irgend eine Voraussetzung mehr oder weniger oder anders haben als der Erwerb der Preußischen Krone, so wäre die Möglichkeit gegeben, daß Deutsches Kaiserthum und Preußisches Königthum auseinanderfallen. Ihre dauernde verfassungsmäßige Vereinigung in demselben Subject ist nur möglich, wenn entweder das Reichs- recht positiv die Grundsätze über den Erwerb der Kaiserkrone regelt und bestimmt: "Wer Kaiser ist, ist zugleich ipso iure immer auch König von Preußen;" oder wenn das Reich vollständig die gesammte Ordnung des Rechts auf die Krone dem Preußischen Staatsrecht überläßt und sich auf den einfachen Rechtssatz beschränkt: Die Kaiserwürde folgt ipso iure der Preußischen Königskrone. Daß das Letztere geschehen, der Erwerb des Preußischen Throns das prius, das Präsidium des Bundes das Accessorium ist, kann einem Zweifel nicht unterliegen.
In der That handelt es sich daher bei Anwendung des Art. 11 der R.-V. gar nicht um eine Anwendung Preußischer Verfas- sungssätze auf das Reich oder um eine Einwirkung Preußischer Staatsorgane auf Reichsangelegenheiten. Diese Einwirkung ist eine faktische, keine rechtliche. Die Anordnungen der Preußischen Verfassung über Thronfolgerecht und Regentschaft finden nur in Preußen Anwendung, der Preußische Landtag und das Preußische Staatsministerium handeln nur für Preußen. Die Einrichtung einer Regentschaft in Preußen ist eine ausschließlich Preußische Staatsaction. Aber das Reichsrecht knüpft kraft eines objectiven Rechtssatzes, dessen Wirkung der Willensmacht des Preußischen Landtages gänzlich entzogen ist und ebenso ohne jeden Willensact und ohne jede Beschlußfassung des Bundesraths und Reichstages eintritt, an die Erlangung der Preußischen Krone die Folge des Erwerbes der Kaiserwürde an. Das rechtliche Interesse des Rei- ches ist auf den einen Punkt beschränkt, daß dieselbe Person die Rechte der Preußischen Krone und die Präsidialbefugnisse ausübe; es erstreckt sich nicht auf die Normirung der Regeln, nach denen die Preußische Krone erworben wird.
Diese Sätze werden unbestritten und unbezweifelt anerkannt hinsichtlich des eigentlichen Thronfolgerechts. Es ergiebt sich na- mentlich aus ihnen die Consequenz, daß eine Abänderung des Preußischen Thronfolgerechts resp. der Hausgesetze des Königlichen Hauses Hohenzollern nach Maaßgabe des Preußischen Staatsrechts
§. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte.
irgend eine Vorausſetzung mehr oder weniger oder anders haben als der Erwerb der Preußiſchen Krone, ſo wäre die Möglichkeit gegeben, daß Deutſches Kaiſerthum und Preußiſches Königthum auseinanderfallen. Ihre dauernde verfaſſungsmäßige Vereinigung in demſelben Subject iſt nur möglich, wenn entweder das Reichs- recht poſitiv die Grundſätze über den Erwerb der Kaiſerkrone regelt und beſtimmt: „Wer Kaiſer iſt, iſt zugleich ipso iure immer auch König von Preußen;“ oder wenn das Reich vollſtändig die geſammte Ordnung des Rechts auf die Krone dem Preußiſchen Staatsrecht überläßt und ſich auf den einfachen Rechtsſatz beſchränkt: Die Kaiſerwürde folgt ipso iure der Preußiſchen Königskrone. Daß das Letztere geſchehen, der Erwerb des Preußiſchen Throns das prius, das Präſidium des Bundes das Acceſſorium iſt, kann einem Zweifel nicht unterliegen.
In der That handelt es ſich daher bei Anwendung des Art. 11 der R.-V. gar nicht um eine Anwendung Preußiſcher Verfaſ- ſungsſätze auf das Reich oder um eine Einwirkung Preußiſcher Staatsorgane auf Reichsangelegenheiten. Dieſe Einwirkung iſt eine faktiſche, keine rechtliche. Die Anordnungen der Preußiſchen Verfaſſung über Thronfolgerecht und Regentſchaft finden nur in Preußen Anwendung, der Preußiſche Landtag und das Preußiſche Staatsminiſterium handeln nur für Preußen. Die Einrichtung einer Regentſchaft in Preußen iſt eine ausſchließlich Preußiſche Staatsaction. Aber das Reichsrecht knüpft kraft eines objectiven Rechtsſatzes, deſſen Wirkung der Willensmacht des Preußiſchen Landtages gänzlich entzogen iſt und ebenſo ohne jeden Willensact und ohne jede Beſchlußfaſſung des Bundesraths und Reichstages eintritt, an die Erlangung der Preußiſchen Krone die Folge des Erwerbes der Kaiſerwürde an. Das rechtliche Intereſſe des Rei- ches iſt auf den einen Punkt beſchränkt, daß dieſelbe Perſon die Rechte der Preußiſchen Krone und die Präſidialbefugniſſe ausübe; es erſtreckt ſich nicht auf die Normirung der Regeln, nach denen die Preußiſche Krone erworben wird.
Dieſe Sätze werden unbeſtritten und unbezweifelt anerkannt hinſichtlich des eigentlichen Thronfolgerechts. Es ergiebt ſich na- mentlich aus ihnen die Conſequenz, daß eine Abänderung des Preußiſchen Thronfolgerechts reſp. der Hausgeſetze des Königlichen Hauſes Hohenzollern nach Maaßgabe des Preußiſchen Staatsrechts
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§. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte.
irgend eine Vorausſetzung mehr oder weniger oder anders haben
als der Erwerb der Preußiſchen Krone, ſo wäre die Möglichkeit
gegeben, daß Deutſches Kaiſerthum und Preußiſches Königthum
auseinanderfallen. Ihre dauernde verfaſſungsmäßige Vereinigung
in demſelben Subject iſt nur möglich, wenn entweder das Reichs-
recht poſitiv die Grundſätze über den Erwerb der Kaiſerkrone
regelt und beſtimmt: „Wer Kaiſer iſt, iſt zugleich ipso iure immer
auch König von Preußen;“ oder wenn das Reich vollſtändig die
geſammte Ordnung des Rechts auf die Krone dem Preußiſchen
Staatsrecht überläßt und ſich auf den einfachen Rechtsſatz beſchränkt:
Die Kaiſerwürde folgt ipso iure der Preußiſchen Königskrone.
Daß das Letztere geſchehen, der Erwerb des Preußiſchen Throns
das prius, das Präſidium des Bundes das Acceſſorium iſt, kann
einem Zweifel nicht unterliegen.
In der That handelt es ſich daher bei Anwendung des Art.
11 der R.-V. gar nicht um eine Anwendung Preußiſcher Verfaſ-
ſungsſätze auf das Reich oder um eine Einwirkung Preußiſcher
Staatsorgane auf Reichsangelegenheiten. Dieſe Einwirkung iſt
eine faktiſche, keine rechtliche. Die Anordnungen der Preußiſchen
Verfaſſung über Thronfolgerecht und Regentſchaft finden nur in
Preußen Anwendung, der Preußiſche Landtag und das Preußiſche
Staatsminiſterium handeln nur für Preußen. Die Einrichtung
einer Regentſchaft in Preußen iſt eine ausſchließlich Preußiſche
Staatsaction. Aber das Reichsrecht knüpft kraft eines objectiven
Rechtsſatzes, deſſen Wirkung der Willensmacht des Preußiſchen
Landtages gänzlich entzogen iſt und ebenſo ohne jeden Willensact
und ohne jede Beſchlußfaſſung des Bundesraths und Reichstages
eintritt, an die Erlangung der Preußiſchen Krone die Folge des
Erwerbes der Kaiſerwürde an. Das rechtliche Intereſſe des Rei-
ches iſt auf den einen Punkt beſchränkt, daß dieſelbe Perſon die
Rechte der Preußiſchen Krone und die Präſidialbefugniſſe ausübe;
es erſtreckt ſich nicht auf die Normirung der Regeln, nach denen
die Preußiſche Krone erworben wird.
Dieſe Sätze werden unbeſtritten und unbezweifelt anerkannt
hinſichtlich des eigentlichen Thronfolgerechts. Es ergiebt ſich na-
mentlich aus ihnen die Conſequenz, daß eine Abänderung des
Preußiſchen Thronfolgerechts reſp. der Hausgeſetze des Königlichen
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/236>, abgerufen am 24.07.2024.
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