Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfassung. satz enthalte, der für den Richter nicht anwendbar sei, sondernerst durch Ausführungsgesetze anwendbar gemacht werden müsse 1). Dies ist unrichtig; der Art. 3 war kraft des ersten von uns Aber ebenso wenig hat der Art. 3 die Verschiedenheit Es bleibt ferner für die Ausübung der staatsbürgerlichen 1) Diese Ansicht entwickelt ausführlich v. Groß im Gerichtssaal Bd. 19 (1867) S. 329 ff., bes. 340 und ein Erk. des Appellations-Gerichts zu Gotha in Goltdammer's Archiv Bd. XVI. S. 472. 2) z. B. die Verpflichtung der Ausländer, Kaution für Prozeßkosten zu erlegen, die Eigenschaft eines Ausländers als causa arresti, ferner namentlich die Zulässigkeit, Ausländer aus dem Lande zu verweisen. Vgl. die "Zusammenstellung der Streitfragen," welche dem oben S. 177 Anm. 2 erwähnten Ausschußbericht beigegeben ist, in Hirth's Annalen II. S. 25 fg. Auch die nur für Ausländer begründeten besonderen Gerichts- stände sind für Reichsangehörige nicht mehr maaßgebend. Urth. des Reichs- Oberhandels-Gerichts Bd. 2 S. 206 ff., Bd. 3 S. 395 ff., Bd. 5 S. 368, Bd. 12 S. 138 ff., Bd. 15 S. 1 ff. Der in den Fürstenthümern Schwarzburg bestehende Territorial-Retract wird von den Landesgerich- ten für aufgehoben erachtet (Hirth's Annalen II. S. 28 Nr. 11); der in Mecklenburg bestehende Orts-Einwohner-Retract (ex iure incolatus) bleibt von Art. 3 unberührt. Böhlau Heimathsrecht S. 28. 3) Eine Vertheidigung der hier bekämpften Ansicht hat namentlich in Be- ziehung auf die strafprozessualischen Kompetenz-Regeln versucht Spinola in Goltdammer's Archiv Bd. XX. S. 321 ff. Gegen ihn erklären sich mit aus- führlicher Widerlegung seiner Gründe Schwarze und Francke ebendaselbst Bd. XXI. S. 64 fg. u. S. 73 ff. 12*
§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung. ſatz enthalte, der für den Richter nicht anwendbar ſei, ſondernerſt durch Ausführungsgeſetze anwendbar gemacht werden müſſe 1). Dies iſt unrichtig; der Art. 3 war kraft des erſten von uns Aber ebenſo wenig hat der Art. 3 die Verſchiedenheit Es bleibt ferner für die Ausübung der ſtaatsbürgerlichen 1) Dieſe Anſicht entwickelt ausführlich v. Groß im Gerichtsſaal Bd. 19 (1867) S. 329 ff., beſ. 340 und ein Erk. des Appellations-Gerichts zu Gotha in Goltdammer’s Archiv Bd. XVI. S. 472. 2) z. B. die Verpflichtung der Ausländer, Kaution für Prozeßkoſten zu erlegen, die Eigenſchaft eines Ausländers als causa arresti, ferner namentlich die Zuläſſigkeit, Ausländer aus dem Lande zu verweiſen. Vgl. die „Zuſammenſtellung der Streitfragen,“ welche dem oben S. 177 Anm. 2 erwähnten Ausſchußbericht beigegeben iſt, in Hirth’s Annalen II. S. 25 fg. Auch die nur für Ausländer begründeten beſonderen Gerichts- ſtände ſind für Reichsangehörige nicht mehr maaßgebend. Urth. des Reichs- Oberhandels-Gerichts Bd. 2 S. 206 ff., Bd. 3 S. 395 ff., Bd. 5 S. 368, Bd. 12 S. 138 ff., Bd. 15 S. 1 ff. Der in den Fürſtenthümern Schwarzburg beſtehende Territorial-Retract wird von den Landesgerich- ten für aufgehoben erachtet (Hirth’s Annalen II. S. 28 Nr. 11); der in Mecklenburg beſtehende Orts-Einwohner-Retract (ex iure incolatus) bleibt von Art. 3 unberührt. Böhlau Heimathsrecht S. 28. 3) Eine Vertheidigung der hier bekämpften Anſicht hat namentlich in Be- ziehung auf die ſtrafprozeſſualiſchen Kompetenz-Regeln verſucht Spinola in Goltdammer’s Archiv Bd. XX. S. 321 ff. Gegen ihn erklären ſich mit aus- führlicher Widerlegung ſeiner Gründe Schwarze und Francke ebendaſelbſt Bd. XXI. S. 64 fg. u. S. 73 ff. 12*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0199" n="179"/><fw place="top" type="header">§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.</fw><lb/> ſatz enthalte, der für den Richter nicht anwendbar ſei, ſondern<lb/> erſt durch Ausführungsgeſetze anwendbar gemacht werden müſſe <note place="foot" n="1)">Dieſe Anſicht entwickelt ausführlich v. <hi rendition="#g">Groß</hi> im Gerichtsſaal Bd. 19<lb/> (1867) S. 329 ff., beſ. 340 und ein Erk. des <hi rendition="#g">Appellations-Gerichts<lb/> zu Gotha</hi> in <hi rendition="#g">Goltdammer</hi>’s Archiv Bd. <hi rendition="#aq">XVI.</hi> S. 472.</note>.</p><lb/> <p>Dies iſt unrichtig; der Art. 3 war kraft des erſten von uns<lb/> entwickelten, in ihm enthaltenen Satzes ſofort anwendbar; er hob<lb/> in der That eine Reihe von Vorſchriften aller deutſchen Partikular-<lb/> rechte theilweiſe (nämlich in Anſehung der Angehörigen der übrigen<lb/> Bundesſtaaten) auf <note place="foot" n="2)">z. B. die Verpflichtung der <hi rendition="#g">Ausländer</hi>, Kaution für Prozeßkoſten<lb/> zu erlegen, die Eigenſchaft eines <hi rendition="#g">Ausländers</hi> als <hi rendition="#aq">causa arresti,</hi> ferner<lb/> namentlich die Zuläſſigkeit, <hi rendition="#g">Ausländer</hi> aus dem Lande zu verweiſen. Vgl.<lb/> die <hi rendition="#g">„Zuſammenſtellung der Streitfragen,“</hi> welche dem oben<lb/> S. 177 Anm. 2 erwähnten Ausſchußbericht beigegeben iſt, in <hi rendition="#g">Hirth</hi>’s Annalen <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> S. 25 fg. Auch die nur für <hi rendition="#g">Ausländer</hi> begründeten beſonderen Gerichts-<lb/> ſtände ſind für Reichsangehörige nicht mehr maaßgebend. Urth. des <hi rendition="#g">Reichs-<lb/> Oberhandels-Gerichts</hi> Bd. 2 S. 206 ff., Bd. 3 S. 395 ff., Bd. 5<lb/> S. 368, Bd. 12 S. 138 ff., Bd. 15 S. 1 ff. Der in den Fürſtenthümern<lb/> Schwarzburg beſtehende <hi rendition="#g">Territorial</hi>-Retract wird von den Landesgerich-<lb/> ten für aufgehoben erachtet (<hi rendition="#g">Hirth</hi>’s Annalen <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 28 Nr. 11); der in<lb/><hi rendition="#g">Mecklenburg</hi> beſtehende Orts-Einwohner-Retract <hi rendition="#aq">(ex iure incolatus)</hi> bleibt<lb/> von Art. 3 unberührt. <hi rendition="#g">Böhlau</hi> Heimathsrecht S. 28.</note>.</p><lb/> <p>Aber ebenſo wenig hat der Art. 3 die <hi rendition="#g">Verſchiedenheit</hi><lb/> der einzelnen Partikularrechte hinweggeſchafft und einheitliches,<lb/> gleiches Recht an deren Stelle geſetzt; auch für den Angehörigen<lb/> des Reiches waren Rechtsſchutz und Rechtsverfolgung, Niederlaſſung<lb/> und Gewerbebetrieb nicht überall im Reich gleich geordnet, ſondern<lb/> er begegnete überall denjenigen Bedingungen und Beſchränkungen,<lb/> welche das Landesrecht aufſtellt <note place="foot" n="3)">Eine Vertheidigung der hier bekämpften Anſicht hat namentlich in Be-<lb/> ziehung auf die ſtrafprozeſſualiſchen Kompetenz-Regeln verſucht <hi rendition="#g">Spinola</hi> in<lb/> Goltdammer’s Archiv Bd. <hi rendition="#aq">XX.</hi> S. 321 ff. Gegen ihn erklären ſich mit aus-<lb/> führlicher Widerlegung ſeiner Gründe <hi rendition="#g">Schwarze</hi> und <hi rendition="#g">Francke</hi> ebendaſelbſt<lb/> Bd. <hi rendition="#aq">XXI.</hi> S. 64 fg. u. S. 73 ff.</note>.</p><lb/> <p>Es bleibt ferner für die Ausübung der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Rechte im eigentlichen Wortſinne das Staatsbürgerrecht des betref-<lb/> fenden Staates nach Maaßgabe des Landesſtaatsrechts Voraus-<lb/> ſetzung; der Art. 3 ſtellt in dieſer Hinſicht die Reichsangehörigen<lb/> nicht in der Art einander gleich, daß „die Angehörigen des einen<lb/> Bundesſtaates zugleich als Angehörige der andern Bundesſtaaten<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0199]
§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.
ſatz enthalte, der für den Richter nicht anwendbar ſei, ſondern
erſt durch Ausführungsgeſetze anwendbar gemacht werden müſſe 1).
Dies iſt unrichtig; der Art. 3 war kraft des erſten von uns
entwickelten, in ihm enthaltenen Satzes ſofort anwendbar; er hob
in der That eine Reihe von Vorſchriften aller deutſchen Partikular-
rechte theilweiſe (nämlich in Anſehung der Angehörigen der übrigen
Bundesſtaaten) auf 2).
Aber ebenſo wenig hat der Art. 3 die Verſchiedenheit
der einzelnen Partikularrechte hinweggeſchafft und einheitliches,
gleiches Recht an deren Stelle geſetzt; auch für den Angehörigen
des Reiches waren Rechtsſchutz und Rechtsverfolgung, Niederlaſſung
und Gewerbebetrieb nicht überall im Reich gleich geordnet, ſondern
er begegnete überall denjenigen Bedingungen und Beſchränkungen,
welche das Landesrecht aufſtellt 3).
Es bleibt ferner für die Ausübung der ſtaatsbürgerlichen
Rechte im eigentlichen Wortſinne das Staatsbürgerrecht des betref-
fenden Staates nach Maaßgabe des Landesſtaatsrechts Voraus-
ſetzung; der Art. 3 ſtellt in dieſer Hinſicht die Reichsangehörigen
nicht in der Art einander gleich, daß „die Angehörigen des einen
Bundesſtaates zugleich als Angehörige der andern Bundesſtaaten
1) Dieſe Anſicht entwickelt ausführlich v. Groß im Gerichtsſaal Bd. 19
(1867) S. 329 ff., beſ. 340 und ein Erk. des Appellations-Gerichts
zu Gotha in Goltdammer’s Archiv Bd. XVI. S. 472.
2) z. B. die Verpflichtung der Ausländer, Kaution für Prozeßkoſten
zu erlegen, die Eigenſchaft eines Ausländers als causa arresti, ferner
namentlich die Zuläſſigkeit, Ausländer aus dem Lande zu verweiſen. Vgl.
die „Zuſammenſtellung der Streitfragen,“ welche dem oben
S. 177 Anm. 2 erwähnten Ausſchußbericht beigegeben iſt, in Hirth’s Annalen II.
S. 25 fg. Auch die nur für Ausländer begründeten beſonderen Gerichts-
ſtände ſind für Reichsangehörige nicht mehr maaßgebend. Urth. des Reichs-
Oberhandels-Gerichts Bd. 2 S. 206 ff., Bd. 3 S. 395 ff., Bd. 5
S. 368, Bd. 12 S. 138 ff., Bd. 15 S. 1 ff. Der in den Fürſtenthümern
Schwarzburg beſtehende Territorial-Retract wird von den Landesgerich-
ten für aufgehoben erachtet (Hirth’s Annalen II. S. 28 Nr. 11); der in
Mecklenburg beſtehende Orts-Einwohner-Retract (ex iure incolatus) bleibt
von Art. 3 unberührt. Böhlau Heimathsrecht S. 28.
3) Eine Vertheidigung der hier bekämpften Anſicht hat namentlich in Be-
ziehung auf die ſtrafprozeſſualiſchen Kompetenz-Regeln verſucht Spinola in
Goltdammer’s Archiv Bd. XX. S. 321 ff. Gegen ihn erklären ſich mit aus-
führlicher Widerlegung ſeiner Gründe Schwarze und Francke ebendaſelbſt
Bd. XXI. S. 64 fg. u. S. 73 ff.
12*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |