Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. angehören. Da die wesentlichsten politischen Interessen für alledieselben sind, so kann die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren deutschen Staaten keine erhebliche Collision der Pflichten der Treue und des Gehorsams begründen. Es fallen daher die aus der ethischen Natur des Staatsbürgerverhältnisses entnommenen Gründe, welche fast regelmäßig es ausschließen, daß Jemand gleichzeitig mehreren Staaten angehört 1), für die im deutschen Reich verbun- denen Staaten fort. § 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. Die Reichsangehörigen haben gegen das Reich dieselben Pflich- 1. Die Gehorsamspflicht. Das Wesen der Zugehörigkeit zu einem staatlichen Organis- 1) Vgl. v. Martitz in Hirth's Annalen 1875 S. 805. 2) Diese Auffassung u. jurist. Formulirung des Verhältnisses der Staats-
gewalt zur Person des Staatsbürgers ist mit voller Klarheit hingestellt wor- den von v. Gerber Grundz. §. 15--17. Sie hat mehrfachen Widerspruch erfahren, in der Tübinger Zeitschrift f. d. ges. Staatsw. Bd. 22 S. 434, in Haimerl's Oesterr. Vierteljahresschr. Bd. 17 (Literaturbl. S. 19 ff.), und namentlich von Schulze in Aegidi's Zeitschr. I. S. 424 ff. Hierauf hat v. Gerber in der zweiten Aufl. S. 222 ff. (Beilage II.) so meisterhaft replicirt, daß es genügt, auf diese Ausführungen hinzuweisen. Die Analogie auf privatrechtlichem Gebiete darf allerdings nicht in den Instituten des Sachenrechts, sondern nur in den Gewaltverhältnissen des Familien- rechts gesucht werden. §. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. angehören. Da die weſentlichſten politiſchen Intereſſen für alledieſelben ſind, ſo kann die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren deutſchen Staaten keine erhebliche Colliſion der Pflichten der Treue und des Gehorſams begründen. Es fallen daher die aus der ethiſchen Natur des Staatsbürgerverhältniſſes entnommenen Gründe, welche faſt regelmäßig es ausſchließen, daß Jemand gleichzeitig mehreren Staaten angehört 1), für die im deutſchen Reich verbun- denen Staaten fort. § 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen. Die Reichsangehörigen haben gegen das Reich dieſelben Pflich- 1. Die Gehorſamspflicht. Das Weſen der Zugehörigkeit zu einem ſtaatlichen Organis- 1) Vgl. v. Martitz in Hirth’s Annalen 1875 S. 805. 2) Dieſe Auffaſſung u. juriſt. Formulirung des Verhältniſſes der Staats-
gewalt zur Perſon des Staatsbürgers iſt mit voller Klarheit hingeſtellt wor- den von v. Gerber Grundz. §. 15—17. Sie hat mehrfachen Widerſpruch erfahren, in der Tübinger Zeitſchrift f. d. geſ. Staatsw. Bd. 22 S. 434, in Haimerl’s Oeſterr. Vierteljahresſchr. Bd. 17 (Literaturbl. S. 19 ff.), und namentlich von Schulze in Aegidi’s Zeitſchr. I. S. 424 ff. Hierauf hat v. Gerber in der zweiten Aufl. S. 222 ff. (Beilage II.) ſo meiſterhaft replicirt, daß es genügt, auf dieſe Ausführungen hinzuweiſen. Die Analogie auf privatrechtlichem Gebiete darf allerdings nicht in den Inſtituten des Sachenrechts, ſondern nur in den Gewaltverhältniſſen des Familien- rechts geſucht werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0157" n="317[137]"/><fw place="top" type="header">§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.</fw><lb/> angehören. Da die weſentlichſten politiſchen Intereſſen für alle<lb/> dieſelben ſind, ſo kann die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren<lb/> deutſchen Staaten keine erhebliche Colliſion der Pflichten der Treue<lb/> und des Gehorſams begründen. Es fallen daher die aus der<lb/> ethiſchen Natur des Staatsbürgerverhältniſſes entnommenen Gründe,<lb/> welche faſt regelmäßig es ausſchließen, daß Jemand gleichzeitig<lb/> mehreren Staaten angehört <note place="foot" n="1)">Vgl. v. <hi rendition="#g">Martitz</hi> in Hirth’s Annalen 1875 S. 805.</note>, für die im deutſchen Reich verbun-<lb/> denen Staaten fort.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§ 14. <hi rendition="#b">Die Pflichten der Reichsangehörigen.</hi></head><lb/> <p>Die Reichsangehörigen haben gegen das Reich dieſelben Pflich-<lb/> ten, welche in jedem Staate den Staatsangehörigen obliegen, näm-<lb/> lich zum verfaſſungsmäßigen <hi rendition="#g">Gehorſam</hi> und zur <hi rendition="#g">Treue</hi>.</p><lb/> <div n="4"> <head>1. <hi rendition="#g">Die Gehorſamspflicht</hi>.</head><lb/> <p>Das Weſen der Zugehörigkeit zu einem ſtaatlichen Organis-<lb/> mus beſteht in der Unterthanenſchaft, d. h. in der Unterwerfung<lb/> unter die obrigkeitliche Herrſchermacht. Der Bürger iſt als Ein-<lb/> zelner Object der obrigkeitlichen Rechte des Staates; die Willens-<lb/> ſphäre des Staates richtet ſich gegen ihn und verpflichtet ihn zu<lb/> Handlungen, Leiſtungen und Unterlaſſungen behufs Durchführung<lb/> der dem Staate obliegenden Aufgaben <note place="foot" n="2)">Dieſe Auffaſſung u. juriſt. Formulirung des Verhältniſſes der Staats-<lb/> gewalt zur Perſon des Staatsbürgers iſt mit voller Klarheit hingeſtellt wor-<lb/> den von v. <hi rendition="#g">Gerber</hi> Grundz. §. 15—17. Sie hat mehrfachen Widerſpruch<lb/> erfahren, in der <hi rendition="#g">Tübinger Zeitſchrift</hi> f. d. geſ. Staatsw. Bd. 22 S.<lb/> 434, in <hi rendition="#g">Haimerl</hi>’s Oeſterr. Vierteljahresſchr. Bd. 17 (Literaturbl. S. 19 ff.),<lb/> und namentlich von <hi rendition="#g">Schulze</hi> in <hi rendition="#g">Aegidi</hi>’s Zeitſchr. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 424 ff. Hierauf<lb/> hat v. <hi rendition="#g">Gerber</hi> in der zweiten Aufl. S. 222 ff. (Beilage <hi rendition="#aq">II.</hi>) ſo meiſterhaft<lb/> replicirt, daß es genügt, auf dieſe Ausführungen hinzuweiſen. Die Analogie<lb/> auf privatrechtlichem Gebiete darf allerdings nicht in den Inſtituten des<lb/><hi rendition="#g">Sachenrechts</hi>, ſondern nur in den Gewaltverhältniſſen des <hi rendition="#g">Familien-<lb/> rechts</hi> geſucht werden.</note>. Der Angehörige eines<lb/> deutſchen Staates iſt nun der Staatsgewalt ſeines Staates und<lb/> mit dieſem Staat der darüber ſtehenden, ſouveränen Gewalt des<lb/> Reiches unterthan. Daraus ergiebt ſich, <hi rendition="#g">daß der Inhalt des<lb/> Staatsbürgerrechts und der des Reichsbürgerrechts<lb/> ſich zu einander ganz ſo verhalten, wie die Kom-</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317[137]/0157]
§. 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
angehören. Da die weſentlichſten politiſchen Intereſſen für alle
dieſelben ſind, ſo kann die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren
deutſchen Staaten keine erhebliche Colliſion der Pflichten der Treue
und des Gehorſams begründen. Es fallen daher die aus der
ethiſchen Natur des Staatsbürgerverhältniſſes entnommenen Gründe,
welche faſt regelmäßig es ausſchließen, daß Jemand gleichzeitig
mehreren Staaten angehört 1), für die im deutſchen Reich verbun-
denen Staaten fort.
§ 14. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
Die Reichsangehörigen haben gegen das Reich dieſelben Pflich-
ten, welche in jedem Staate den Staatsangehörigen obliegen, näm-
lich zum verfaſſungsmäßigen Gehorſam und zur Treue.
1. Die Gehorſamspflicht.
Das Weſen der Zugehörigkeit zu einem ſtaatlichen Organis-
mus beſteht in der Unterthanenſchaft, d. h. in der Unterwerfung
unter die obrigkeitliche Herrſchermacht. Der Bürger iſt als Ein-
zelner Object der obrigkeitlichen Rechte des Staates; die Willens-
ſphäre des Staates richtet ſich gegen ihn und verpflichtet ihn zu
Handlungen, Leiſtungen und Unterlaſſungen behufs Durchführung
der dem Staate obliegenden Aufgaben 2). Der Angehörige eines
deutſchen Staates iſt nun der Staatsgewalt ſeines Staates und
mit dieſem Staat der darüber ſtehenden, ſouveränen Gewalt des
Reiches unterthan. Daraus ergiebt ſich, daß der Inhalt des
Staatsbürgerrechts und der des Reichsbürgerrechts
ſich zu einander ganz ſo verhalten, wie die Kom-
1) Vgl. v. Martitz in Hirth’s Annalen 1875 S. 805.
2) Dieſe Auffaſſung u. juriſt. Formulirung des Verhältniſſes der Staats-
gewalt zur Perſon des Staatsbürgers iſt mit voller Klarheit hingeſtellt wor-
den von v. Gerber Grundz. §. 15—17. Sie hat mehrfachen Widerſpruch
erfahren, in der Tübinger Zeitſchrift f. d. geſ. Staatsw. Bd. 22 S.
434, in Haimerl’s Oeſterr. Vierteljahresſchr. Bd. 17 (Literaturbl. S. 19 ff.),
und namentlich von Schulze in Aegidi’s Zeitſchr. I. S. 424 ff. Hierauf
hat v. Gerber in der zweiten Aufl. S. 222 ff. (Beilage II.) ſo meiſterhaft
replicirt, daß es genügt, auf dieſe Ausführungen hinzuweiſen. Die Analogie
auf privatrechtlichem Gebiete darf allerdings nicht in den Inſtituten des
Sachenrechts, ſondern nur in den Gewaltverhältniſſen des Familien-
rechts geſucht werden.
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