Wer da? rief er mit wilder Stimme, hervortretend und das Gewehr anlegend.
Die thun dir nichts, sagte der Hüter, die sind in Urlaub und lassen sich's wohl sein, weil man wegen der unruhigen Zeit dem Soldaten ein wenig durch die Finger sieht, haben den ganzen Tag viel getrunken und wollen den Geist verluften; wenn sie vielleicht auch gesagt haben, daß sie auf dich streifen wollen, so ist's ihnen nicht Ernst damit.
Ist des Jergs Bruder, der Hannes, unter ihnen?
Nein, sagte der Hüter und nannte ihm ihre Namen.
Er trat den drei bewaffneten und mit Gewehren versehenen Reichs¬ kriegern entgegen; mit der einen Hand hielt er sein Gewehr, mit der andern klopfte er auf die Lederhosen und rief: Nur her da, ich hab' schon lang auf euch gewartet, ich bin der Sonnenwirthle!
Diese Worte und Töne schlugen wie ein Kartätschenhagel in die Schaar der Helden ein, die vielleicht in nächster Zeit gegen den rebellischen König von Preußen in das Feld rücken sollten. Sie machten Kehrt und liefen so schnell davon, als ihre steifen Stiefeletten, die doch recht eigentlich ein Mittel gegen das Fluchtfieber abzugeben geeignet waren, es gestatten wollten.
Er lachte unbändig hinter ihnen her. Ueber dem spaßhaften An¬ blick und über der Befriedigung seines Stolzes hatte er, für einen Augenblick wenigstens, Alles vergessen, was ihn drückte.
Hab' ich's nicht gesagt, die thun dir nichts? sagte der Feldhüter. Die könnt' man mit keinem Pferd mehr einholen.
Hol' mir Wein.
Gern, aber weißst, damit ich vor Amt schwören kann, du habest mich gezwungen, so mußst mir's anders befehlen.
Gut. Er klopfte an sein Gewehr. Du mußt mit mir da hinein und zu trinken holen, und wenn du nicht willst, so mußt du.
Sehr wohl.
Sie gingen zusammen bis nahe an den Flecken. Dort gab er ihm Geld und wartete mit angezogenem Gewehre auf seine Zurückkunft.
Der Hüter kam allein, denn er wußte wohl, daß eine Verrätherei ihn außer Stand setzen würde, je wieder seinen Dienst bei Nacht zu thun. Hierauf gingen sie in das Feld zurück. Der Hüter mußte den Wein tragen und durfte dafür nachher mit ihm trinken.
Wer da? rief er mit wilder Stimme, hervortretend und das Gewehr anlegend.
Die thun dir nichts, ſagte der Hüter, die ſind in Urlaub und laſſen ſich's wohl ſein, weil man wegen der unruhigen Zeit dem Soldaten ein wenig durch die Finger ſieht, haben den ganzen Tag viel getrunken und wollen den Geiſt verluften; wenn ſie vielleicht auch geſagt haben, daß ſie auf dich ſtreifen wollen, ſo iſt's ihnen nicht Ernſt damit.
Iſt des Jergs Bruder, der Hannes, unter ihnen?
Nein, ſagte der Hüter und nannte ihm ihre Namen.
Er trat den drei bewaffneten und mit Gewehren verſehenen Reichs¬ kriegern entgegen; mit der einen Hand hielt er ſein Gewehr, mit der andern klopfte er auf die Lederhoſen und rief: Nur her da, ich hab' ſchon lang auf euch gewartet, ich bin der Sonnenwirthle!
Dieſe Worte und Töne ſchlugen wie ein Kartätſchenhagel in die Schaar der Helden ein, die vielleicht in nächſter Zeit gegen den rebelliſchen König von Preußen in das Feld rücken ſollten. Sie machten Kehrt und liefen ſo ſchnell davon, als ihre ſteifen Stiefeletten, die doch recht eigentlich ein Mittel gegen das Fluchtfieber abzugeben geeignet waren, es geſtatten wollten.
Er lachte unbändig hinter ihnen her. Ueber dem ſpaßhaften An¬ blick und über der Befriedigung ſeines Stolzes hatte er, für einen Augenblick wenigſtens, Alles vergeſſen, was ihn drückte.
Hab' ich's nicht geſagt, die thun dir nichts? ſagte der Feldhüter. Die könnt' man mit keinem Pferd mehr einholen.
Hol' mir Wein.
Gern, aber weißſt, damit ich vor Amt ſchwören kann, du habeſt mich gezwungen, ſo mußſt mir's anders befehlen.
Gut. Er klopfte an ſein Gewehr. Du mußt mit mir da hinein und zu trinken holen, und wenn du nicht willſt, ſo mußt du.
Sehr wohl.
Sie gingen zuſammen bis nahe an den Flecken. Dort gab er ihm Geld und wartete mit angezogenem Gewehre auf ſeine Zurückkunft.
Der Hüter kam allein, denn er wußte wohl, daß eine Verrätherei ihn außer Stand ſetzen würde, je wieder ſeinen Dienſt bei Nacht zu thun. Hierauf gingen ſie in das Feld zurück. Der Hüter mußte den Wein tragen und durfte dafür nachher mit ihm trinken.
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Wer da? rief er mit wilder Stimme, hervortretend und das
Gewehr anlegend.
Die thun dir nichts, ſagte der Hüter, die ſind in Urlaub und
laſſen ſich's wohl ſein, weil man wegen der unruhigen Zeit dem Soldaten
ein wenig durch die Finger ſieht, haben den ganzen Tag viel getrunken
und wollen den Geiſt verluften; wenn ſie vielleicht auch geſagt haben,
daß ſie auf dich ſtreifen wollen, ſo iſt's ihnen nicht Ernſt damit.
Iſt des Jergs Bruder, der Hannes, unter ihnen?
Nein, ſagte der Hüter und nannte ihm ihre Namen.
Er trat den drei bewaffneten und mit Gewehren verſehenen Reichs¬
kriegern entgegen; mit der einen Hand hielt er ſein Gewehr, mit der andern
klopfte er auf die Lederhoſen und rief: Nur her da, ich hab' ſchon
lang auf euch gewartet, ich bin der Sonnenwirthle!
Dieſe Worte und Töne ſchlugen wie ein Kartätſchenhagel in die
Schaar der Helden ein, die vielleicht in nächſter Zeit gegen den
rebelliſchen König von Preußen in das Feld rücken ſollten. Sie machten
Kehrt und liefen ſo ſchnell davon, als ihre ſteifen Stiefeletten, die doch
recht eigentlich ein Mittel gegen das Fluchtfieber abzugeben geeignet
waren, es geſtatten wollten.
Er lachte unbändig hinter ihnen her. Ueber dem ſpaßhaften An¬
blick und über der Befriedigung ſeines Stolzes hatte er, für einen
Augenblick wenigſtens, Alles vergeſſen, was ihn drückte.
Hab' ich's nicht geſagt, die thun dir nichts? ſagte der Feldhüter.
Die könnt' man mit keinem Pferd mehr einholen.
Hol' mir Wein.
Gern, aber weißſt, damit ich vor Amt ſchwören kann, du habeſt
mich gezwungen, ſo mußſt mir's anders befehlen.
Gut. Er klopfte an ſein Gewehr. Du mußt mit mir da hinein
und zu trinken holen, und wenn du nicht willſt, ſo mußt du.
Sehr wohl.
Sie gingen zuſammen bis nahe an den Flecken. Dort gab er ihm
Geld und wartete mit angezogenem Gewehre auf ſeine Zurückkunft.
Der Hüter kam allein, denn er wußte wohl, daß eine Verrätherei
ihn außer Stand ſetzen würde, je wieder ſeinen Dienſt bei Nacht zu
thun. Hierauf gingen ſie in das Feld zurück. Der Hüter mußte den
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/445>, abgerufen am 08.07.2024.
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