Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 18. Der Verlust der Staatsangehörigkeit. lassung nur dann ertheilt werden, wenn sie nachweisen, daß siein einem andern Bundesstaate die Staatsangehörigkeit erworben haben. Von dieser Vorschrift darf kein Staat dispensiren, ande- rerseits darf er die Entlassung nicht verweigern oder an erschwerte Bedingungen knüpfen (§. 17), auch für die Ertheilung der Ent- lassungs-Urkunde nicht mehr als höchstens einen Thaler an Ge- bühren erheben (§. 24 Abs. 2) 1). Ferner ermächtigt das Gesetz den Kaiser, für die Zeit eines III. Die Staatsangehörigkeit kann verloren gehen für einen stehenden Heere oder zur Flotte gehören, Offiziere des Beurlaubtenstandes und Beamte, bevor sie aus dem Dienste entlassen sind. 3) Die zur Reserve des stehenden Heeres oder zur Flotte und die zur Landwehr und Seewehr ge- hörigen und nicht als Offiziere angestellten Personen, nachdem sie zum activen Dienst einberufen worden sind. Vgl. ferner Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 §. 60 (R.-G.-Bl. S. 61.) 1) Man nennt diese, den Einzelstaaten gegebene Rechtsnorm bisweilen die "Auswanderungs-Freiheit" und stempelt sie zu einem sogen. Grundrecht. 2) Das Gesetz knüpft den Verlust an den 10 jährigen Aufenthalt, auch ohne daß ein neuer Wohnsitz begründet wird, also an ein rein thatsäch- liches Verhältniß. Daher kömmt die Willens- und Handlungs fähigkeit nicht in Betracht, welche wol für die Niederlassung, nicht aber für den Aufent- halt erforderlich ist. Demgemäß fehlt es an jedem Grunde, für Minder- jährige die Frist erst mit dem Eintritt der Vollfährigkeit beginnen zu lassen, wie Landgraff S. 645 annimmt. Man muß im Gegentheil sogar auch für Geisteskranke an den 10 jährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande den Verlust der Staatsangehörigkeit knüpfen. 3) Den Landesregierungen ist die Festsetzung ihrer Gültigkeits-Dauer überlassen. 4) Vgl. Konsulats-Gesetz v. 8. Nov. 1867 §. 12 (R.-G.-Bl. S. 139).
§. 18. Der Verluſt der Staatsangehörigkeit. laſſung nur dann ertheilt werden, wenn ſie nachweiſen, daß ſiein einem andern Bundesſtaate die Staatsangehörigkeit erworben haben. Von dieſer Vorſchrift darf kein Staat dispenſiren, ande- rerſeits darf er die Entlaſſung nicht verweigern oder an erſchwerte Bedingungen knüpfen (§. 17), auch für die Ertheilung der Ent- laſſungs-Urkunde nicht mehr als höchſtens einen Thaler an Ge- bühren erheben (§. 24 Abſ. 2) 1). Ferner ermächtigt das Geſetz den Kaiſer, für die Zeit eines III. Die Staatsangehörigkeit kann verloren gehen für einen ſtehenden Heere oder zur Flotte gehören, Offiziere des Beurlaubtenſtandes und Beamte, bevor ſie aus dem Dienſte entlaſſen ſind. 3) Die zur Reſerve des ſtehenden Heeres oder zur Flotte und die zur Landwehr und Seewehr ge- hörigen und nicht als Offiziere angeſtellten Perſonen, nachdem ſie zum activen Dienſt einberufen worden ſind. Vgl. ferner Reichsmilitärgeſetz vom 2. Mai 1874 §. 60 (R.-G.-Bl. S. 61.) 1) Man nennt dieſe, den Einzelſtaaten gegebene Rechtsnorm bisweilen die „Auswanderungs-Freiheit“ und ſtempelt ſie zu einem ſogen. Grundrecht. 2) Das Geſetz knüpft den Verluſt an den 10 jährigen Aufenthalt, auch ohne daß ein neuer Wohnſitz begründet wird, alſo an ein rein thatſäch- liches Verhältniß. Daher kömmt die Willens- und Handlungs fähigkeit nicht in Betracht, welche wol für die Niederlaſſung, nicht aber für den Aufent- halt erforderlich iſt. Demgemäß fehlt es an jedem Grunde, für Minder- jährige die Friſt erſt mit dem Eintritt der Vollfährigkeit beginnen zu laſſen, wie Landgraff S. 645 annimmt. Man muß im Gegentheil ſogar auch für Geiſteskranke an den 10 jährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande den Verluſt der Staatsangehörigkeit knüpfen. 3) Den Landesregierungen iſt die Feſtſetzung ihrer Gültigkeits-Dauer überlaſſen. 4) Vgl. Konſulats-Geſetz v. 8. Nov. 1867 §. 12 (R.-G.-Bl. S. 139).
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§. 18. Der Verluſt der Staatsangehörigkeit.
laſſung nur dann ertheilt werden, wenn ſie nachweiſen, daß ſie
in einem andern Bundesſtaate die Staatsangehörigkeit erworben
haben. Von dieſer Vorſchrift darf kein Staat dispenſiren, ande-
rerſeits darf er die Entlaſſung nicht verweigern oder an erſchwerte
Bedingungen knüpfen (§. 17), auch für die Ertheilung der Ent-
laſſungs-Urkunde nicht mehr als höchſtens einen Thaler an Ge-
bühren erheben (§. 24 Abſ. 2) 1).
Ferner ermächtigt das Geſetz den Kaiſer, für die Zeit eines
Krieges oder einer Kriegsgefahr im Wege der Verordnung beſon-
dere Beſtimmungen zu erlaſſen. (§. 17).
III. Die Staatsangehörigkeit kann verloren gehen für einen
Deutſchen, wenn er ſich zehn Jahre lang ununterbrochen im
Auslande aufhält. Dieſer Erlöſchungsgrund qualifizirt ſich
juriſtiſch als Nichtgebrauch 2). So lange der Abweſende ſeine
Staatsangehörigkeit manifeſtirt, tritt der Erlöſchungsgrund nicht
ein; daher beginnt die Friſt, wenn der Austretende ſich im Beſitze
eines Reiſepapieres oder Heimathsſcheines befindet, erſt mit dem
Ablauf dieſer Papiere 3); ſie wird unterbrochen, wenn ſich der
Abweſende in die Matrikel eines Bundeskonſulats eintragen läßt,
und ihr Lauf beginnt von Neuem erſt mit dem auf die Löſchung
in der Matrikel folgenden Tage. (§. 21 Abſ. 1) 4). Der Verluſt
3)
1) Man nennt dieſe, den Einzelſtaaten gegebene Rechtsnorm bisweilen die
„Auswanderungs-Freiheit“ und ſtempelt ſie zu einem ſogen. Grundrecht.
2) Das Geſetz knüpft den Verluſt an den 10 jährigen Aufenthalt, auch
ohne daß ein neuer Wohnſitz begründet wird, alſo an ein rein thatſäch-
liches Verhältniß. Daher kömmt die Willens- und Handlungs fähigkeit
nicht in Betracht, welche wol für die Niederlaſſung, nicht aber für den Aufent-
halt erforderlich iſt. Demgemäß fehlt es an jedem Grunde, für Minder-
jährige die Friſt erſt mit dem Eintritt der Vollfährigkeit beginnen zu laſſen,
wie Landgraff S. 645 annimmt. Man muß im Gegentheil ſogar auch für
Geiſteskranke an den 10 jährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande
den Verluſt der Staatsangehörigkeit knüpfen.
3) Den Landesregierungen iſt die Feſtſetzung ihrer Gültigkeits-Dauer
überlaſſen.
4) Vgl. Konſulats-Geſetz v. 8. Nov. 1867 §. 12 (R.-G.-Bl. S. 139).
3) ſtehenden Heere oder zur Flotte gehören, Offiziere des Beurlaubtenſtandes und
Beamte, bevor ſie aus dem Dienſte entlaſſen ſind. 3) Die zur Reſerve des
ſtehenden Heeres oder zur Flotte und die zur Landwehr und Seewehr ge-
hörigen und nicht als Offiziere angeſtellten Perſonen, nachdem ſie zum activen
Dienſt einberufen worden ſind. Vgl. ferner Reichsmilitärgeſetz vom
2. Mai 1874 §. 60 (R.-G.-Bl. S. 61.)
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