Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wohlstand, "rings umher schöne grüne Weide," wodurch indessen die Traurigkeit der Einöde nur verstärkt wurde. Daß die Besoldung mit der ganzen Beschaffenheit dieses Pfarrdienstes in Einklang war, braucht wohl kaum bemerkt zu werden. Die beiden Pfarrer von A . . . berg und Y . . . burg waren somit ziemlich ähnlich gestellt, nur mit dem großen Unterschiede, daß Jener etwas zuzusetzen hatte und Dieser nicht. Doch fühlte er in den Honigmonaten der Ehe den Druck der Armuth wenig; er lebte seiner Liebe und fand, wie der Jüngling am Bache, daß für ein glücklich liebend Paar Raum sei in der kleinsten Hütte. Denn viel mehr als eine solche war das Pfarrhaus von Y . . . burg nicht, und nicht mit Unrecht mochte man es einem Bauernhause vergleichen, obwohl, wenn man der Wahrheit die Ehre geben wollte, die Freitreppe etwas breiter war und im Innern noch eine zweite, allerdings sehr enge Stiege nach einem kleinen Oberstübchen führte. Die Geburt eines Sohnes, den er auf die Bitte seiner Gattin nach seinem eigenen Namen Eduard taufte, erhöhte für einen Augenblick sein Glück; aber mit ihr zugleich begann auch eine Reihe von Enttäuschungen und Ernüchterungen, die, wie immer sie gestaltet sein mochten, doch alle von der Grundlage ausgingen, daß das Einkommen nicht mehr reichte. Schon bei der Geburt des zweiten Kindes, einer Tochter, ließ sich der Humor des Pfarrers so scharf und schartig an, Wohlstand, „rings umher schöne grüne Weide,“ wodurch indessen die Traurigkeit der Einöde nur verstärkt wurde. Daß die Besoldung mit der ganzen Beschaffenheit dieses Pfarrdienstes in Einklang war, braucht wohl kaum bemerkt zu werden. Die beiden Pfarrer von A . . . berg und Y . . . burg waren somit ziemlich ähnlich gestellt, nur mit dem großen Unterschiede, daß Jener etwas zuzusetzen hatte und Dieser nicht. Doch fühlte er in den Honigmonaten der Ehe den Druck der Armuth wenig; er lebte seiner Liebe und fand, wie der Jüngling am Bache, daß für ein glücklich liebend Paar Raum sei in der kleinsten Hütte. Denn viel mehr als eine solche war das Pfarrhaus von Y . . . burg nicht, und nicht mit Unrecht mochte man es einem Bauernhause vergleichen, obwohl, wenn man der Wahrheit die Ehre geben wollte, die Freitreppe etwas breiter war und im Innern noch eine zweite, allerdings sehr enge Stiege nach einem kleinen Oberstübchen führte. Die Geburt eines Sohnes, den er auf die Bitte seiner Gattin nach seinem eigenen Namen Eduard taufte, erhöhte für einen Augenblick sein Glück; aber mit ihr zugleich begann auch eine Reihe von Enttäuschungen und Ernüchterungen, die, wie immer sie gestaltet sein mochten, doch alle von der Grundlage ausgingen, daß das Einkommen nicht mehr reichte. Schon bei der Geburt des zweiten Kindes, einer Tochter, ließ sich der Humor des Pfarrers so scharf und schartig an, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0046"/> Wohlstand, „rings umher schöne grüne Weide,“ wodurch indessen die Traurigkeit der Einöde nur verstärkt wurde. Daß die Besoldung mit der ganzen Beschaffenheit dieses Pfarrdienstes in Einklang war, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.</p><lb/> <p>Die beiden Pfarrer von A . . . berg und Y . . . burg waren somit ziemlich ähnlich gestellt, nur mit dem großen Unterschiede, daß Jener etwas zuzusetzen hatte und Dieser nicht. Doch fühlte er in den Honigmonaten der Ehe den Druck der Armuth wenig; er lebte seiner Liebe und fand, wie der Jüngling am Bache, daß für ein glücklich liebend Paar Raum sei in der kleinsten Hütte. Denn viel mehr als eine solche war das Pfarrhaus von Y . . . burg nicht, und nicht mit Unrecht mochte man es einem Bauernhause vergleichen, obwohl, wenn man der Wahrheit die Ehre geben wollte, die Freitreppe etwas breiter war und im Innern noch eine zweite, allerdings sehr enge Stiege nach einem kleinen Oberstübchen führte.</p><lb/> <p>Die Geburt eines Sohnes, den er auf die Bitte seiner Gattin nach seinem eigenen Namen Eduard taufte, erhöhte für einen Augenblick sein Glück; aber mit ihr zugleich begann auch eine Reihe von Enttäuschungen und Ernüchterungen, die, wie immer sie gestaltet sein mochten, doch alle von der Grundlage ausgingen, daß das Einkommen nicht mehr reichte. Schon bei der Geburt des zweiten Kindes, einer Tochter, ließ sich der Humor des Pfarrers so scharf und schartig an,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Wohlstand, „rings umher schöne grüne Weide,“ wodurch indessen die Traurigkeit der Einöde nur verstärkt wurde. Daß die Besoldung mit der ganzen Beschaffenheit dieses Pfarrdienstes in Einklang war, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.
Die beiden Pfarrer von A . . . berg und Y . . . burg waren somit ziemlich ähnlich gestellt, nur mit dem großen Unterschiede, daß Jener etwas zuzusetzen hatte und Dieser nicht. Doch fühlte er in den Honigmonaten der Ehe den Druck der Armuth wenig; er lebte seiner Liebe und fand, wie der Jüngling am Bache, daß für ein glücklich liebend Paar Raum sei in der kleinsten Hütte. Denn viel mehr als eine solche war das Pfarrhaus von Y . . . burg nicht, und nicht mit Unrecht mochte man es einem Bauernhause vergleichen, obwohl, wenn man der Wahrheit die Ehre geben wollte, die Freitreppe etwas breiter war und im Innern noch eine zweite, allerdings sehr enge Stiege nach einem kleinen Oberstübchen führte.
Die Geburt eines Sohnes, den er auf die Bitte seiner Gattin nach seinem eigenen Namen Eduard taufte, erhöhte für einen Augenblick sein Glück; aber mit ihr zugleich begann auch eine Reihe von Enttäuschungen und Ernüchterungen, die, wie immer sie gestaltet sein mochten, doch alle von der Grundlage ausgingen, daß das Einkommen nicht mehr reichte. Schon bei der Geburt des zweiten Kindes, einer Tochter, ließ sich der Humor des Pfarrers so scharf und schartig an,
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