgemeines
Staatsr. II. S. 121 (4. Aufl.)

§. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden.
über die Selbſtverwaltung der Einzelſtaaten eine eigene Verwaltung
nur zu hinſichtlich der Poſt- und Telegraphie, und auf Grund der
Art. 11 und 56 die Möglichkeit, eine eigene Verwaltung der aus-
wärtigen Angelegenheiten und des Konſulatsweſens einzurichten.
Mit der Ausübung der dem Reiche zuſtehenden Geſetzgebungsbe-
fugniß, mit der Ausdehnung der Reichsfinanzwirthſchaft, mit dem
Erwerb von Elſaß-Lothringen, mit der Herſtellung einheitlicher
Einrichtungen haben ſich auch zahlreiche laufende Geſchäfte, die
das Reich unmittelbar beſorgen muß, herausgebildet und in Folge
davon hat ſich der Behörden-Organismus des Reiches mehr und
mehr verzweigt. Zu einem prinzipiellen Abſchluß iſt dieſe Ent-
wicklung noch nicht gelangt; ſie trägt, wie alles Hiſtoriſch-Entſtan-
dene den Charakter des Zufälligen, des Willkührlichen und Ver-
änderlichen.

II. Ein Staatsamt iſt ein durch das öffentliche Recht be-
gränzter Kreis von ſtaatlichen Geſchäften 1). Ein Staatsamt iſt
niemals ein Rechtsſubject und hat niemals Befugniſſe irgend
welcher Art; es iſt vielmehr ſtets eine objective Inſtitution, ein
Inbegriff von Geſchäften. Da aber ſtaatliche Geſchäfte
nur durchgeführt werden können durch Ausübung der dem Staate
zuſtehenden Hoheitsrechte 2), ſo enthält der Auftrag zur Führung
ſtaatlicher Geſchäfte zugleich immer auch eine Delegation derjenigen
Hoheitsrechte des Staates, welche zur Führung der Geſchäfte er-
forderlich ſind. Wer daher ein obrigkeitliches Staatsamt führt,

1) Vgl. Pözl in Bluntſchli und Brater’s Staatswörterb. I. S. 204 ff.
Artikel „Amt.“ v. Seybold Das Inſtitut der Aemter. München 1854
und dazu Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern 1854 S. 760 fg.
2) Unter Staatsamt verſteht man zwar oft auch einen Kreis von Ge-
ſchäften rein wirthſchaftlichen Inhalts, z. B. behufs der Verwaltung
von Forſten, Domänen, Bergwerken, Fabriken, Eiſenbahnen u. ſ. w., welche
dem Fiskus gehören. Der ſtaatliche Charakter kömmt bei dieſen Aemtern
nur dann in Betracht, wenn ſie zugleich die Handhabung der Polizei, der
öffentlichen Wohlfahrtspflege mit einſchließen. Sonſt ſind dieſe Aemter ſtreng
genommen nicht ſtaatliche, ſondern fiskaliſche und rückſichtlich des Wir-
kungskreiſes nicht unterſchieden von der Verwaltung von Forſten, Bergwerken,
Eiſenbahnen u. ſ. w., welche Privatperſonen gehören. Man nennt ja auch
allgemein Perſonen, welche zur Führung von wirthſchaftlichen Geſchäften von
Privatleuten dauernd angeſtellt ſind, Beamte. Vgl. Bluntſchli Allgemeines
Staatsr. II. S. 121 (4. Aufl.)
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[293/0313] §. 32. Begriff und Syſtem der Reichsbehörden. über die Selbſtverwaltung der Einzelſtaaten eine eigene Verwaltung nur zu hinſichtlich der Poſt- und Telegraphie, und auf Grund der Art. 11 und 56 die Möglichkeit, eine eigene Verwaltung der aus- wärtigen Angelegenheiten und des Konſulatsweſens einzurichten. Mit der Ausübung der dem Reiche zuſtehenden Geſetzgebungsbe- fugniß, mit der Ausdehnung der Reichsfinanzwirthſchaft, mit dem Erwerb von Elſaß-Lothringen, mit der Herſtellung einheitlicher Einrichtungen haben ſich auch zahlreiche laufende Geſchäfte, die das Reich unmittelbar beſorgen muß, herausgebildet und in Folge davon hat ſich der Behörden-Organismus des Reiches mehr und mehr verzweigt. Zu einem prinzipiellen Abſchluß iſt dieſe Ent- wicklung noch nicht gelangt; ſie trägt, wie alles Hiſtoriſch-Entſtan- dene den Charakter des Zufälligen, des Willkührlichen und Ver- änderlichen. II. Ein Staatsamt iſt ein durch das öffentliche Recht be- gränzter Kreis von ſtaatlichen Geſchäften 1). Ein Staatsamt iſt niemals ein Rechtsſubject und hat niemals Befugniſſe irgend welcher Art; es iſt vielmehr ſtets eine objective Inſtitution, ein Inbegriff von Geſchäften. Da aber ſtaatliche Geſchäfte nur durchgeführt werden können durch Ausübung der dem Staate zuſtehenden Hoheitsrechte 2), ſo enthält der Auftrag zur Führung ſtaatlicher Geſchäfte zugleich immer auch eine Delegation derjenigen Hoheitsrechte des Staates, welche zur Führung der Geſchäfte er- forderlich ſind. Wer daher ein obrigkeitliches Staatsamt führt, 1) Vgl. Pözl in Bluntſchli und Brater’s Staatswörterb. I. S. 204 ff. Artikel „Amt.“ v. Seybold Das Inſtitut der Aemter. München 1854 und dazu Zöpfl in den Heidelberger Jahrbüchern 1854 S. 760 fg. 2) Unter Staatsamt verſteht man zwar oft auch einen Kreis von Ge- ſchäften rein wirthſchaftlichen Inhalts, z. B. behufs der Verwaltung von Forſten, Domänen, Bergwerken, Fabriken, Eiſenbahnen u. ſ. w., welche dem Fiskus gehören. Der ſtaatliche Charakter kömmt bei dieſen Aemtern nur dann in Betracht, wenn ſie zugleich die Handhabung der Polizei, der öffentlichen Wohlfahrtspflege mit einſchließen. Sonſt ſind dieſe Aemter ſtreng genommen nicht ſtaatliche, ſondern fiskaliſche und rückſichtlich des Wir- kungskreiſes nicht unterſchieden von der Verwaltung von Forſten, Bergwerken, Eiſenbahnen u. ſ. w., welche Privatperſonen gehören. Man nennt ja auch allgemein Perſonen, welche zur Führung von wirthſchaftlichen Geſchäften von Privatleuten dauernd angeſtellt ſind, Beamte. Vgl. Bluntſchli Allgemeines Staatsr. II. S. 121 (4. Aufl.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/313>, abgerufen am 24.11.2024.