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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ein, der seinerseits gleichfalls und gleichzeitig die Initiative im Schreiben ergriffen hatte. Auch er drückte großes Vergnügen über das optische Pas de deux, wie er es nannte, aus. Mit wem er dasselbe aufzuführen die Ehre gehabt habe, schrieb er, brauche er nicht zu fragen, denn Jedermann wisse ja, daß das in die Lande glänzende Schlößchen neben dem mit blauen Ziegeln ausgelegten Kirchthurme das Pfarrhaus von A . . . berg sei. Er müsse eigentlich um Verzeihung bitten, daß er seit zehn Jahren, denn so weit datirten seine täglichen Ocularreisen zurück, an diesem der Beachtung so würdigen Hause gewissermassen vorbeigesehen habe. Allein seine Aufmerksamkeit sei stets durch einen nahe gelegenen Felsen in Anspruch genommen worden, dessen höchst singuläre Formation, darstellend einen Kopf mit vorspringender Nase von scharfem Schnitt und einen aus dem Rumpfe der Gesteinsmasse hervorwachsenden, aufwärts wider die Nase anstrebenden Finger, auffallend eine alte Universitätserinnerung, deren der Herr Collega wohl auch noch eingedenk sein werde, vergegenwärtige. Er schloß mit dem Wunsche, zu erfahren, ob das plastische Gebilde in der Nähe den gleichen naturwahren Eindruck mache, der ihn jeden Morgen aus der Entfernung labe.

Die beiden Briefe hatten sich gekreuzt.

Der Pfarrer von A . . . berg verfügte sich zur Stunde, ungeachtet des strömenden Regens, zu dem nach allen Anforderungen der Ortsbestimmung genau be-

ein, der seinerseits gleichfalls und gleichzeitig die Initiative im Schreiben ergriffen hatte. Auch er drückte großes Vergnügen über das optische Pas de deux, wie er es nannte, aus. Mit wem er dasselbe aufzuführen die Ehre gehabt habe, schrieb er, brauche er nicht zu fragen, denn Jedermann wisse ja, daß das in die Lande glänzende Schlößchen neben dem mit blauen Ziegeln ausgelegten Kirchthurme das Pfarrhaus von A . . . berg sei. Er müsse eigentlich um Verzeihung bitten, daß er seit zehn Jahren, denn so weit datirten seine täglichen Ocularreisen zurück, an diesem der Beachtung so würdigen Hause gewissermassen vorbeigesehen habe. Allein seine Aufmerksamkeit sei stets durch einen nahe gelegenen Felsen in Anspruch genommen worden, dessen höchst singuläre Formation, darstellend einen Kopf mit vorspringender Nase von scharfem Schnitt und einen aus dem Rumpfe der Gesteinsmasse hervorwachsenden, aufwärts wider die Nase anstrebenden Finger, auffallend eine alte Universitätserinnerung, deren der Herr Collega wohl auch noch eingedenk sein werde, vergegenwärtige. Er schloß mit dem Wunsche, zu erfahren, ob das plastische Gebilde in der Nähe den gleichen naturwahren Eindruck mache, der ihn jeden Morgen aus der Entfernung labe.

Die beiden Briefe hatten sich gekreuzt.

Der Pfarrer von A . . . berg verfügte sich zur Stunde, ungeachtet des strömenden Regens, zu dem nach allen Anforderungen der Ortsbestimmung genau be-

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[0036] ein, der seinerseits gleichfalls und gleichzeitig die Initiative im Schreiben ergriffen hatte. Auch er drückte großes Vergnügen über das optische Pas de deux, wie er es nannte, aus. Mit wem er dasselbe aufzuführen die Ehre gehabt habe, schrieb er, brauche er nicht zu fragen, denn Jedermann wisse ja, daß das in die Lande glänzende Schlößchen neben dem mit blauen Ziegeln ausgelegten Kirchthurme das Pfarrhaus von A . . . berg sei. Er müsse eigentlich um Verzeihung bitten, daß er seit zehn Jahren, denn so weit datirten seine täglichen Ocularreisen zurück, an diesem der Beachtung so würdigen Hause gewissermassen vorbeigesehen habe. Allein seine Aufmerksamkeit sei stets durch einen nahe gelegenen Felsen in Anspruch genommen worden, dessen höchst singuläre Formation, darstellend einen Kopf mit vorspringender Nase von scharfem Schnitt und einen aus dem Rumpfe der Gesteinsmasse hervorwachsenden, aufwärts wider die Nase anstrebenden Finger, auffallend eine alte Universitätserinnerung, deren der Herr Collega wohl auch noch eingedenk sein werde, vergegenwärtige. Er schloß mit dem Wunsche, zu erfahren, ob das plastische Gebilde in der Nähe den gleichen naturwahren Eindruck mache, der ihn jeden Morgen aus der Entfernung labe. Die beiden Briefe hatten sich gekreuzt. Der Pfarrer von A . . . berg verfügte sich zur Stunde, ungeachtet des strömenden Regens, zu dem nach allen Anforderungen der Ortsbestimmung genau be-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/36>, abgerufen am 24.11.2024.