sich von Streifmannschaft umringt, welche aus dem Walde hervor¬ gebrochen war, und rechts und links auf sie eindrang. Halt' dich fest zu mir! rief er, hatte im Nu die schwächste Seite der Angreifer, die ihm nach dem Walde zu entkommen erlaubte, ausgespäht, und warf sich mit angeschlagenem Gewehr ihnen entgegen. Sie wichen erschrocken aus einander und er stürzte mitten hindurch. Ein paar Schüsse knallten hinter ihm, die er verlachte. Als er aber den Schutz des Waldes er¬ reicht hatte und sich umsah, war keine Christine hinter ihm. Er brach tollkühn wieder hervor und sah sie als leichte Beute in den Händen der Streifer. Laßt sie los, schrie er, oder -- ! Ein Theil eilte mit ihr geradeaus den Berg hinab, so daß sie bald mit ihr verschwunden waren, ein andrer Theil stellte sich gegen ihn auf. Und wenn der Teufel selber bei ihm wär', rief die Stimme des Fischers, den er jetzt erkannte, so wird man doch mit ihm fertig werden können. Abermals blitzte ein Schuß gegen ihn durch die einbrechende Nacht. Er schlug auf den Haufen an und drückte ab. Das Gewehr versagte. Nun hatte er keine andre Wahl, als wiederum sein Heil in der Flucht zu suchen, die ihm schon so manchesmal gelungen war. Sie gelang auch diesmal wieder und nach wenigen Augenblicken befand er sich, von keinem der nachgesendeten Schüsse berührt, in dichter Waldesnacht geborgen. Aber Christine war in den Händen der Verfolger geblieben und wurde nun mit Zwang dahin geführt, wohin sie freiwillig gewollt hatte. Mit ihr war auch sein Büchsenranzen in Gefangenschaft gerathen und hiemit nicht nur der Ertrag der Unthat, die sein Gewissen drückte, verloren, nicht nur die Möglichkeit einer Rückkehr in die Schranken einer recht¬ mäßigen oder doch wenigstens den Vorurtheilen der Zeit entsprechenden Ordnung vernichtet, sondern auch die schwerste Inzicht gegen Christinen in die Hände ihres Richters geliefert.
ſich von Streifmannſchaft umringt, welche aus dem Walde hervor¬ gebrochen war, und rechts und links auf ſie eindrang. Halt' dich feſt zu mir! rief er, hatte im Nu die ſchwächſte Seite der Angreifer, die ihm nach dem Walde zu entkommen erlaubte, ausgeſpäht, und warf ſich mit angeſchlagenem Gewehr ihnen entgegen. Sie wichen erſchrocken aus einander und er ſtürzte mitten hindurch. Ein paar Schüſſe knallten hinter ihm, die er verlachte. Als er aber den Schutz des Waldes er¬ reicht hatte und ſich umſah, war keine Chriſtine hinter ihm. Er brach tollkühn wieder hervor und ſah ſie als leichte Beute in den Händen der Streifer. Laßt ſie los, ſchrie er, oder — ! Ein Theil eilte mit ihr geradeaus den Berg hinab, ſo daß ſie bald mit ihr verſchwunden waren, ein andrer Theil ſtellte ſich gegen ihn auf. Und wenn der Teufel ſelber bei ihm wär', rief die Stimme des Fiſchers, den er jetzt erkannte, ſo wird man doch mit ihm fertig werden können. Abermals blitzte ein Schuß gegen ihn durch die einbrechende Nacht. Er ſchlug auf den Haufen an und drückte ab. Das Gewehr verſagte. Nun hatte er keine andre Wahl, als wiederum ſein Heil in der Flucht zu ſuchen, die ihm ſchon ſo manchesmal gelungen war. Sie gelang auch diesmal wieder und nach wenigen Augenblicken befand er ſich, von keinem der nachgeſendeten Schüſſe berührt, in dichter Waldesnacht geborgen. Aber Chriſtine war in den Händen der Verfolger geblieben und wurde nun mit Zwang dahin geführt, wohin ſie freiwillig gewollt hatte. Mit ihr war auch ſein Büchſenranzen in Gefangenſchaft gerathen und hiemit nicht nur der Ertrag der Unthat, die ſein Gewiſſen drückte, verloren, nicht nur die Möglichkeit einer Rückkehr in die Schranken einer recht¬ mäßigen oder doch wenigſtens den Vorurtheilen der Zeit entſprechenden Ordnung vernichtet, ſondern auch die ſchwerſte Inzicht gegen Chriſtinen in die Hände ihres Richters geliefert.
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ſich von Streifmannſchaft umringt, welche aus dem Walde hervor¬
gebrochen war, und rechts und links auf ſie eindrang. Halt' dich feſt
zu mir! rief er, hatte im Nu die ſchwächſte Seite der Angreifer, die
ihm nach dem Walde zu entkommen erlaubte, ausgeſpäht, und warf
ſich mit angeſchlagenem Gewehr ihnen entgegen. Sie wichen erſchrocken
aus einander und er ſtürzte mitten hindurch. Ein paar Schüſſe knallten
hinter ihm, die er verlachte. Als er aber den Schutz des Waldes er¬
reicht hatte und ſich umſah, war keine Chriſtine hinter ihm. Er brach
tollkühn wieder hervor und ſah ſie als leichte Beute in den Händen
der Streifer. Laßt ſie los, ſchrie er, oder — ! Ein Theil eilte mit
ihr geradeaus den Berg hinab, ſo daß ſie bald mit ihr verſchwunden
waren, ein andrer Theil ſtellte ſich gegen ihn auf. Und wenn der
Teufel ſelber bei ihm wär', rief die Stimme des Fiſchers, den er jetzt
erkannte, ſo wird man doch mit ihm fertig werden können. Abermals
blitzte ein Schuß gegen ihn durch die einbrechende Nacht. Er ſchlug
auf den Haufen an und drückte ab. Das Gewehr verſagte. Nun hatte
er keine andre Wahl, als wiederum ſein Heil in der Flucht zu ſuchen,
die ihm ſchon ſo manchesmal gelungen war. Sie gelang auch diesmal
wieder und nach wenigen Augenblicken befand er ſich, von keinem der
nachgeſendeten Schüſſe berührt, in dichter Waldesnacht geborgen. Aber
Chriſtine war in den Händen der Verfolger geblieben und wurde nun
mit Zwang dahin geführt, wohin ſie freiwillig gewollt hatte. Mit ihr
war auch ſein Büchſenranzen in Gefangenſchaft gerathen und hiemit
nicht nur der Ertrag der Unthat, die ſein Gewiſſen drückte, verloren,
nicht nur die Möglichkeit einer Rückkehr in die Schranken einer recht¬
mäßigen oder doch wenigſtens den Vorurtheilen der Zeit entſprechenden
Ordnung vernichtet, ſondern auch die ſchwerſte Inzicht gegen Chriſtinen
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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