Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfassung. Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsamesIndigenat mit der Wirkung, daß der Ange- hörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln ist. Dieses Indigenat ist in der Literatur fast durchweg mit dem Aus den einzelnen Consequenzen dieses Prinzips hat man Dies ist unrichtig. Ein subjectives, individuelles Recht be- Ueber die Voraussetzungen und Bedingungen der Niederlassung, 1) Riedel S. 85 fg. u. v. Pözl S. 7 ff. unterscheiden zwar im An-
schluß an die im Bayerischen Staatsrecht längst übliche Auseinanderhaltung von Indigenat und Staatsbürgerrecht dem Begriffe nach richtig das Reichs- indigenat von den reichsbürgerlichen Rechten und Pflichten, nicht aber in Hinsicht auf den Inhalt beider. §. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung. Für ganz Deutſchland beſteht ein gemeinſamesIndigenat mit der Wirkung, daß der Ange- hörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesſtaates in jedem anderen Bundesſtaate als Inländer zu behandeln iſt. Dieſes Indigenat iſt in der Literatur faſt durchweg mit dem Aus den einzelnen Conſequenzen dieſes Prinzips hat man Dies iſt unrichtig. Ein ſubjectives, individuelles Recht be- Ueber die Vorausſetzungen und Bedingungen der Niederlaſſung, 1) Riedel S. 85 fg. u. v. Pözl S. 7 ff. unterſcheiden zwar im An-
ſchluß an die im Bayeriſchen Staatsrecht längſt übliche Auseinanderhaltung von Indigenat und Staatsbürgerrecht dem Begriffe nach richtig das Reichs- indigenat von den reichsbürgerlichen Rechten und Pflichten, nicht aber in Hinſicht auf den Inhalt beider. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0196" n="176"/> <fw place="top" type="header">§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.</fw><lb/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Für ganz Deutſchland beſteht ein gemeinſames<lb/> Indigenat mit der Wirkung, daß der Ange-<lb/> hörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden<lb/> Bundesſtaates in jedem anderen Bundesſtaate<lb/> als Inländer zu behandeln iſt</hi>.</hi> </p><lb/> <p>Dieſes Indigenat iſt in der Literatur faſt durchweg mit dem<lb/> Reichsbürgerrecht identifizirt worden und man hat vorzugsweiſe<lb/> in ihm den Inhalt des Reichsbürgerrechts zu finden geglaubt <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Riedel</hi> S. 85 fg. u. v. <hi rendition="#g">Pözl</hi> S. 7 ff. unterſcheiden zwar im An-<lb/> ſchluß an die im Bayeriſchen Staatsrecht längſt übliche Auseinanderhaltung<lb/> von Indigenat und Staatsbürgerrecht dem Begriffe nach richtig das Reichs-<lb/> indigenat von den reichsbürgerlichen Rechten und Pflichten, nicht aber in Hinſicht<lb/> auf den Inhalt beider.</note>.</p><lb/> <p>Aus den einzelnen Conſequenzen dieſes Prinzips hat man<lb/> reichsbürgerliche Grundrechte gemacht, namentlich das Recht zum<lb/> Wohnſitz, zum Gewerbebetrieb, zur Erwerbung von Grundſtü-<lb/> cken u. ſ. w.</p><lb/> <p>Dies iſt unrichtig. Ein ſubjectives, individuelles Recht be-<lb/> gründet der Art. 3 überhaupt gar nicht; auch dann nicht, wenn<lb/> man ſelbſt zugeben könnte, daß die <hi rendition="#g">Aufhebung von Be-<lb/> ſchränkungen</hi> der <hi rendition="#g">natürlichen</hi> Handlungsfähigkeit, z. B.<lb/> die ſogen. Zugfreiheit, Gewerbefreiheit, Preßfreiheit u. ſ. w.<lb/> als ſubjective Rechte der Einzelnen logiſch gedacht werden können.<lb/> Denn der Art. 3 enthält auch hiervon Nichts. Er ſagt nicht, jeder<lb/> Deutſche hat das Recht zum feſten Wohnſitz, zum Gewerbebetriebe<lb/> u. ſ. w. im ganzen Bundesgebiet; ſondern als Conſequenzen des<lb/> durch ihn begründeten Indigenats hebt er hervor, daß der Ange-<lb/> hörige eines jeden Bundesſtaates in jedem andern Bundesſtaate<lb/><hi rendition="#et">„zum feſten Wohnſitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen<lb/> Aemtern, zur Erwerbung von Grundſtücken, zur Erlangung<lb/> des Staatsbürgerrechtes und zum Genuſſe aller ſonſtigen<lb/> bürgerlichen Rechte <hi rendition="#g">unter denſelben Vorausſe-<lb/> tzungen wie der Einheimiſche</hi> zuzulaſſen, auch in<lb/> Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsſchutzes <hi rendition="#g">dem-<lb/> ſelben gleich</hi> zu behandeln iſt.</hi></p><lb/> <p>Ueber die Vorausſetzungen und Bedingungen der Niederlaſſung,<lb/> des Gewerbebetriebes, der Anſtellung im Staatsdienſt, der Rechts-<lb/> verfolgung und des Rechtsſchutzes u. ſ. w. enthält der Art. 3 der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0196]
§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.
Für ganz Deutſchland beſteht ein gemeinſames
Indigenat mit der Wirkung, daß der Ange-
hörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden
Bundesſtaates in jedem anderen Bundesſtaate
als Inländer zu behandeln iſt.
Dieſes Indigenat iſt in der Literatur faſt durchweg mit dem
Reichsbürgerrecht identifizirt worden und man hat vorzugsweiſe
in ihm den Inhalt des Reichsbürgerrechts zu finden geglaubt 1).
Aus den einzelnen Conſequenzen dieſes Prinzips hat man
reichsbürgerliche Grundrechte gemacht, namentlich das Recht zum
Wohnſitz, zum Gewerbebetrieb, zur Erwerbung von Grundſtü-
cken u. ſ. w.
Dies iſt unrichtig. Ein ſubjectives, individuelles Recht be-
gründet der Art. 3 überhaupt gar nicht; auch dann nicht, wenn
man ſelbſt zugeben könnte, daß die Aufhebung von Be-
ſchränkungen der natürlichen Handlungsfähigkeit, z. B.
die ſogen. Zugfreiheit, Gewerbefreiheit, Preßfreiheit u. ſ. w.
als ſubjective Rechte der Einzelnen logiſch gedacht werden können.
Denn der Art. 3 enthält auch hiervon Nichts. Er ſagt nicht, jeder
Deutſche hat das Recht zum feſten Wohnſitz, zum Gewerbebetriebe
u. ſ. w. im ganzen Bundesgebiet; ſondern als Conſequenzen des
durch ihn begründeten Indigenats hebt er hervor, daß der Ange-
hörige eines jeden Bundesſtaates in jedem andern Bundesſtaate
„zum feſten Wohnſitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen
Aemtern, zur Erwerbung von Grundſtücken, zur Erlangung
des Staatsbürgerrechtes und zum Genuſſe aller ſonſtigen
bürgerlichen Rechte unter denſelben Vorausſe-
tzungen wie der Einheimiſche zuzulaſſen, auch in
Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsſchutzes dem-
ſelben gleich zu behandeln iſt.
Ueber die Vorausſetzungen und Bedingungen der Niederlaſſung,
des Gewerbebetriebes, der Anſtellung im Staatsdienſt, der Rechts-
verfolgung und des Rechtsſchutzes u. ſ. w. enthält der Art. 3 der
1) Riedel S. 85 fg. u. v. Pözl S. 7 ff. unterſcheiden zwar im An-
ſchluß an die im Bayeriſchen Staatsrecht längſt übliche Auseinanderhaltung
von Indigenat und Staatsbürgerrecht dem Begriffe nach richtig das Reichs-
indigenat von den reichsbürgerlichen Rechten und Pflichten, nicht aber in Hinſicht
auf den Inhalt beider.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |