Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. Schon dieses Prinzip würde genügen, um feindliche Handlungengegen irgend einen Bundesstaat und Beleidigung irgend eines Bundesfürsten unter Strafe zn stellen. Die bundesstaatliche Eini- gung derselben hat aber noch weiter gehende Folgen. Die übrigen Gliedstaaten außer demjenigen, welchem der Thäter angehört, sind mehr als befreundete Staaten, sie sind verbündete d. h. Theile des gesammtstaatlichen Organismus 1). Daraus folgt zunächst der Wegfall der Bedingung der Reciprozität. Durch das gemeine Strafgesetz, welches allgemein die feindliche Handlung gegen jeden zum Bunde gehörenden Staat und die Beleidigung der Bundesfürsten mit Strafe bedroht, ist diese Bedingung von selbst erfüllt. Ueberdies rechtfertigt sich aber auch eine höhere Normirung des Strafmaaßes durch das enge staatsrechtliche und nationale Band, welches die Gliedstaaten umschlingt, durch die höhere Gemeinsamkeit der Interessen, welche unter ihnen besteht, durch die größere Entwicklung des Verkehrs unter ihren Angehö- rigen und durch den Antheil, welchen die Landesherren aller ein- zelnen Staaten an der Reichsgewalt haben 2). Es ergiebt sich daher hinsichtlich der Unterthanen des Reiches a) Der eigentliche Landesverrath und die eigentliche Majestäts- beleidigung richtet sich entweder gegen das Reich und dessen Oberhaupt oder gegen den eigenen Staat und dessen Lan- desherrn. Gleichgestellt ist der Staat und dessen Landes- herr in dessen Gebiet man sich unter dem Schutze desselben aufhält. (Siehe unten § 22. III.) b) Feindliche Handlungen gegen andere Bundesstaaten oder Beleidigungen anderer Bundesfürsten, als der unter a) ge- nannten. 1) Vgl. Schwarze Kommentar zum St.-G.-B. Allgem. Bemerk. zu §§. 80--93. John a. a. O. III. 1. S. 5. 2) Eine völlige Gleichstellung des Hoch- und Landesverrathes gegen den
eigenen Staat mit dem (Quasi-) Hoch- u. Landesverrath gegen einen andern Deutschen Staat ist dadurch aber noch nicht geboten. Was John a. a. O. S. 7 ff. in dieser Richtung ausführt, ist von der Idee des Einheitsstaates, nicht der des Bundesstaates beherrscht. Andererseits geht Knitschky a. a. O. S. 127. 128 ganz fehl, wenn er meint, daß das Verhältniß zwischen den einzel- nen Gliedern des Reiches nur als ein völkerrechtliches aufgefaßt werden kann. §. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. Schon dieſes Prinzip würde genügen, um feindliche Handlungengegen irgend einen Bundesſtaat und Beleidigung irgend eines Bundesfürſten unter Strafe zn ſtellen. Die bundesſtaatliche Eini- gung derſelben hat aber noch weiter gehende Folgen. Die übrigen Gliedſtaaten außer demjenigen, welchem der Thäter angehört, ſind mehr als befreundete Staaten, ſie ſind verbündete d. h. Theile des geſammtſtaatlichen Organismus 1). Daraus folgt zunächſt der Wegfall der Bedingung der Reciprozität. Durch das gemeine Strafgeſetz, welches allgemein die feindliche Handlung gegen jeden zum Bunde gehörenden Staat und die Beleidigung der Bundesfürſten mit Strafe bedroht, iſt dieſe Bedingung von ſelbſt erfüllt. Ueberdies rechtfertigt ſich aber auch eine höhere Normirung des Strafmaaßes durch das enge ſtaatsrechtliche und nationale Band, welches die Gliedſtaaten umſchlingt, durch die höhere Gemeinſamkeit der Intereſſen, welche unter ihnen beſteht, durch die größere Entwicklung des Verkehrs unter ihren Angehö- rigen und durch den Antheil, welchen die Landesherren aller ein- zelnen Staaten an der Reichsgewalt haben 2). Es ergiebt ſich daher hinſichtlich der Unterthanen des Reiches a) Der eigentliche Landesverrath und die eigentliche Majeſtäts- beleidigung richtet ſich entweder gegen das Reich und deſſen Oberhaupt oder gegen den eigenen Staat und deſſen Lan- desherrn. Gleichgeſtellt iſt der Staat und deſſen Landes- herr in deſſen Gebiet man ſich unter dem Schutze deſſelben aufhält. (Siehe unten § 22. III.) b) Feindliche Handlungen gegen andere Bundesſtaaten oder Beleidigungen anderer Bundesfürſten, als der unter a) ge- nannten. 1) Vgl. Schwarze Kommentar zum St.-G.-B. Allgem. Bemerk. zu §§. 80—93. John a. a. O. III. 1. S. 5. 2) Eine völlige Gleichſtellung des Hoch- und Landesverrathes gegen den
eigenen Staat mit dem (Quaſi-) Hoch- u. Landesverrath gegen einen andern Deutſchen Staat iſt dadurch aber noch nicht geboten. Was John a. a. O. S. 7 ff. in dieſer Richtung ausführt, iſt von der Idee des Einheitsſtaates, nicht der des Bundesſtaates beherrſcht. Andererſeits geht Knitſchky a. a. O. S. 127. 128 ganz fehl, wenn er meint, daß das Verhältniß zwiſchen den einzel- nen Gliedern des Reiches nur als ein völkerrechtliches aufgefaßt werden kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0161" n="141"/><fw place="top" type="header">§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.</fw><lb/> Schon dieſes Prinzip würde genügen, um feindliche Handlungen<lb/> gegen irgend einen Bundesſtaat und Beleidigung irgend eines<lb/> Bundesfürſten unter Strafe zn ſtellen. Die bundesſtaatliche Eini-<lb/> gung derſelben hat aber noch weiter gehende Folgen. Die übrigen<lb/> Gliedſtaaten außer demjenigen, welchem der Thäter angehört, ſind<lb/> mehr als befreundete Staaten, ſie ſind verbündete d. h. Theile<lb/> des geſammtſtaatlichen Organismus <note place="foot" n="1)">Vgl. <hi rendition="#g">Schwarze</hi> Kommentar zum St.-G.-B. Allgem. Bemerk. zu<lb/> §§. 80—93. <hi rendition="#g">John</hi> a. a. O. <hi rendition="#aq">III.</hi> 1. S. 5.</note>. Daraus folgt zunächſt <hi rendition="#g">der<lb/> Wegfall der Bedingung der Reciprozität</hi>. Durch das<lb/> gemeine Strafgeſetz, welches allgemein die feindliche Handlung<lb/> gegen jeden zum Bunde gehörenden Staat und die Beleidigung<lb/> der Bundesfürſten mit Strafe bedroht, iſt dieſe Bedingung von<lb/> ſelbſt erfüllt. Ueberdies rechtfertigt ſich aber auch eine höhere<lb/> Normirung des Strafmaaßes durch das enge ſtaatsrechtliche und<lb/> nationale Band, welches die Gliedſtaaten umſchlingt, durch die<lb/> höhere Gemeinſamkeit der Intereſſen, welche unter ihnen beſteht,<lb/> durch die größere Entwicklung des Verkehrs unter ihren Angehö-<lb/> rigen und durch den Antheil, welchen die Landesherren aller ein-<lb/> zelnen Staaten an der Reichsgewalt haben <note place="foot" n="2)">Eine völlige Gleichſtellung des Hoch- und Landesverrathes gegen den<lb/> eigenen Staat mit dem (Quaſi-) Hoch- u. Landesverrath gegen einen andern<lb/> Deutſchen Staat iſt dadurch aber noch nicht geboten. Was <hi rendition="#g">John</hi> a. a. O.<lb/> S. 7 ff. in dieſer Richtung ausführt, iſt von der Idee des Einheitsſtaates,<lb/> nicht der des Bundesſtaates beherrſcht. Andererſeits geht <hi rendition="#g">Knitſchky</hi> a. a. O.<lb/> S. 127. 128 ganz fehl, wenn er meint, daß das Verhältniß zwiſchen den einzel-<lb/> nen Gliedern des Reiches nur als ein völkerrechtliches aufgefaßt werden kann.</note>.</p><lb/> <p>Es ergiebt ſich daher hinſichtlich der Unterthanen des Reiches<lb/> eine dreifache Abſtufung des Verbrechensbegriffs nach Maaßgabe<lb/> der Staats-Angehörigkeit:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a</hi>) Der eigentliche Landesverrath und die eigentliche Majeſtäts-<lb/> beleidigung richtet ſich entweder gegen das Reich und deſſen<lb/> Oberhaupt oder gegen den eigenen Staat und deſſen Lan-<lb/> desherrn. Gleichgeſtellt iſt der Staat und deſſen Landes-<lb/> herr in deſſen Gebiet man ſich unter dem Schutze deſſelben<lb/> aufhält. (Siehe unten § 22. <hi rendition="#aq">III.</hi>)</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b</hi>) Feindliche Handlungen gegen andere Bundesſtaaten oder<lb/> Beleidigungen anderer Bundesfürſten, als der unter <hi rendition="#aq">a</hi>) ge-<lb/> nannten.</item> </list><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0161]
§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
Schon dieſes Prinzip würde genügen, um feindliche Handlungen
gegen irgend einen Bundesſtaat und Beleidigung irgend eines
Bundesfürſten unter Strafe zn ſtellen. Die bundesſtaatliche Eini-
gung derſelben hat aber noch weiter gehende Folgen. Die übrigen
Gliedſtaaten außer demjenigen, welchem der Thäter angehört, ſind
mehr als befreundete Staaten, ſie ſind verbündete d. h. Theile
des geſammtſtaatlichen Organismus 1). Daraus folgt zunächſt der
Wegfall der Bedingung der Reciprozität. Durch das
gemeine Strafgeſetz, welches allgemein die feindliche Handlung
gegen jeden zum Bunde gehörenden Staat und die Beleidigung
der Bundesfürſten mit Strafe bedroht, iſt dieſe Bedingung von
ſelbſt erfüllt. Ueberdies rechtfertigt ſich aber auch eine höhere
Normirung des Strafmaaßes durch das enge ſtaatsrechtliche und
nationale Band, welches die Gliedſtaaten umſchlingt, durch die
höhere Gemeinſamkeit der Intereſſen, welche unter ihnen beſteht,
durch die größere Entwicklung des Verkehrs unter ihren Angehö-
rigen und durch den Antheil, welchen die Landesherren aller ein-
zelnen Staaten an der Reichsgewalt haben 2).
Es ergiebt ſich daher hinſichtlich der Unterthanen des Reiches
eine dreifache Abſtufung des Verbrechensbegriffs nach Maaßgabe
der Staats-Angehörigkeit:
a) Der eigentliche Landesverrath und die eigentliche Majeſtäts-
beleidigung richtet ſich entweder gegen das Reich und deſſen
Oberhaupt oder gegen den eigenen Staat und deſſen Lan-
desherrn. Gleichgeſtellt iſt der Staat und deſſen Landes-
herr in deſſen Gebiet man ſich unter dem Schutze deſſelben
aufhält. (Siehe unten § 22. III.)
b) Feindliche Handlungen gegen andere Bundesſtaaten oder
Beleidigungen anderer Bundesfürſten, als der unter a) ge-
nannten.
1) Vgl. Schwarze Kommentar zum St.-G.-B. Allgem. Bemerk. zu
§§. 80—93. John a. a. O. III. 1. S. 5.
2) Eine völlige Gleichſtellung des Hoch- und Landesverrathes gegen den
eigenen Staat mit dem (Quaſi-) Hoch- u. Landesverrath gegen einen andern
Deutſchen Staat iſt dadurch aber noch nicht geboten. Was John a. a. O.
S. 7 ff. in dieſer Richtung ausführt, iſt von der Idee des Einheitsſtaates,
nicht der des Bundesſtaates beherrſcht. Andererſeits geht Knitſchky a. a. O.
S. 127. 128 ganz fehl, wenn er meint, daß das Verhältniß zwiſchen den einzel-
nen Gliedern des Reiches nur als ein völkerrechtliches aufgefaßt werden kann.
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