Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche sich histo-
risch erklärt.

In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten
von einander unabhängig und souverän und es verstand sich daher
von selbst, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab-
gaben ihnen zustand. Bei dem Interesse, welches jeder einzelne
Staat daran hatte, daß diese Verwaltung überall den Zollvereins-
verträgen entsprechend und übereinstimmend geführt wurde, traf
man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins-
staaten durch Bevollmächtigte controliren zu lassen. Wurden von
diesen Bevollmächtigten Anzeigen erstattet über unrichtige Anwen-
dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll-
vereinsverträge hervortraten, so wurde die Angelegenheit, falls
sie nicht durch eine Entscheidung der Centralbehörde des betreffenden
Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert
und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein-
stimmende Einrichtung vereinbart. Ein solcher Beschluß der Zoll-
vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beschluß des Frankfurter
Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsschlie-
ßung. Da sich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß
der Einstimmigkeit für die Beschlüsse der Zollconferenz ergab, so
war eine präcise Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß.
Man begnügte sich daher, der Versammlung der Konferenz-Bevoll-
mächtigten zuzuweisen: "Die Verhandlung über alle Beschwer-
den und Mängel
welche in Beziehung auf die Ausführung des
Grundvertrages . . . . . wahrgenommen ... worden sind 1).

Auch bei Gründung des Norddeutschen Bundes blieb die im
Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organisation im Wesentlichen
unverändert; abgesehen davon, daß die zur Controle der Zoll-
und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch-
tigten vom Präsidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde
daher im Art. 37 zugewiesen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem
Erlaß von Zoll- und Steuergesetzen und dem Abschlusse von
Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Administrativ-Ver-
ordnungen, und unter Z. 3. die Beschlußfassung:

1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a.
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 17

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche ſich hiſto-
riſch erklärt.

In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten
von einander unabhängig und ſouverän und es verſtand ſich daher
von ſelbſt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab-
gaben ihnen zuſtand. Bei dem Intereſſe, welches jeder einzelne
Staat daran hatte, daß dieſe Verwaltung überall den Zollvereins-
verträgen entſprechend und übereinſtimmend geführt wurde, traf
man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins-
ſtaaten durch Bevollmächtigte controliren zu laſſen. Wurden von
dieſen Bevollmächtigten Anzeigen erſtattet über unrichtige Anwen-
dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll-
vereinsverträge hervortraten, ſo wurde die Angelegenheit, falls
ſie nicht durch eine Entſcheidung der Centralbehörde des betreffenden
Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert
und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein-
ſtimmende Einrichtung vereinbart. Ein ſolcher Beſchluß der Zoll-
vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beſchluß des Frankfurter
Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsſchlie-
ßung. Da ſich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß
der Einſtimmigkeit für die Beſchlüſſe der Zollconferenz ergab, ſo
war eine präciſe Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß.
Man begnügte ſich daher, der Verſammlung der Konferenz-Bevoll-
mächtigten zuzuweiſen: „Die Verhandlung über alle Beſchwer-
den und Mängel
welche in Beziehung auf die Ausführung des
Grundvertrages . . . . . wahrgenommen … worden ſind 1).

Auch bei Gründung des Norddeutſchen Bundes blieb die im
Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organiſation im Weſentlichen
unverändert; abgeſehen davon, daß die zur Controle der Zoll-
und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch-
tigten vom Präſidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde
daher im Art. 37 zugewieſen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem
Erlaß von Zoll- und Steuergeſetzen und dem Abſchluſſe von
Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Adminiſtrativ-Ver-
ordnungen, und unter Z. 3. die Beſchlußfaſſung:

1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a.
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0277" n="257"/><fw place="top" type="header">§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.</fw><lb/>
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche &#x017F;ich hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;ch erklärt.</p><lb/>
              <p>In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten<lb/>
von einander unabhängig und &#x017F;ouverän und es ver&#x017F;tand &#x017F;ich daher<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab-<lb/>
gaben ihnen zu&#x017F;tand. Bei dem Intere&#x017F;&#x017F;e, welches jeder einzelne<lb/>
Staat daran hatte, daß die&#x017F;e Verwaltung überall den Zollvereins-<lb/>
verträgen ent&#x017F;prechend und überein&#x017F;timmend geführt wurde, traf<lb/>
man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins-<lb/>
&#x017F;taaten durch Bevollmächtigte controliren zu la&#x017F;&#x017F;en. Wurden von<lb/>
die&#x017F;en Bevollmächtigten Anzeigen er&#x017F;tattet über unrichtige Anwen-<lb/>
dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll-<lb/>
vereinsverträge hervortraten, &#x017F;o wurde die Angelegenheit, falls<lb/>
&#x017F;ie nicht durch eine Ent&#x017F;cheidung der Centralbehörde des betreffenden<lb/>
Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert<lb/>
und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein-<lb/>
&#x017F;timmende Einrichtung vereinbart. Ein &#x017F;olcher Be&#x017F;chluß der Zoll-<lb/>
vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Be&#x017F;chluß des Frankfurter<lb/>
Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertrags&#x017F;chlie-<lb/>
ßung. Da &#x017F;ich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß<lb/>
der Ein&#x017F;timmigkeit für die Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e der Zollconferenz ergab, &#x017F;o<lb/>
war eine präci&#x017F;e Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß.<lb/>
Man begnügte &#x017F;ich daher, der Ver&#x017F;ammlung der Konferenz-Bevoll-<lb/>
mächtigten zuzuwei&#x017F;en: &#x201E;Die Verhandlung <hi rendition="#g">über alle Be&#x017F;chwer-<lb/>
den und Mängel</hi> welche in Beziehung auf die Ausführung des<lb/>
Grundvertrages . . . . . wahrgenommen &#x2026; worden &#x017F;ind <note place="foot" n="1)">Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 <hi rendition="#aq">sub a.</hi></note>.</p><lb/>
              <p>Auch bei Gründung des Norddeut&#x017F;chen Bundes blieb die im<lb/>
Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organi&#x017F;ation im We&#x017F;entlichen<lb/>
unverändert; abge&#x017F;ehen davon, daß die zur Controle der Zoll-<lb/>
und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch-<lb/>
tigten vom Prä&#x017F;idium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde<lb/>
daher im Art. 37 zugewie&#x017F;en unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem<lb/>
Erlaß von Zoll- und Steuerge&#x017F;etzen und dem Ab&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Admini&#x017F;trativ-Ver-<lb/>
ordnungen, und unter Z. 3. die Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Laband</hi>, Reichs&#x017F;taatsrecht. <hi rendition="#aq">I.</hi> 17</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0277] §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche ſich hiſto- riſch erklärt. In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten von einander unabhängig und ſouverän und es verſtand ſich daher von ſelbſt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab- gaben ihnen zuſtand. Bei dem Intereſſe, welches jeder einzelne Staat daran hatte, daß dieſe Verwaltung überall den Zollvereins- verträgen entſprechend und übereinſtimmend geführt wurde, traf man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins- ſtaaten durch Bevollmächtigte controliren zu laſſen. Wurden von dieſen Bevollmächtigten Anzeigen erſtattet über unrichtige Anwen- dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll- vereinsverträge hervortraten, ſo wurde die Angelegenheit, falls ſie nicht durch eine Entſcheidung der Centralbehörde des betreffenden Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein- ſtimmende Einrichtung vereinbart. Ein ſolcher Beſchluß der Zoll- vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beſchluß des Frankfurter Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsſchlie- ßung. Da ſich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß der Einſtimmigkeit für die Beſchlüſſe der Zollconferenz ergab, ſo war eine präciſe Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß. Man begnügte ſich daher, der Verſammlung der Konferenz-Bevoll- mächtigten zuzuweiſen: „Die Verhandlung über alle Beſchwer- den und Mängel welche in Beziehung auf die Ausführung des Grundvertrages . . . . . wahrgenommen … worden ſind 1). Auch bei Gründung des Norddeutſchen Bundes blieb die im Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organiſation im Weſentlichen unverändert; abgeſehen davon, daß die zur Controle der Zoll- und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch- tigten vom Präſidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde daher im Art. 37 zugewieſen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem Erlaß von Zoll- und Steuergeſetzen und dem Abſchluſſe von Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Adminiſtrativ-Ver- ordnungen, und unter Z. 3. die Beſchlußfaſſung: 1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a. Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/277
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/277>, abgerufen am 21.05.2024.