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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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glich, wenn nicht in der Latinität ein merklicher Unterschied gewesen wäre. Solchen Aufforderungen zum Zusammenkommen ward von den betreffenden stets freudig nachgelebt. Man beobachtete dabei zugleich das werdende Geschlecht und gedachte mit gerechtem Bewußtsein "der alten Zeiten und der alten Schweiz."

Daß in diesem lebhaften Nationalgewimmel unser Freund von A . . . berg guter Dinge war, brauchen wir nicht erst zu versichern. Zwar, wer, wie er, eine sehr ausgebreitete Bekanntschaft hatte, dem konnte es begegnen, daß ein Dutzend Freunde zu gleicher Zeit ohne von einander Notiz zu nehmen, sein Ohr belagerten, und wer, wie er, mit seinem ganzen Wesen darauf angelegt war, Allen gerecht zu werden und Keinen vor den Kopf zu stoßen, der mußte sich einigermaßen im Fegfeuer befinden, weil er nicht wußte, wem er zuerst antworten solle. Indessen eine tüchtige Natur arbeitet sich auch durch Centnerlasten des Glückes hindurch. Unser Freund lächelte alle zwölf Interpellanten gemüthlich an, nickte in der Runde umher, segelte mit dem Glase durch die Luft, um gleichsam eine allgemeine Benediction zu ertheilen, und hiemit waren sämmtliche Fragen und Zurufe dem Hauptinhalte nach beantwortet.

Nur Eines versetzte ihm den perlenden Kelch der Lebensfreude mit Wermuth: sein Freund von Y . . . burg, den er bestimmt hier zu finden erwartet hatte, war

glich, wenn nicht in der Latinität ein merklicher Unterschied gewesen wäre. Solchen Aufforderungen zum Zusammenkommen ward von den betreffenden stets freudig nachgelebt. Man beobachtete dabei zugleich das werdende Geschlecht und gedachte mit gerechtem Bewußtsein „der alten Zeiten und der alten Schweiz.“

Daß in diesem lebhaften Nationalgewimmel unser Freund von A . . . berg guter Dinge war, brauchen wir nicht erst zu versichern. Zwar, wer, wie er, eine sehr ausgebreitete Bekanntschaft hatte, dem konnte es begegnen, daß ein Dutzend Freunde zu gleicher Zeit ohne von einander Notiz zu nehmen, sein Ohr belagerten, und wer, wie er, mit seinem ganzen Wesen darauf angelegt war, Allen gerecht zu werden und Keinen vor den Kopf zu stoßen, der mußte sich einigermaßen im Fegfeuer befinden, weil er nicht wußte, wem er zuerst antworten solle. Indessen eine tüchtige Natur arbeitet sich auch durch Centnerlasten des Glückes hindurch. Unser Freund lächelte alle zwölf Interpellanten gemüthlich an, nickte in der Runde umher, segelte mit dem Glase durch die Luft, um gleichsam eine allgemeine Benediction zu ertheilen, und hiemit waren sämmtliche Fragen und Zurufe dem Hauptinhalte nach beantwortet.

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[0077] glich, wenn nicht in der Latinität ein merklicher Unterschied gewesen wäre. Solchen Aufforderungen zum Zusammenkommen ward von den betreffenden stets freudig nachgelebt. Man beobachtete dabei zugleich das werdende Geschlecht und gedachte mit gerechtem Bewußtsein „der alten Zeiten und der alten Schweiz.“ Daß in diesem lebhaften Nationalgewimmel unser Freund von A . . . berg guter Dinge war, brauchen wir nicht erst zu versichern. Zwar, wer, wie er, eine sehr ausgebreitete Bekanntschaft hatte, dem konnte es begegnen, daß ein Dutzend Freunde zu gleicher Zeit ohne von einander Notiz zu nehmen, sein Ohr belagerten, und wer, wie er, mit seinem ganzen Wesen darauf angelegt war, Allen gerecht zu werden und Keinen vor den Kopf zu stoßen, der mußte sich einigermaßen im Fegfeuer befinden, weil er nicht wußte, wem er zuerst antworten solle. Indessen eine tüchtige Natur arbeitet sich auch durch Centnerlasten des Glückes hindurch. Unser Freund lächelte alle zwölf Interpellanten gemüthlich an, nickte in der Runde umher, segelte mit dem Glase durch die Luft, um gleichsam eine allgemeine Benediction zu ertheilen, und hiemit waren sämmtliche Fragen und Zurufe dem Hauptinhalte nach beantwortet. Nur Eines versetzte ihm den perlenden Kelch der Lebensfreude mit Wermuth: sein Freund von Y . . . burg, den er bestimmt hier zu finden erwartet hatte, war

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/77>, abgerufen am 19.05.2024.