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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Als er in der Frühe seiner Schwester auf der Treppe begegnete
und sie ihm guten Morgen sagte, klang ihre Stimme gar nicht so
entschlossen, wie vergangene Nacht. Du machst ja ein Gesicht wie die
Katz wenn's donnert, raunte er ihr zu; stell' dich krank, Magdalene,
stell' dich krank, und mach', daß du nur über den Tag hinüberkommst.

Es wär' keine Verstellung, erwiderte sie, wenn ich mich wieder
legte.

Thu's, thu's! rief er und sprang die letzten acht Staffeln mit
Einem Satz hinab.

Er ging den Fußweg am Bache hin, der mitten durch den Flecken
läuft. Die Gänge der Mühle klapperten ihm eifrig entgegen. Von
der Brücke aus sah er den jungen Müller im Hofe beschäftigt, allerlei
Holz zusammen zu sägen. Er blieb unschlüssig stehen, als aber jener
aufblickte, setzte er sich in Bewegung, als ob ihn der Weg zufällig
hier vorüberführe.

Guten Morgen, rief er in den Hof hinein.

Schön' Dank.

Treibst's gut um?

So so, la, la, war die verdrossene Antwort.

Ich glaub', an dir ist ein Zimmermann verloren gangen, sagte
Friedrich, indem er näher trat und sich gegen die Mauer lehnte.

Hm, 's ist nur so ein wenig gebosselt.

Man sagt ja, du wollest bauen, Georg?

Willst mir dabei an die Hand gehen, Frieder?

Ja ich! Was hätt'st du von mir? Soll ich dir Steine zutragen?

Hm, ja, aber solche, wo der Karl Herzog drauf geprägt ist.

Oder der alt' Kaiser? Du hast's gut vor, Brüderle, solche Bausteine
sind mir zu schwer, die muß ich liegen lassen.

Die Beiden sahen einander an und ihre scheinbar gleichgiltigen
Mienen spielten ein langes stummes Frag- und Antwortspiel.

Ich muß eben sehen wie ich ein Ducatenmännle in's Haus krieg',
sagte der Müller endlich. Vielleicht wissen mir die Zigeuner eins.

Oder ein Bettelmädle mit ein paar tausend Gulden, entgegnete
Friedrich, den Stich verbeißend.

Weißt mir eine? fragte der Müller und sah ihn forschend an.

4 *

Als er in der Frühe ſeiner Schweſter auf der Treppe begegnete
und ſie ihm guten Morgen ſagte, klang ihre Stimme gar nicht ſo
entſchloſſen, wie vergangene Nacht. Du machſt ja ein Geſicht wie die
Katz wenn's donnert, raunte er ihr zu; ſtell' dich krank, Magdalene,
ſtell' dich krank, und mach', daß du nur über den Tag hinüberkommſt.

Es wär' keine Verſtellung, erwiderte ſie, wenn ich mich wieder
legte.

Thu's, thu's! rief er und ſprang die letzten acht Staffeln mit
Einem Satz hinab.

Er ging den Fußweg am Bache hin, der mitten durch den Flecken
läuft. Die Gänge der Mühle klapperten ihm eifrig entgegen. Von
der Brücke aus ſah er den jungen Müller im Hofe beſchäftigt, allerlei
Holz zuſammen zu ſägen. Er blieb unſchlüſſig ſtehen, als aber jener
aufblickte, ſetzte er ſich in Bewegung, als ob ihn der Weg zufällig
hier vorüberführe.

Guten Morgen, rief er in den Hof hinein.

Schön' Dank.

Treibſt's gut um?

So ſo, la, la, war die verdroſſene Antwort.

Ich glaub', an dir iſt ein Zimmermann verloren gangen, ſagte
Friedrich, indem er näher trat und ſich gegen die Mauer lehnte.

Hm, 's iſt nur ſo ein wenig geboſſelt.

Man ſagt ja, du wolleſt bauen, Georg?

Willſt mir dabei an die Hand gehen, Frieder?

Ja ich! Was hätt'ſt du von mir? Soll ich dir Steine zutragen?

Hm, ja, aber ſolche, wo der Karl Herzog drauf geprägt iſt.

Oder der alt' Kaiſer? Du haſt's gut vor, Brüderle, ſolche Bauſteine
ſind mir zu ſchwer, die muß ich liegen laſſen.

Die Beiden ſahen einander an und ihre ſcheinbar gleichgiltigen
Mienen ſpielten ein langes ſtummes Frag- und Antwortſpiel.

Ich muß eben ſehen wie ich ein Ducatenmännle in's Haus krieg',
ſagte der Müller endlich. Vielleicht wiſſen mir die Zigeuner eins.

Oder ein Bettelmädle mit ein paar tauſend Gulden, entgegnete
Friedrich, den Stich verbeißend.

Weißt mir eine? fragte der Müller und ſah ihn forſchend an.

4 *
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[51/0067] Als er in der Frühe ſeiner Schweſter auf der Treppe begegnete und ſie ihm guten Morgen ſagte, klang ihre Stimme gar nicht ſo entſchloſſen, wie vergangene Nacht. Du machſt ja ein Geſicht wie die Katz wenn's donnert, raunte er ihr zu; ſtell' dich krank, Magdalene, ſtell' dich krank, und mach', daß du nur über den Tag hinüberkommſt. Es wär' keine Verſtellung, erwiderte ſie, wenn ich mich wieder legte. Thu's, thu's! rief er und ſprang die letzten acht Staffeln mit Einem Satz hinab. Er ging den Fußweg am Bache hin, der mitten durch den Flecken läuft. Die Gänge der Mühle klapperten ihm eifrig entgegen. Von der Brücke aus ſah er den jungen Müller im Hofe beſchäftigt, allerlei Holz zuſammen zu ſägen. Er blieb unſchlüſſig ſtehen, als aber jener aufblickte, ſetzte er ſich in Bewegung, als ob ihn der Weg zufällig hier vorüberführe. Guten Morgen, rief er in den Hof hinein. Schön' Dank. Treibſt's gut um? So ſo, la, la, war die verdroſſene Antwort. Ich glaub', an dir iſt ein Zimmermann verloren gangen, ſagte Friedrich, indem er näher trat und ſich gegen die Mauer lehnte. Hm, 's iſt nur ſo ein wenig geboſſelt. Man ſagt ja, du wolleſt bauen, Georg? Willſt mir dabei an die Hand gehen, Frieder? Ja ich! Was hätt'ſt du von mir? Soll ich dir Steine zutragen? Hm, ja, aber ſolche, wo der Karl Herzog drauf geprägt iſt. Oder der alt' Kaiſer? Du haſt's gut vor, Brüderle, ſolche Bauſteine ſind mir zu ſchwer, die muß ich liegen laſſen. Die Beiden ſahen einander an und ihre ſcheinbar gleichgiltigen Mienen ſpielten ein langes ſtummes Frag- und Antwortſpiel. Ich muß eben ſehen wie ich ein Ducatenmännle in's Haus krieg', ſagte der Müller endlich. Vielleicht wiſſen mir die Zigeuner eins. Oder ein Bettelmädle mit ein paar tauſend Gulden, entgegnete Friedrich, den Stich verbeißend. Weißt mir eine? fragte der Müller und ſah ihn forſchend an. 4 *

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/67>, abgerufen am 23.11.2024.