Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
die Vertretung nach Außen, die Führung der Regierungsgeschäfte,
die Verwaltung der Machtmittel (Oberbefehl). Daraus folgt, daß
der Schwerpunkt der dem Bundesrath zugewiesenen Thätigkeit in
der Aufstellung der Rechtsregeln und der allgemeinen Verwaltungs-
normen ruht. Der Bundesrath ist das Gesetzgebungs-
organ des Reiches;
seine Thätigkeit übt er aus theils unter
Mitwirkung des Reichstages (Gesetze), theils selbstständig (Ver-
ordnungen).

Hierauf ist er aber allerdings nicht beschränkt, es steht ihm
vielmehr bei den wichtigsten Verwaltungsgeschäften und Regie-
rungshandlungen eine Mitwirkung zu. Der Bundesrath ist daher
nicht blos Gesetzgebungs-Organ, sondern auch Verwaltungs-
Organ
des Reiches. In einzelnen Fällen ist er auch berufen,
für die Aufrechthaltung der Rechts-Ordnung im Reiche mit-
zuwirken. Aber es besteht zwischen diesen Aufgaben des Bundes-
rathes eine große Verschiedenheit. Daß der Bundesrath die Ge-
setze und Verordnungen beschließt, ist die Regel; sollen für das
Reich gültige Rechtsnormen ohne Beschlußfassung des Bundes-
rathes zu Stande kommen, z. B. durch Allerh. Erlaß des Kaisers,
so muß dies durch ein Gesetz besonders bestimmt sein. Da-
gegen daß der Bundesrath eine Mitwirkung an den eigentlichen
Regierungsgeschäften hat, ist die Ausnahme; die Mitwirkung
des Bundesrathes und die daraus resultirende Beschränkung des
Kaisers, beziehentlich des Reichskanzlers, erstreckt sich nur soweit,
als sie durch gesetzliche Bestimmung angeordnet ist. Dadurch recht-
fertigt sich die principielle Charakterisirung des Bundesrathes als
des für die Gesetzgebung bestimmten Organs des Reiches 1).

Wenn man die Stellung, welche der Kaiser im Reich ein-
nimmt, vergleichen kann mit der Stellung des Vorstandes einer
(privatrechtlichen) Korporation, so lassen sich die Funktionen des
Bundesrathes vergleichen mit den Funktionen der Generalversamm-
lung und des von ihr eingesetzten Ausschusses, des sogen. Ver-
waltungsrathes. Der Bundesrath ist die Versammlung sämmtlicher
Mitglieder des Reiches, resp. deren Bevollmächtigten, entspricht
also dem Begriff der Generalversammlung; und wie regelmäßig

1) Vgl. auch v. Martitz S. 52 fg. v. Gerber Grundzüge S. 248.
Thudichum S. 107.

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
die Vertretung nach Außen, die Führung der Regierungsgeſchäfte,
die Verwaltung der Machtmittel (Oberbefehl). Daraus folgt, daß
der Schwerpunkt der dem Bundesrath zugewieſenen Thätigkeit in
der Aufſtellung der Rechtsregeln und der allgemeinen Verwaltungs-
normen ruht. Der Bundesrath iſt das Geſetzgebungs-
organ des Reiches;
ſeine Thätigkeit übt er aus theils unter
Mitwirkung des Reichstages (Geſetze), theils ſelbſtſtändig (Ver-
ordnungen).

Hierauf iſt er aber allerdings nicht beſchränkt, es ſteht ihm
vielmehr bei den wichtigſten Verwaltungsgeſchäften und Regie-
rungshandlungen eine Mitwirkung zu. Der Bundesrath iſt daher
nicht blos Geſetzgebungs-Organ, ſondern auch Verwaltungs-
Organ
des Reiches. In einzelnen Fällen iſt er auch berufen,
für die Aufrechthaltung der Rechts-Ordnung im Reiche mit-
zuwirken. Aber es beſteht zwiſchen dieſen Aufgaben des Bundes-
rathes eine große Verſchiedenheit. Daß der Bundesrath die Ge-
ſetze und Verordnungen beſchließt, iſt die Regel; ſollen für das
Reich gültige Rechtsnormen ohne Beſchlußfaſſung des Bundes-
rathes zu Stande kommen, z. B. durch Allerh. Erlaß des Kaiſers,
ſo muß dies durch ein Geſetz beſonders beſtimmt ſein. Da-
gegen daß der Bundesrath eine Mitwirkung an den eigentlichen
Regierungsgeſchäften hat, iſt die Ausnahme; die Mitwirkung
des Bundesrathes und die daraus reſultirende Beſchränkung des
Kaiſers, beziehentlich des Reichskanzlers, erſtreckt ſich nur ſoweit,
als ſie durch geſetzliche Beſtimmung angeordnet iſt. Dadurch recht-
fertigt ſich die principielle Charakteriſirung des Bundesrathes als
des für die Geſetzgebung beſtimmten Organs des Reiches 1).

Wenn man die Stellung, welche der Kaiſer im Reich ein-
nimmt, vergleichen kann mit der Stellung des Vorſtandes einer
(privatrechtlichen) Korporation, ſo laſſen ſich die Funktionen des
Bundesrathes vergleichen mit den Funktionen der Generalverſamm-
lung und des von ihr eingeſetzten Ausſchuſſes, des ſogen. Ver-
waltungsrathes. Der Bundesrath iſt die Verſammlung ſämmtlicher
Mitglieder des Reiches, reſp. deren Bevollmächtigten, entſpricht
alſo dem Begriff der Generalverſammlung; und wie regelmäßig

1) Vgl. auch v. Martitz S. 52 fg. v. Gerber Grundzüge S. 248.
Thudichum S. 107.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0272" n="252"/><fw place="top" type="header">§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.</fw><lb/>
die Vertretung nach Außen, die Führung der Regierungsge&#x017F;chäfte,<lb/>
die Verwaltung der Machtmittel (Oberbefehl). Daraus folgt, daß<lb/>
der Schwerpunkt der dem Bundesrath zugewie&#x017F;enen Thätigkeit in<lb/>
der Auf&#x017F;tellung der Rechtsregeln und der allgemeinen Verwaltungs-<lb/>
normen ruht. <hi rendition="#g">Der Bundesrath i&#x017F;t das Ge&#x017F;etzgebungs-<lb/>
organ des Reiches;</hi> &#x017F;eine Thätigkeit übt er aus theils unter<lb/>
Mitwirkung des Reichstages (Ge&#x017F;etze), theils &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändig (Ver-<lb/>
ordnungen).</p><lb/>
            <p>Hierauf i&#x017F;t er aber allerdings nicht be&#x017F;chränkt, es &#x017F;teht ihm<lb/>
vielmehr bei den wichtig&#x017F;ten Verwaltungsge&#x017F;chäften und Regie-<lb/>
rungshandlungen eine Mitwirkung zu. Der Bundesrath i&#x017F;t daher<lb/>
nicht <hi rendition="#g">blos</hi> Ge&#x017F;etzgebungs-Organ, &#x017F;ondern auch <hi rendition="#g">Verwaltungs-<lb/>
Organ</hi> des Reiches. In einzelnen Fällen i&#x017F;t er auch berufen,<lb/>
für die Aufrechthaltung der <hi rendition="#g">Rechts-Ordnung</hi> im Reiche mit-<lb/>
zuwirken. Aber es be&#x017F;teht zwi&#x017F;chen die&#x017F;en Aufgaben des Bundes-<lb/>
rathes eine große Ver&#x017F;chiedenheit. Daß der Bundesrath die Ge-<lb/>
&#x017F;etze und Verordnungen be&#x017F;chließt, i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Regel</hi>; &#x017F;ollen für das<lb/>
Reich gültige Rechtsnormen ohne Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung des Bundes-<lb/>
rathes zu Stande kommen, z. B. durch Allerh. Erlaß des Kai&#x017F;ers,<lb/>
&#x017F;o muß dies durch ein Ge&#x017F;etz <hi rendition="#g">be&#x017F;onders</hi> be&#x017F;timmt &#x017F;ein. Da-<lb/>
gegen daß der Bundesrath eine Mitwirkung an den eigentlichen<lb/>
Regierungsge&#x017F;chäften hat, i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Ausnahme;</hi> die Mitwirkung<lb/>
des Bundesrathes und die daraus re&#x017F;ultirende Be&#x017F;chränkung des<lb/>
Kai&#x017F;ers, beziehentlich des Reichskanzlers, er&#x017F;treckt &#x017F;ich nur &#x017F;oweit,<lb/>
als &#x017F;ie durch ge&#x017F;etzliche Be&#x017F;timmung angeordnet i&#x017F;t. Dadurch recht-<lb/>
fertigt &#x017F;ich die principielle Charakteri&#x017F;irung des Bundesrathes als<lb/>
des für die Ge&#x017F;etzgebung be&#x017F;timmten Organs des Reiches <note place="foot" n="1)">Vgl. auch v. <hi rendition="#g">Martitz</hi> S. 52 fg. v. <hi rendition="#g">Gerber</hi> Grundzüge S. 248.<lb/><hi rendition="#g">Thudichum</hi> S. 107.</note>.</p><lb/>
            <p>Wenn man die Stellung, welche der Kai&#x017F;er im Reich ein-<lb/>
nimmt, vergleichen kann mit der Stellung des Vor&#x017F;tandes einer<lb/>
(privatrechtlichen) Korporation, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die Funktionen des<lb/>
Bundesrathes vergleichen mit den Funktionen der Generalver&#x017F;amm-<lb/>
lung und des von ihr einge&#x017F;etzten Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es, des &#x017F;ogen. Ver-<lb/>
waltungsrathes. Der Bundesrath i&#x017F;t die Ver&#x017F;ammlung &#x017F;ämmtlicher<lb/>
Mitglieder des Reiches, re&#x017F;p. deren Bevollmächtigten, ent&#x017F;pricht<lb/>
al&#x017F;o dem Begriff der Generalver&#x017F;ammlung; und wie regelmäßig<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0272] §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. die Vertretung nach Außen, die Führung der Regierungsgeſchäfte, die Verwaltung der Machtmittel (Oberbefehl). Daraus folgt, daß der Schwerpunkt der dem Bundesrath zugewieſenen Thätigkeit in der Aufſtellung der Rechtsregeln und der allgemeinen Verwaltungs- normen ruht. Der Bundesrath iſt das Geſetzgebungs- organ des Reiches; ſeine Thätigkeit übt er aus theils unter Mitwirkung des Reichstages (Geſetze), theils ſelbſtſtändig (Ver- ordnungen). Hierauf iſt er aber allerdings nicht beſchränkt, es ſteht ihm vielmehr bei den wichtigſten Verwaltungsgeſchäften und Regie- rungshandlungen eine Mitwirkung zu. Der Bundesrath iſt daher nicht blos Geſetzgebungs-Organ, ſondern auch Verwaltungs- Organ des Reiches. In einzelnen Fällen iſt er auch berufen, für die Aufrechthaltung der Rechts-Ordnung im Reiche mit- zuwirken. Aber es beſteht zwiſchen dieſen Aufgaben des Bundes- rathes eine große Verſchiedenheit. Daß der Bundesrath die Ge- ſetze und Verordnungen beſchließt, iſt die Regel; ſollen für das Reich gültige Rechtsnormen ohne Beſchlußfaſſung des Bundes- rathes zu Stande kommen, z. B. durch Allerh. Erlaß des Kaiſers, ſo muß dies durch ein Geſetz beſonders beſtimmt ſein. Da- gegen daß der Bundesrath eine Mitwirkung an den eigentlichen Regierungsgeſchäften hat, iſt die Ausnahme; die Mitwirkung des Bundesrathes und die daraus reſultirende Beſchränkung des Kaiſers, beziehentlich des Reichskanzlers, erſtreckt ſich nur ſoweit, als ſie durch geſetzliche Beſtimmung angeordnet iſt. Dadurch recht- fertigt ſich die principielle Charakteriſirung des Bundesrathes als des für die Geſetzgebung beſtimmten Organs des Reiches 1). Wenn man die Stellung, welche der Kaiſer im Reich ein- nimmt, vergleichen kann mit der Stellung des Vorſtandes einer (privatrechtlichen) Korporation, ſo laſſen ſich die Funktionen des Bundesrathes vergleichen mit den Funktionen der Generalverſamm- lung und des von ihr eingeſetzten Ausſchuſſes, des ſogen. Ver- waltungsrathes. Der Bundesrath iſt die Verſammlung ſämmtlicher Mitglieder des Reiches, reſp. deren Bevollmächtigten, entſpricht alſo dem Begriff der Generalverſammlung; und wie regelmäßig 1) Vgl. auch v. Martitz S. 52 fg. v. Gerber Grundzüge S. 248. Thudichum S. 107.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/272
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/272>, abgerufen am 21.05.2024.