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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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Erstes Kapitel.
Die Entstehungsgeschichte des Deutschen Reichs
1).
§. 1. Die Auflösung des deutschen Bundes.

Als am 14. Juni 1866 die deutsche Bundesversammlung auf
Antrag Oesterreichs den Beschluß gefaßt hatte, die Mobilmachung
des VII., VIII., IX. und X., d. h. sämmtlicher nicht österreichischen
und nicht preußischen, Bundes-Armeecorps anzuordnen, obwohl
der Preußische Gesandte gegen jede geschäftliche Behandlung des
Antrages, als formell und materiell bundeswidrig, Namens seiner
Regierung Protest eingelegt hatte, erklärte derselbe Gesandte sofort
nach der Beschlußfassung im Namen und auf Befehl Seiner Majestät
des Königs:
"daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen
und deshalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben viel-
mehr als erloschen betrachten und behandeln wird" 2).

An diesen Vorgang knüpften sich mehrere bundesrechtliche Streit-
fragen; ob der Antrag Oesterreichs materiell zulässig gewesen, ob
seine geschäftliche Behandlung im Einklang mit den Vorschriften

1) Das urkundliche Material für die Gründungsgeschichte des Nordd. Bun-
des ist enthalten in Glaser's Archiv des Nordd. Bundes. Berlin 1867.
Aegidi und Klauhold, das Staatsarchiv. Bd. 10 und folgende. Ham-
burg 1866 ff. Am Vollständigsten und Uebersichtlichsten L. Hahn. Zwei
Jahre preußisch-deutscher Politik 1866--1867. Berlin 1868. Für die Grün-
dung des Deutschen Reiches findet sich das Wichtigste in den Drucksachen
des Reichstages
des Nordd. Bundes von 1870. Ferner in Koller's
Archiv des Nordd. Bundes und Zollvereins, in Hirth's Annalen des Nordd.
Bundes (resp. des Deutschen Reichs); in v. Bezold's Materialien der
Deutschen Reichsverfassung. 3 Bde. 1872 und L. Hahn, der Krieg Deut-
schlands gegen Frankreich und die Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Die
Deutsche Politik 1867--1871. Berlin 1871.
2) Hahn, Zwei Jahre S. 124 fg. Glaser, Archiv I, 1. S. 27.
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Erſtes Kapitel.
Die Entſtehungsgeſchichte des Deutſchen Reichs
1).
§. 1. Die Auflöſung des deutſchen Bundes.

Als am 14. Juni 1866 die deutſche Bundesverſammlung auf
Antrag Oeſterreichs den Beſchluß gefaßt hatte, die Mobilmachung
des VII., VIII., IX. und X., d. h. ſämmtlicher nicht öſterreichiſchen
und nicht preußiſchen, Bundes-Armeecorps anzuordnen, obwohl
der Preußiſche Geſandte gegen jede geſchäftliche Behandlung des
Antrages, als formell und materiell bundeswidrig, Namens ſeiner
Regierung Proteſt eingelegt hatte, erklärte derſelbe Geſandte ſofort
nach der Beſchlußfaſſung im Namen und auf Befehl Seiner Majeſtät
des Königs:
„daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen
und deshalb nicht mehr verbindlich anſieht, denſelben viel-
mehr als erloſchen betrachten und behandeln wird“ 2).

An dieſen Vorgang knüpften ſich mehrere bundesrechtliche Streit-
fragen; ob der Antrag Oeſterreichs materiell zuläſſig geweſen, ob
ſeine geſchäftliche Behandlung im Einklang mit den Vorſchriften

1) Das urkundliche Material für die Gründungsgeſchichte des Nordd. Bun-
des iſt enthalten in Glaſer’s Archiv des Nordd. Bundes. Berlin 1867.
Aegidi und Klauhold, das Staatsarchiv. Bd. 10 und folgende. Ham-
burg 1866 ff. Am Vollſtändigſten und Ueberſichtlichſten L. Hahn. Zwei
Jahre preußiſch-deutſcher Politik 1866—1867. Berlin 1868. Für die Grün-
dung des Deutſchen Reiches findet ſich das Wichtigſte in den Druckſachen
des Reichstages
des Nordd. Bundes von 1870. Ferner in Koller’s
Archiv des Nordd. Bundes und Zollvereins, in Hirth’s Annalen des Nordd.
Bundes (reſp. des Deutſchen Reichs); in v. Bezold’s Materialien der
Deutſchen Reichsverfaſſung. 3 Bde. 1872 und L. Hahn, der Krieg Deut-
ſchlands gegen Frankreich und die Gründung des Deutſchen Kaiſerreichs. Die
Deutſche Politik 1867—1871. Berlin 1871.
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[[3]/0023] Erſtes Kapitel. Die Entſtehungsgeſchichte des Deutſchen Reichs 1). §. 1. Die Auflöſung des deutſchen Bundes. Als am 14. Juni 1866 die deutſche Bundesverſammlung auf Antrag Oeſterreichs den Beſchluß gefaßt hatte, die Mobilmachung des VII., VIII., IX. und X., d. h. ſämmtlicher nicht öſterreichiſchen und nicht preußiſchen, Bundes-Armeecorps anzuordnen, obwohl der Preußiſche Geſandte gegen jede geſchäftliche Behandlung des Antrages, als formell und materiell bundeswidrig, Namens ſeiner Regierung Proteſt eingelegt hatte, erklärte derſelbe Geſandte ſofort nach der Beſchlußfaſſung im Namen und auf Befehl Seiner Majeſtät des Königs: „daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich anſieht, denſelben viel- mehr als erloſchen betrachten und behandeln wird“ 2). An dieſen Vorgang knüpften ſich mehrere bundesrechtliche Streit- fragen; ob der Antrag Oeſterreichs materiell zuläſſig geweſen, ob ſeine geſchäftliche Behandlung im Einklang mit den Vorſchriften 1) Das urkundliche Material für die Gründungsgeſchichte des Nordd. Bun- des iſt enthalten in Glaſer’s Archiv des Nordd. Bundes. Berlin 1867. Aegidi und Klauhold, das Staatsarchiv. Bd. 10 und folgende. Ham- burg 1866 ff. Am Vollſtändigſten und Ueberſichtlichſten L. Hahn. Zwei Jahre preußiſch-deutſcher Politik 1866—1867. Berlin 1868. Für die Grün- dung des Deutſchen Reiches findet ſich das Wichtigſte in den Druckſachen des Reichstages des Nordd. Bundes von 1870. Ferner in Koller’s Archiv des Nordd. Bundes und Zollvereins, in Hirth’s Annalen des Nordd. Bundes (reſp. des Deutſchen Reichs); in v. Bezold’s Materialien der Deutſchen Reichsverfaſſung. 3 Bde. 1872 und L. Hahn, der Krieg Deut- ſchlands gegen Frankreich und die Gründung des Deutſchen Kaiſerreichs. Die Deutſche Politik 1867—1871. Berlin 1871. 2) Hahn, Zwei Jahre S. 124 fg. Glaſer, Archiv I, 1. S. 27. 1*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/23>, abgerufen am 19.04.2024.