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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Dieb und Räuber von Profession die Gelegenheit in Heselthal beschrie¬
ben und ihm angegeben, wo der Wirth sein Geld hingethan hat?

Ach Gott! rief sie weinend, du hast freilich Recht! Ich sag' ja,
es sei hohe Zeit für mich, in ein anders Leben zu kommen. Da
siehst, wie man in der Gesellschaft wird. Sie lachen Ein' so spöttisch
aus und stellen Ein' so miserabel hin, daß man's nicht aushält und
ihnen vor lauter Aerger zeigen muß, daß man auch Augen im Kopf
hat, so gut wie sie. Ich glaub', wenn ich bei ihnen wär', ich thät' bald
mit ihnen wetteifern, nur nicht in Börtlinger Geschichten, denn so viel
wird dir dein eignes Herz sagen, daß das etwas ganz Anders ist, als
Alles, was du früher gethan hast. Die Leut' sagen schon lang von
dir, du habest einen Bund mit dem Teufel. Ich hab's nie glaubt;
auch müßt' er nicht besonders spendabel sein, wenn's wahr wär'. Aber
bei so Unmenschen mußt du dem Teufel verfallen.

Ich hab' nur mitgethan, weil mich ein gegebenes Wort gebunden
hat, erwiderte er. Ich thu's nicht mehr. Es gibt andere Mittel und Wege.

Sie waren an der Ruhebank angekommen. So sehr Christine
eilte, so erklärte sie doch, sie müsse ein wenig sitzen, denn die Kniee
zittern ihr vor Müdigkeit und Bekümmerniß. Nun saß sie an derselben
Stelle, wo kurz zuvor ihre Namensschwester gesessen. Welch ein ganz
anderes Bild bot sich ihm jetzt in den grauen Schatten des Abends
dar! Die Wage mußte zu Ungunsten des armen, bleichen, vor der
Zeit alternden Weibes hoch emporsteigen, wenn er sie mit jenem von
Schönheit und Jugend strahlenden Geschöpfe der Wüste verglich.

Er fühlte dies und kämpfte dagegen an. Er wollte dem Weibe
seiner Jugend Wort halten und wenn er die Unmöglichkeit selbst über¬
winden müßte. Leidenschaftlich rang er mit ihrem Entschlusse, bat,
drohte, tobte, fluchte. Sie blieb fest. Du kannst mich erschießen, sagte
sie, aber ich thu's meinem rechtschaffenen Vater unter dem Boden nicht
zu Leid, daß ich zu dem Gesindel ging'.

Du weißt, sagte er grollend, daß mir die Welt nach allen andern
Seiten hin verbaut ist, und jetzt auf dem einzigen Wege, den ich
noch gehen kann, willst du mich verlassen? Ist das deine Liebe zu mir?

Sie fiel ihm laut weinend um den Hals und zog ihn auf die
Steinbank zu sich nieder. O Frieder! rief sie, ich hab' dich lieb ge¬
habt wie kein' Menschen sonst in der Welt, und hab' dich heut noch

Dieb und Räuber von Profeſſion die Gelegenheit in Heſelthal beſchrie¬
ben und ihm angegeben, wo der Wirth ſein Geld hingethan hat?

Ach Gott! rief ſie weinend, du haſt freilich Recht! Ich ſag' ja,
es ſei hohe Zeit für mich, in ein anders Leben zu kommen. Da
ſiehſt, wie man in der Geſellſchaft wird. Sie lachen Ein' ſo ſpöttiſch
aus und ſtellen Ein' ſo miſerabel hin, daß man's nicht aushält und
ihnen vor lauter Aerger zeigen muß, daß man auch Augen im Kopf
hat, ſo gut wie ſie. Ich glaub', wenn ich bei ihnen wär', ich thät' bald
mit ihnen wetteifern, nur nicht in Börtlinger Geſchichten, denn ſo viel
wird dir dein eignes Herz ſagen, daß das etwas ganz Anders iſt, als
Alles, was du früher gethan haſt. Die Leut' ſagen ſchon lang von
dir, du habeſt einen Bund mit dem Teufel. Ich hab's nie glaubt;
auch müßt' er nicht beſonders ſpendabel ſein, wenn's wahr wär'. Aber
bei ſo Unmenſchen mußt du dem Teufel verfallen.

Ich hab' nur mitgethan, weil mich ein gegebenes Wort gebunden
hat, erwiderte er. Ich thu's nicht mehr. Es gibt andere Mittel und Wege.

Sie waren an der Ruhebank angekommen. So ſehr Chriſtine
eilte, ſo erklärte ſie doch, ſie müſſe ein wenig ſitzen, denn die Kniee
zittern ihr vor Müdigkeit und Bekümmerniß. Nun ſaß ſie an derſelben
Stelle, wo kurz zuvor ihre Namensſchweſter geſeſſen. Welch ein ganz
anderes Bild bot ſich ihm jetzt in den grauen Schatten des Abends
dar! Die Wage mußte zu Ungunſten des armen, bleichen, vor der
Zeit alternden Weibes hoch emporſteigen, wenn er ſie mit jenem von
Schönheit und Jugend ſtrahlenden Geſchöpfe der Wüſte verglich.

Er fühlte dies und kämpfte dagegen an. Er wollte dem Weibe
ſeiner Jugend Wort halten und wenn er die Unmöglichkeit ſelbſt über¬
winden müßte. Leidenſchaftlich rang er mit ihrem Entſchluſſe, bat,
drohte, tobte, fluchte. Sie blieb feſt. Du kannſt mich erſchießen, ſagte
ſie, aber ich thu's meinem rechtſchaffenen Vater unter dem Boden nicht
zu Leid, daß ich zu dem Geſindel ging'.

Du weißt, ſagte er grollend, daß mir die Welt nach allen andern
Seiten hin verbaut iſt, und jetzt auf dem einzigen Wege, den ich
noch gehen kann, willſt du mich verlaſſen? Iſt das deine Liebe zu mir?

Sie fiel ihm laut weinend um den Hals und zog ihn auf die
Steinbank zu ſich nieder. O Frieder! rief ſie, ich hab' dich lieb ge¬
habt wie kein' Menſchen ſonſt in der Welt, und hab' dich heut noch

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[424/0440] Dieb und Räuber von Profeſſion die Gelegenheit in Heſelthal beſchrie¬ ben und ihm angegeben, wo der Wirth ſein Geld hingethan hat? Ach Gott! rief ſie weinend, du haſt freilich Recht! Ich ſag' ja, es ſei hohe Zeit für mich, in ein anders Leben zu kommen. Da ſiehſt, wie man in der Geſellſchaft wird. Sie lachen Ein' ſo ſpöttiſch aus und ſtellen Ein' ſo miſerabel hin, daß man's nicht aushält und ihnen vor lauter Aerger zeigen muß, daß man auch Augen im Kopf hat, ſo gut wie ſie. Ich glaub', wenn ich bei ihnen wär', ich thät' bald mit ihnen wetteifern, nur nicht in Börtlinger Geſchichten, denn ſo viel wird dir dein eignes Herz ſagen, daß das etwas ganz Anders iſt, als Alles, was du früher gethan haſt. Die Leut' ſagen ſchon lang von dir, du habeſt einen Bund mit dem Teufel. Ich hab's nie glaubt; auch müßt' er nicht beſonders ſpendabel ſein, wenn's wahr wär'. Aber bei ſo Unmenſchen mußt du dem Teufel verfallen. Ich hab' nur mitgethan, weil mich ein gegebenes Wort gebunden hat, erwiderte er. Ich thu's nicht mehr. Es gibt andere Mittel und Wege. Sie waren an der Ruhebank angekommen. So ſehr Chriſtine eilte, ſo erklärte ſie doch, ſie müſſe ein wenig ſitzen, denn die Kniee zittern ihr vor Müdigkeit und Bekümmerniß. Nun ſaß ſie an derſelben Stelle, wo kurz zuvor ihre Namensſchweſter geſeſſen. Welch ein ganz anderes Bild bot ſich ihm jetzt in den grauen Schatten des Abends dar! Die Wage mußte zu Ungunſten des armen, bleichen, vor der Zeit alternden Weibes hoch emporſteigen, wenn er ſie mit jenem von Schönheit und Jugend ſtrahlenden Geſchöpfe der Wüſte verglich. Er fühlte dies und kämpfte dagegen an. Er wollte dem Weibe ſeiner Jugend Wort halten und wenn er die Unmöglichkeit ſelbſt über¬ winden müßte. Leidenſchaftlich rang er mit ihrem Entſchluſſe, bat, drohte, tobte, fluchte. Sie blieb feſt. Du kannſt mich erſchießen, ſagte ſie, aber ich thu's meinem rechtſchaffenen Vater unter dem Boden nicht zu Leid, daß ich zu dem Geſindel ging'. Du weißt, ſagte er grollend, daß mir die Welt nach allen andern Seiten hin verbaut iſt, und jetzt auf dem einzigen Wege, den ich noch gehen kann, willſt du mich verlaſſen? Iſt das deine Liebe zu mir? Sie fiel ihm laut weinend um den Hals und zog ihn auf die Steinbank zu ſich nieder. O Frieder! rief ſie, ich hab' dich lieb ge¬ habt wie kein' Menſchen ſonſt in der Welt, und hab' dich heut noch

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/440>, abgerufen am 22.11.2024.