Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 22. Der Schutz des Gebietes. Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder sonstige Ereignissebedroht erscheint. Die Einzelstaaten haben keine Ermächtigung dieser Art für ihr Gebiet. c) Ebenso unterliegt der Waarenverkehr mit dem Auslande d) Auch der Abschluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten 1) In Bezug auf den letzten Punkt hat das Gesetz vom 7. April 1869 die Verwaltungsbehörden der einzelnen Staaten "verpflichtet und er- mächtigt", wenn die Einschleppung der Rinderpest zu befürchten ist, Beschrän- kungen und Verbote der Einfuhr zu erlassen. Sobald eine Regierung in die Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu erlassen, zu verändern oder aufzuheben, muß sie dem Bundespräsidium davon Mittheilung machen und erforderlichen Falls kann der Reichskanzler selbstständig Anordnungen treffen. (Ges. §. 1. 2. 9. 12.) Die Behörden der Einzelstaaten erlassen das Einfuhrverbot daher nicht in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Einzelstaates, sondern kraft beson- derer Delegation in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Reiches und nach Maaßgabe der vom Reich erlassenen Instruktion. Vgl. die Revid. Instr. v. 9. Juni 1873 §. 1--10. (R.-G.-Bl. S. 147). Anwendungsfälle dieser Gebiets- hoheit des Reiches sind ferner das vom Kaiser erlassene Verbot der Einfuhr von Reben zum Verpflanzen v. 11. Febr. 1873. (R.-G.-Bl. S. 43) und das Verbot der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika v. 26. Febr. 1875 (R.-G.-Bl. S. 135.) Auch Ausfuhrverbote kann nur das Reich erlassen, so wie im Nordd. Bunde dieselbe nur von dem Bundespräsidium verordnet werden konnten. Die Bestimmungen des Art. 4 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867 sind durch den Eintritt der süddeutschen Staaten in das Reich unanwendbar ge- worden, da sie von einander unabhängige, souveräne Staaten voraussetzen. Auch das Pferde-Ausfuhrverbot v. 4. März 1875 (R.-G.-Bl. S. 159) ist im Namen des Deutschen Reichs verordnet worden, jedoch in einer dem Deut- schen Reichsrecht gänzlich unbekannten Form, nämlich: "nach erfolgter Zustim- mung der Bundesregierungen." 2) Der Sächs.-Oesterreich. Eisenbahn-Vertrag vom 29. September 1869, in der Königl. Sächs. Gesetzsammlung publicirt am 15. Mai 1871, begründet nur Rechte Sachsens im Böhmischen Gebiet, keine Beschränkungen der Sächs. Gebietshoheit zu Gunsten Oesterreichs. Die Eisenbahnverträge mit dem Aus- 13*
§. 22. Der Schutz des Gebietes. Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder ſonſtige Ereigniſſebedroht erſcheint. Die Einzelſtaaten haben keine Ermächtigung dieſer Art für ihr Gebiet. c) Ebenſo unterliegt der Waarenverkehr mit dem Auslande d) Auch der Abſchluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten 1) In Bezug auf den letzten Punkt hat das Geſetz vom 7. April 1869 die Verwaltungsbehörden der einzelnen Staaten „verpflichtet und er- mächtigt“, wenn die Einſchleppung der Rinderpeſt zu befürchten iſt, Beſchrän- kungen und Verbote der Einfuhr zu erlaſſen. Sobald eine Regierung in die Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu erlaſſen, zu verändern oder aufzuheben, muß ſie dem Bundespräſidium davon Mittheilung machen und erforderlichen Falls kann der Reichskanzler ſelbſtſtändig Anordnungen treffen. (Geſ. §. 1. 2. 9. 12.) Die Behörden der Einzelſtaaten erlaſſen das Einfuhrverbot daher nicht in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Einzelſtaates, ſondern kraft beſon- derer Delegation in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Reiches und nach Maaßgabe der vom Reich erlaſſenen Inſtruktion. Vgl. die Revid. Inſtr. v. 9. Juni 1873 §. 1—10. (R.-G.-Bl. S. 147). Anwendungsfälle dieſer Gebiets- hoheit des Reiches ſind ferner das vom Kaiſer erlaſſene Verbot der Einfuhr von Reben zum Verpflanzen v. 11. Febr. 1873. (R.-G.-Bl. S. 43) und das Verbot der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika v. 26. Febr. 1875 (R.-G.-Bl. S. 135.) Auch Ausfuhrverbote kann nur das Reich erlaſſen, ſo wie im Nordd. Bunde dieſelbe nur von dem Bundespräſidium verordnet werden konnten. Die Beſtimmungen des Art. 4 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867 ſind durch den Eintritt der ſüddeutſchen Staaten in das Reich unanwendbar ge- worden, da ſie von einander unabhängige, ſouveräne Staaten vorausſetzen. Auch das Pferde-Ausfuhrverbot v. 4. März 1875 (R.-G.-Bl. S. 159) iſt im Namen des Deutſchen Reichs verordnet worden, jedoch in einer dem Deut- ſchen Reichsrecht gänzlich unbekannten Form, nämlich: „nach erfolgter Zuſtim- mung der Bundesregierungen.“ 2) Der Sächſ.-Oeſterreich. Eiſenbahn-Vertrag vom 29. September 1869, in der Königl. Sächſ. Geſetzſammlung publicirt am 15. Mai 1871, begründet nur Rechte Sachſens im Böhmiſchen Gebiet, keine Beſchränkungen der Sächſ. Gebietshoheit zu Gunſten Oeſterreichs. Die Eiſenbahnverträge mit dem Aus- 13*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0215" n="195"/><fw place="top" type="header">§. 22. Der Schutz des Gebietes.</fw><lb/> Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder ſonſtige Ereigniſſe<lb/> bedroht erſcheint. Die Einzelſtaaten haben keine Ermächtigung<lb/> dieſer Art für ihr Gebiet.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">c)</hi> Ebenſo unterliegt der Waarenverkehr mit dem Auslande<lb/> der Regelung durch das Reich, welchem die ausſchließliche Befug-<lb/> niß zur Zollgeſetzgebung, zur Erhebung von Abgaben von fremden<lb/> Schiffen oder deren Ladungen gemäß Art. 54 Abſ. 6 der R.-V.,<lb/> zum Abſchluß von Handels- und Schifffahrtsverträgen und zur<lb/> Verfügung von <hi rendition="#g">Gränzſperren</hi> zuſteht <note place="foot" n="1)">In Bezug auf den letzten Punkt hat das Geſetz vom 7. April 1869<lb/> die Verwaltungsbehörden der einzelnen Staaten „<hi rendition="#g">verpflichtet und er-<lb/> mächtigt</hi>“, wenn die Einſchleppung der Rinderpeſt zu befürchten iſt, Beſchrän-<lb/> kungen und Verbote der Einfuhr zu erlaſſen. Sobald eine Regierung in die<lb/> Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu erlaſſen, zu verändern oder aufzuheben,<lb/> muß ſie dem Bundespräſidium davon Mittheilung machen und erforderlichen<lb/> Falls kann der Reichskanzler ſelbſtſtändig Anordnungen treffen. (Geſ. §. 1. 2.<lb/> 9. 12.) Die Behörden der Einzelſtaaten erlaſſen das Einfuhrverbot daher<lb/> nicht in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Einzelſtaates, ſondern kraft beſon-<lb/> derer Delegation in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Reiches und nach<lb/> Maaßgabe der vom Reich erlaſſenen Inſtruktion. Vgl. die Revid. Inſtr. v.<lb/> 9. Juni 1873 §. 1—10. (R.-G.-Bl. S. 147). Anwendungsfälle dieſer Gebiets-<lb/> hoheit des Reiches ſind ferner das vom Kaiſer erlaſſene Verbot der Einfuhr von<lb/> Reben zum Verpflanzen v. 11. Febr. 1873. (R.-G.-Bl. S. 43) und das Verbot<lb/> der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika v. 26. Febr. 1875 (R.-G.-Bl. S. 135.)<lb/> Auch <hi rendition="#g">Ausfuhrverbote</hi> kann nur das Reich erlaſſen, ſo wie im Nordd.<lb/> Bunde dieſelbe nur von dem Bundespräſidium verordnet werden konnten. Die<lb/> Beſtimmungen des Art. 4 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867 ſind<lb/> durch den Eintritt der ſüddeutſchen Staaten in das Reich unanwendbar ge-<lb/> worden, da ſie von einander unabhängige, ſouveräne Staaten vorausſetzen.<lb/> Auch das Pferde-Ausfuhrverbot v. 4. März 1875 (R.-G.-Bl. S. 159) iſt im<lb/> Namen des <hi rendition="#g">Deutſchen Reichs</hi> verordnet worden, jedoch in einer dem Deut-<lb/> ſchen Reichsrecht gänzlich unbekannten Form, nämlich: „nach erfolgter Zuſtim-<lb/> mung der <hi rendition="#g">Bundesregierungen</hi>.“</note>.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">d)</hi> Auch der Abſchluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten<lb/> über die Herſtellung von Eiſenbahn-Verbindungen, würde, wenn<lb/> in ſolchen Verträgen zu Gunſten des Auslandes Beſchränkungen<lb/> der Gebietshoheit zugeſtanden werden ſollten, Sache des Reiches,<lb/> nicht des Einzelſtaates ſein <note xml:id="seg2pn_27_1" next="#seg2pn_27_2" place="foot" n="2)">Der Sächſ.-Oeſterreich. Eiſenbahn-Vertrag vom 29. September 1869,<lb/> in der Königl. Sächſ. Geſetzſammlung publicirt am 15. Mai 1871, begründet<lb/> nur Rechte Sachſens im Böhmiſchen Gebiet, keine Beſchränkungen der Sächſ.<lb/> Gebietshoheit zu Gunſten Oeſterreichs. Die Eiſenbahnverträge mit dem Aus-</note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0215]
§. 22. Der Schutz des Gebietes.
Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder ſonſtige Ereigniſſe
bedroht erſcheint. Die Einzelſtaaten haben keine Ermächtigung
dieſer Art für ihr Gebiet.
c) Ebenſo unterliegt der Waarenverkehr mit dem Auslande
der Regelung durch das Reich, welchem die ausſchließliche Befug-
niß zur Zollgeſetzgebung, zur Erhebung von Abgaben von fremden
Schiffen oder deren Ladungen gemäß Art. 54 Abſ. 6 der R.-V.,
zum Abſchluß von Handels- und Schifffahrtsverträgen und zur
Verfügung von Gränzſperren zuſteht 1).
d) Auch der Abſchluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten
über die Herſtellung von Eiſenbahn-Verbindungen, würde, wenn
in ſolchen Verträgen zu Gunſten des Auslandes Beſchränkungen
der Gebietshoheit zugeſtanden werden ſollten, Sache des Reiches,
nicht des Einzelſtaates ſein 2).
1) In Bezug auf den letzten Punkt hat das Geſetz vom 7. April 1869
die Verwaltungsbehörden der einzelnen Staaten „verpflichtet und er-
mächtigt“, wenn die Einſchleppung der Rinderpeſt zu befürchten iſt, Beſchrän-
kungen und Verbote der Einfuhr zu erlaſſen. Sobald eine Regierung in die
Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu erlaſſen, zu verändern oder aufzuheben,
muß ſie dem Bundespräſidium davon Mittheilung machen und erforderlichen
Falls kann der Reichskanzler ſelbſtſtändig Anordnungen treffen. (Geſ. §. 1. 2.
9. 12.) Die Behörden der Einzelſtaaten erlaſſen das Einfuhrverbot daher
nicht in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Einzelſtaates, ſondern kraft beſon-
derer Delegation in Ausübung eines Hoheitsrechtes des Reiches und nach
Maaßgabe der vom Reich erlaſſenen Inſtruktion. Vgl. die Revid. Inſtr. v.
9. Juni 1873 §. 1—10. (R.-G.-Bl. S. 147). Anwendungsfälle dieſer Gebiets-
hoheit des Reiches ſind ferner das vom Kaiſer erlaſſene Verbot der Einfuhr von
Reben zum Verpflanzen v. 11. Febr. 1873. (R.-G.-Bl. S. 43) und das Verbot
der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika v. 26. Febr. 1875 (R.-G.-Bl. S. 135.)
Auch Ausfuhrverbote kann nur das Reich erlaſſen, ſo wie im Nordd.
Bunde dieſelbe nur von dem Bundespräſidium verordnet werden konnten. Die
Beſtimmungen des Art. 4 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867 ſind
durch den Eintritt der ſüddeutſchen Staaten in das Reich unanwendbar ge-
worden, da ſie von einander unabhängige, ſouveräne Staaten vorausſetzen.
Auch das Pferde-Ausfuhrverbot v. 4. März 1875 (R.-G.-Bl. S. 159) iſt im
Namen des Deutſchen Reichs verordnet worden, jedoch in einer dem Deut-
ſchen Reichsrecht gänzlich unbekannten Form, nämlich: „nach erfolgter Zuſtim-
mung der Bundesregierungen.“
2) Der Sächſ.-Oeſterreich. Eiſenbahn-Vertrag vom 29. September 1869,
in der Königl. Sächſ. Geſetzſammlung publicirt am 15. Mai 1871, begründet
nur Rechte Sachſens im Böhmiſchen Gebiet, keine Beſchränkungen der Sächſ.
Gebietshoheit zu Gunſten Oeſterreichs. Die Eiſenbahnverträge mit dem Aus-
13*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |