Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. Hierdurch wird dem Bundesrathe die sogenannte Verord- Der Grundsatz, daß Administrativ-Verordnungen vom Bun- Dieses Andere kann darin bestehen: a) daß die Zustimmung des Reichstages vorbehalten, also ein Reichsgesetz erforderlich ist; b) daß dem Kaiser der Erlaß der Ausführungsverordnung übertragen wird; c) daß der Reichskanzler oder eine andere Reichsbe- hörde die erforderlichen Vorschriften erlassen soll; d) daß die Einzelstaaten die zur Ausführung der Reichs- gesetze nothwendigen Anordnungen zu treffen haben. Im Allgemeinen hat die Reichsgesetzgebung an dem Grund- 1) Thudichum in v. Holtzendorffs Jahrb. I. S. 22 Note 1 Seydel Commentar S. 102 und in Hirth's Annalen 1874 S. 1143 fg. 2) Ueber Elsaß-Lothringen siehe unten §. 54. 3) v. Rönne S. 159 freilich kehrt das Verhältniß gradezu um und be-
ruft sich dafür (Note 7) ganz naiv auf Art. 7 Nr. 2 der R.-V. §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. Hierdurch wird dem Bundesrathe die ſogenannte Verord- Der Grundſatz, daß Adminiſtrativ-Verordnungen vom Bun- Dieſes Andere kann darin beſtehen: a) daß die Zuſtimmung des Reichstages vorbehalten, alſo ein Reichsgeſetz erforderlich iſt; b) daß dem Kaiſer der Erlaß der Ausführungsverordnung übertragen wird; c) daß der Reichskanzler oder eine andere Reichsbe- hörde die erforderlichen Vorſchriften erlaſſen ſoll; d) daß die Einzelſtaaten die zur Ausführung der Reichs- geſetze nothwendigen Anordnungen zu treffen haben. Im Allgemeinen hat die Reichsgeſetzgebung an dem Grund- 1) Thudichum in v. Holtzendorffs Jahrb. I. S. 22 Note 1 Seydel Commentar S. 102 und in Hirth’s Annalen 1874 S. 1143 fg. 2) Ueber Elſaß-Lothringen ſiehe unten §. 54. 3) v. Rönne S. 159 freilich kehrt das Verhältniß gradezu um und be-
ruft ſich dafür (Note 7) ganz naiv auf Art. 7 Nr. 2 der R.-V. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0274" n="254"/> <fw place="top" type="header">§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.</fw><lb/> <p>Hierdurch wird dem Bundesrathe die ſogenannte <hi rendition="#g">Verord-<lb/> nungs-Gewalt</hi> übertragen; d. h. er hat die Befugniß und<lb/> Obliegenheit, die Verwaltungs-Verordnungen zur Ausführung der<lb/> Reichsgeſetze zu erlaſſen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Thudichum</hi> in v. Holtzendorffs Jahrb. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 22 Note 1 <hi rendition="#g">Seydel</hi><lb/> Commentar S. 102 und in Hirth’s Annalen 1874 S. 1143 fg.</note>. Andere als Ausführungs-Verordnungen,<lb/> Verordnungen mit interimiſtiſcher Geſetzeskraft oder Noth-Verordnun-<lb/> gen kennt die Reichsverfaſſung nicht <note place="foot" n="2)">Ueber Elſaß-Lothringen ſiehe unten §. 54.</note>. Die „allgemeinen“ Verwal-<lb/> tungsvorſchriften und Einrichtungen ſtehen im Gegenſatz zu den<lb/> „Verfügungen“ im einzelnen Falle, d. h. zu der Erledigung ſpezieller<lb/> Verwaltungs- oder Regierungs-Geſchäfte, welche Sache des Kaiſers<lb/> und der Reichsbehörden iſt. Derartige Verfügungen werden aber<lb/> auch Verordnungen <hi rendition="#g">genannt</hi>, namentlich wenn ſie vom Kaiſer<lb/> ſelbſt vollzogen werden. Der begriffliche Gegenſatz beruht darin,<lb/> daß die allgemeine, d. h. eigentliche, Verordnung die Aufſtellung<lb/> einer <hi rendition="#g">Regel,</hi> die Verfügung die Erledigung eines ſtaatlichen<lb/> Geſchäftes iſt, z. B. die Einberufung und Schließung der Sitzungen<lb/> des Bundesrathes und Reichstages.</p><lb/> <p>Der Grundſatz, daß Adminiſtrativ-Verordnungen vom Bun-<lb/> desrathe zu erlaſſen ſind, geſtattet aber Ausnahmen <note place="foot" n="3)">v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> S. 159 freilich kehrt das Verhältniß gradezu um und be-<lb/> ruft ſich dafür (Note 7) ganz naiv auf Art. 7 Nr. 2 der R.-V.</note>. Der Art.<lb/> 7 fügt daher der Nro. 2 die Clauſel zu:<lb/><hi rendition="#et">„<hi rendition="#g">ſofern nicht durch Reichsgeſetz etwas Anderes<lb/> beſtimmt iſt</hi>.“</hi></p><lb/> <p>Dieſes Andere kann darin beſtehen:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a</hi>) daß die Zuſtimmung des Reichstages vorbehalten, alſo ein<lb/><hi rendition="#g">Reichsgeſetz</hi> erforderlich iſt;</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b</hi>) daß dem <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> der Erlaß der Ausführungsverordnung<lb/> übertragen wird;</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c</hi>) daß der <hi rendition="#g">Reichskanzler</hi> oder eine andere <hi rendition="#g">Reichsbe-<lb/> hörde</hi> die erforderlichen Vorſchriften erlaſſen ſoll;</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">d</hi>) daß die <hi rendition="#g">Einzelſtaaten</hi> die zur Ausführung der Reichs-<lb/> geſetze nothwendigen Anordnungen zu treffen haben.</item> </list><lb/> <p>Im Allgemeinen hat die Reichsgeſetzgebung an dem Grund-<lb/> ſatz feſtgehalten, daß Ausführungs-Verordnungen und überhaupt<lb/> allgemeine Regeln für die Verwaltung vom Bundesrathe zu er-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0274]
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
Hierdurch wird dem Bundesrathe die ſogenannte Verord-
nungs-Gewalt übertragen; d. h. er hat die Befugniß und
Obliegenheit, die Verwaltungs-Verordnungen zur Ausführung der
Reichsgeſetze zu erlaſſen 1). Andere als Ausführungs-Verordnungen,
Verordnungen mit interimiſtiſcher Geſetzeskraft oder Noth-Verordnun-
gen kennt die Reichsverfaſſung nicht 2). Die „allgemeinen“ Verwal-
tungsvorſchriften und Einrichtungen ſtehen im Gegenſatz zu den
„Verfügungen“ im einzelnen Falle, d. h. zu der Erledigung ſpezieller
Verwaltungs- oder Regierungs-Geſchäfte, welche Sache des Kaiſers
und der Reichsbehörden iſt. Derartige Verfügungen werden aber
auch Verordnungen genannt, namentlich wenn ſie vom Kaiſer
ſelbſt vollzogen werden. Der begriffliche Gegenſatz beruht darin,
daß die allgemeine, d. h. eigentliche, Verordnung die Aufſtellung
einer Regel, die Verfügung die Erledigung eines ſtaatlichen
Geſchäftes iſt, z. B. die Einberufung und Schließung der Sitzungen
des Bundesrathes und Reichstages.
Der Grundſatz, daß Adminiſtrativ-Verordnungen vom Bun-
desrathe zu erlaſſen ſind, geſtattet aber Ausnahmen 3). Der Art.
7 fügt daher der Nro. 2 die Clauſel zu:
„ſofern nicht durch Reichsgeſetz etwas Anderes
beſtimmt iſt.“
Dieſes Andere kann darin beſtehen:
a) daß die Zuſtimmung des Reichstages vorbehalten, alſo ein
Reichsgeſetz erforderlich iſt;
b) daß dem Kaiſer der Erlaß der Ausführungsverordnung
übertragen wird;
c) daß der Reichskanzler oder eine andere Reichsbe-
hörde die erforderlichen Vorſchriften erlaſſen ſoll;
d) daß die Einzelſtaaten die zur Ausführung der Reichs-
geſetze nothwendigen Anordnungen zu treffen haben.
Im Allgemeinen hat die Reichsgeſetzgebung an dem Grund-
ſatz feſtgehalten, daß Ausführungs-Verordnungen und überhaupt
allgemeine Regeln für die Verwaltung vom Bundesrathe zu er-
1) Thudichum in v. Holtzendorffs Jahrb. I. S. 22 Note 1 Seydel
Commentar S. 102 und in Hirth’s Annalen 1874 S. 1143 fg.
2) Ueber Elſaß-Lothringen ſiehe unten §. 54.
3) v. Rönne S. 159 freilich kehrt das Verhältniß gradezu um und be-
ruft ſich dafür (Note 7) ganz naiv auf Art. 7 Nr. 2 der R.-V.
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