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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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und weichherzig im Gegensatze gegen ihre hartgesottene Familie nennt:
"von ihr kann man Alles herausbringen, wenn man derselben nur mit
guten Worten begegnet." "Nur gefragt, wo er den blauen Mantel
hergenommen, den er habe!" commandirt er gegen einen Hehler, der sich
wahrscheinlich mit der Furcht vor den Räubern entschuldigen werde, was
man ja nicht gelten lassen solle. Ein andermal schreibt er genau das
Verfahren vor, durch welches man einen jaunerfreundlichen Wirth zum
Geständniß zu bringen habe: "Man frage ihn auf Pflicht und Eid
-- wofern er etwas ableugne, so solle er gewißlich auf die Galeeren
condemnirt -- er solle redlich sagen wie es mit dem Raub zu¬
gegangen, er solle sagen woher er den Cattun, den er über sein Bett
gezogen, genommen habe, er solle sagen, was für Sachen der Jude,
der im Ort wohnt, in seinem Hause gekauft habe" u. dgl. mehr. Auch
darf nicht verschwiegen werden, daß ihn an einigen Stellen die Liebe
zum Leben mit vielleicht nicht ganz unbestimmten Hoffnungen beschli¬
chen zu haben scheint. "Wann ich in das Amt komme, will ich die
Dörfer schon melden", sagt er an einer Stelle. Die Auslegung steht
Jedem frei. Gewiß aber schickt sich Verrath um höherer Zwecke willen
am besten für den Sterbenden, der keinen Lohn mehr nehmen kann,
und zum begnadigten Diebsfänger war wohl ein Konstanzer Hans,
eine leichter angelegte lustige Haut, gut genug. -- Die Volkssage be¬
hauptet, der " Karl Herzog", wie sie ihn nennt, habe auf der Durch¬
reise durch Vaihingen den vielbesprochenen Räuber sich und seinem
Gefolge vorstellen lassen, wie sie auch versichert, daß dieser seinem
Fürsten einst das Leben gerettet habe. Aber der alte Fürstenbrauch,
wonach ein verfehmter Mann, den sein Oberlehnsherr über Leben
und Tod vor sich gelassen, das fürstliche Antlitz nicht unbegnadigt
schauen durfte, war längst abgekommen, und der Herzog konnte damals
auch nicht gnädiger gestimmt sein als zur Zeit der Schlacht von Fulda,
denn er war mit seiner Landschaft in jenen verdrießlichen Streit ge¬
rathen, der ihn als Beklagten vor den Richterstuhl des Kaisers stellte,
und schon seit einem Jahre saß ihr ehrwürdiger Consulent, in dem er
den Verfasser ihrer mißliebigen Schriftsätze vermuthete, ohne Urtel
und Recht in summo squalore carceris, wie die landschaftliche Klag¬
schrift sich ausdrückt, auf derselben Festung, wohin einst eine in ver¬
fassungsmäßiger Form ergangene hochfürstliche Resolution den nächtlichen

und weichherzig im Gegenſatze gegen ihre hartgeſottene Familie nennt:
„von ihr kann man Alles herausbringen, wenn man derſelben nur mit
guten Worten begegnet.“ „Nur gefragt, wo er den blauen Mantel
hergenommen, den er habe!“ commandirt er gegen einen Hehler, der ſich
wahrſcheinlich mit der Furcht vor den Räubern entſchuldigen werde, was
man ja nicht gelten laſſen ſolle. Ein andermal ſchreibt er genau das
Verfahren vor, durch welches man einen jaunerfreundlichen Wirth zum
Geſtändniß zu bringen habe: „Man frage ihn auf Pflicht und Eid
— wofern er etwas ableugne, ſo ſolle er gewißlich auf die Galeeren
condemnirt — er ſolle redlich ſagen wie es mit dem Raub zu¬
gegangen, er ſolle ſagen woher er den Cattun, den er über ſein Bett
gezogen, genommen habe, er ſolle ſagen, was für Sachen der Jude,
der im Ort wohnt, in ſeinem Hauſe gekauft habe“ u. dgl. mehr. Auch
darf nicht verſchwiegen werden, daß ihn an einigen Stellen die Liebe
zum Leben mit vielleicht nicht ganz unbeſtimmten Hoffnungen beſchli¬
chen zu haben ſcheint. „Wann ich in das Amt komme, will ich die
Dörfer ſchon melden“, ſagt er an einer Stelle. Die Auslegung ſteht
Jedem frei. Gewiß aber ſchickt ſich Verrath um höherer Zwecke willen
am beſten für den Sterbenden, der keinen Lohn mehr nehmen kann,
und zum begnadigten Diebsfänger war wohl ein Konſtanzer Hans,
eine leichter angelegte luſtige Haut, gut genug. — Die Volksſage be¬
hauptet, der „ Karl Herzog“, wie ſie ihn nennt, habe auf der Durch¬
reiſe durch Vaihingen den vielbeſprochenen Räuber ſich und ſeinem
Gefolge vorſtellen laſſen, wie ſie auch verſichert, daß dieſer ſeinem
Fürſten einſt das Leben gerettet habe. Aber der alte Fürſtenbrauch,
wonach ein verfehmter Mann, den ſein Oberlehnsherr über Leben
und Tod vor ſich gelaſſen, das fürſtliche Antlitz nicht unbegnadigt
ſchauen durfte, war längſt abgekommen, und der Herzog konnte damals
auch nicht gnädiger geſtimmt ſein als zur Zeit der Schlacht von Fulda,
denn er war mit ſeiner Landſchaft in jenen verdrießlichen Streit ge¬
rathen, der ihn als Beklagten vor den Richterſtuhl des Kaiſers ſtellte,
und ſchon ſeit einem Jahre ſaß ihr ehrwürdiger Conſulent, in dem er
den Verfaſſer ihrer mißliebigen Schriftſätze vermuthete, ohne Urtel
und Recht in summo squalore carceris, wie die landſchaftliche Klag¬
ſchrift ſich ausdrückt, auf derſelben Feſtung, wohin einſt eine in ver¬
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[484/0500] und weichherzig im Gegenſatze gegen ihre hartgeſottene Familie nennt: „von ihr kann man Alles herausbringen, wenn man derſelben nur mit guten Worten begegnet.“ „Nur gefragt, wo er den blauen Mantel hergenommen, den er habe!“ commandirt er gegen einen Hehler, der ſich wahrſcheinlich mit der Furcht vor den Räubern entſchuldigen werde, was man ja nicht gelten laſſen ſolle. Ein andermal ſchreibt er genau das Verfahren vor, durch welches man einen jaunerfreundlichen Wirth zum Geſtändniß zu bringen habe: „Man frage ihn auf Pflicht und Eid — wofern er etwas ableugne, ſo ſolle er gewißlich auf die Galeeren condemnirt — er ſolle redlich ſagen wie es mit dem Raub zu¬ gegangen, er ſolle ſagen woher er den Cattun, den er über ſein Bett gezogen, genommen habe, er ſolle ſagen, was für Sachen der Jude, der im Ort wohnt, in ſeinem Hauſe gekauft habe“ u. dgl. mehr. Auch darf nicht verſchwiegen werden, daß ihn an einigen Stellen die Liebe zum Leben mit vielleicht nicht ganz unbeſtimmten Hoffnungen beſchli¬ chen zu haben ſcheint. „Wann ich in das Amt komme, will ich die Dörfer ſchon melden“, ſagt er an einer Stelle. Die Auslegung ſteht Jedem frei. Gewiß aber ſchickt ſich Verrath um höherer Zwecke willen am beſten für den Sterbenden, der keinen Lohn mehr nehmen kann, und zum begnadigten Diebsfänger war wohl ein Konſtanzer Hans, eine leichter angelegte luſtige Haut, gut genug. — Die Volksſage be¬ hauptet, der „ Karl Herzog“, wie ſie ihn nennt, habe auf der Durch¬ reiſe durch Vaihingen den vielbeſprochenen Räuber ſich und ſeinem Gefolge vorſtellen laſſen, wie ſie auch verſichert, daß dieſer ſeinem Fürſten einſt das Leben gerettet habe. Aber der alte Fürſtenbrauch, wonach ein verfehmter Mann, den ſein Oberlehnsherr über Leben und Tod vor ſich gelaſſen, das fürſtliche Antlitz nicht unbegnadigt ſchauen durfte, war längſt abgekommen, und der Herzog konnte damals auch nicht gnädiger geſtimmt ſein als zur Zeit der Schlacht von Fulda, denn er war mit ſeiner Landſchaft in jenen verdrießlichen Streit ge¬ rathen, der ihn als Beklagten vor den Richterſtuhl des Kaiſers ſtellte, und ſchon ſeit einem Jahre ſaß ihr ehrwürdiger Conſulent, in dem er den Verfaſſer ihrer mißliebigen Schriftſätze vermuthete, ohne Urtel und Recht in summo squalore carceris, wie die landſchaftliche Klag¬ ſchrift ſich ausdrückt, auf derſelben Feſtung, wohin einſt eine in ver¬ faſſungsmäßiger Form ergangene hochfürſtliche Reſolution den nächtlichen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/500>, abgerufen am 22.11.2024.