Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der in der Familie Aufsehen erregte, da er durch seine äußere Form verrieth, daß er in nicht gar fashionabler Umgebung geschrieben sei. Das Aufsehen stieg, als der Brief, den der Empfänger in Gegenwart der Eltern öffnen mußte, seinen Inhalt von sich gab. Derselbe war sehr kurz und lautete so: "Wilhelm, adieu, das Tausend ist voll. Auf Wiedersehen. Dein Eduard." Wilhelm mußte seinen Eltern diese Runen erklären, und er that es mit schwerem Herzen, erstens weil die in diesem Herzen so fest eingewurzelte Freundschaft für den lieben Flüchtling durch die erhaltene Nachricht einen zwar vorhergesehenen, aber darum nicht minder harten Schlag erlitt, und zweitens weil er seinem Vater einen Namen nennen mußte, den er lieber nicht vor ihm ausgesprochen haben würde, den Namen des Pfarrers von Y . . . burg. Nach wenigen Tagen jedoch brachte dieser sich selbst auf eine in die Augen springende Weise in Erinnerung; denn die in keinem Hause fehlende Zeitung enthielt ein höchst bitteres Inserat von ihm, worin er Männiglich kund und zu wissen that, daß seinen Eduard die Lust angewandelt habe, den verlorenen Sohn zu spielen. Der etwaige ehrliche Finder des Juwels, war beigefügt, möge demselben eröffnen, daß er bei seiner allfälligen Heimkehr auf alles Andere eher als auf ein gemästetes Kalb zu rechnen habe. Diese Demonstration stieß ihrem Urheber übel auf. der in der Familie Aufsehen erregte, da er durch seine äußere Form verrieth, daß er in nicht gar fashionabler Umgebung geschrieben sei. Das Aufsehen stieg, als der Brief, den der Empfänger in Gegenwart der Eltern öffnen mußte, seinen Inhalt von sich gab. Derselbe war sehr kurz und lautete so: „Wilhelm, adieu, das Tausend ist voll. Auf Wiedersehen. Dein Eduard.“ Wilhelm mußte seinen Eltern diese Runen erklären, und er that es mit schwerem Herzen, erstens weil die in diesem Herzen so fest eingewurzelte Freundschaft für den lieben Flüchtling durch die erhaltene Nachricht einen zwar vorhergesehenen, aber darum nicht minder harten Schlag erlitt, und zweitens weil er seinem Vater einen Namen nennen mußte, den er lieber nicht vor ihm ausgesprochen haben würde, den Namen des Pfarrers von Y . . . burg. Nach wenigen Tagen jedoch brachte dieser sich selbst auf eine in die Augen springende Weise in Erinnerung; denn die in keinem Hause fehlende Zeitung enthielt ein höchst bitteres Inserat von ihm, worin er Männiglich kund und zu wissen that, daß seinen Eduard die Lust angewandelt habe, den verlorenen Sohn zu spielen. Der etwaige ehrliche Finder des Juwels, war beigefügt, möge demselben eröffnen, daß er bei seiner allfälligen Heimkehr auf alles Andere eher als auf ein gemästetes Kalb zu rechnen habe. Diese Demonstration stieß ihrem Urheber übel auf. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0127"/> der in der Familie Aufsehen erregte, da er durch seine äußere Form verrieth, daß er in nicht gar fashionabler Umgebung geschrieben sei. Das Aufsehen stieg, als der Brief, den der Empfänger in Gegenwart der Eltern öffnen mußte, seinen Inhalt von sich gab.</p><lb/> <p>Derselbe war sehr kurz und lautete so: „Wilhelm, adieu, das Tausend ist voll. Auf Wiedersehen. Dein Eduard.“</p><lb/> <p>Wilhelm mußte seinen Eltern diese Runen erklären, und er that es mit schwerem Herzen, erstens weil die in diesem Herzen so fest eingewurzelte Freundschaft für den lieben Flüchtling durch die erhaltene Nachricht einen zwar vorhergesehenen, aber darum nicht minder harten Schlag erlitt, und zweitens weil er seinem Vater einen Namen nennen mußte, den er lieber nicht vor ihm ausgesprochen haben würde, den Namen des Pfarrers von Y . . . burg.</p><lb/> <p>Nach wenigen Tagen jedoch brachte dieser sich selbst auf eine in die Augen springende Weise in Erinnerung; denn die in keinem Hause fehlende Zeitung enthielt ein höchst bitteres Inserat von ihm, worin er Männiglich kund und zu wissen that, daß seinen Eduard die Lust angewandelt habe, den verlorenen Sohn zu spielen. Der etwaige ehrliche Finder des Juwels, war beigefügt, möge demselben eröffnen, daß er bei seiner allfälligen Heimkehr auf alles Andere eher als auf ein gemästetes Kalb zu rechnen habe. </p><lb/> <p>Diese Demonstration stieß ihrem Urheber übel auf.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
der in der Familie Aufsehen erregte, da er durch seine äußere Form verrieth, daß er in nicht gar fashionabler Umgebung geschrieben sei. Das Aufsehen stieg, als der Brief, den der Empfänger in Gegenwart der Eltern öffnen mußte, seinen Inhalt von sich gab.
Derselbe war sehr kurz und lautete so: „Wilhelm, adieu, das Tausend ist voll. Auf Wiedersehen. Dein Eduard.“
Wilhelm mußte seinen Eltern diese Runen erklären, und er that es mit schwerem Herzen, erstens weil die in diesem Herzen so fest eingewurzelte Freundschaft für den lieben Flüchtling durch die erhaltene Nachricht einen zwar vorhergesehenen, aber darum nicht minder harten Schlag erlitt, und zweitens weil er seinem Vater einen Namen nennen mußte, den er lieber nicht vor ihm ausgesprochen haben würde, den Namen des Pfarrers von Y . . . burg.
Nach wenigen Tagen jedoch brachte dieser sich selbst auf eine in die Augen springende Weise in Erinnerung; denn die in keinem Hause fehlende Zeitung enthielt ein höchst bitteres Inserat von ihm, worin er Männiglich kund und zu wissen that, daß seinen Eduard die Lust angewandelt habe, den verlorenen Sohn zu spielen. Der etwaige ehrliche Finder des Juwels, war beigefügt, möge demselben eröffnen, daß er bei seiner allfälligen Heimkehr auf alles Andere eher als auf ein gemästetes Kalb zu rechnen habe.
Diese Demonstration stieß ihrem Urheber übel auf.
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/127>, abgerufen am 18.07.2024. |