wolle sie dich wie eine Schwester halten, und nur, wenn du durchaus nicht mit mir gehen wollest und nach Haus begehrest, wolle sie mir Geld für dich geben, damit du nicht Noth leiden müssest.
Ich will kein Geld von ihr, um mich abfinden zu lassen, sagte sie heftig, ich will mich und meine Kinder von meiner Hände Arbeit ernähren.
So schimpf' wenigstens nicht über sie, denn sie thut nichts um dich zu verdrängen, und meint's ehrlich mit dir. Daß es aber zwischen uns endlich zu einer Entscheidung kommen muß, das wirst du selbst einsehen.
Während dieses unfreundlichen Wortwechsels ging Christine ohne Aufenthalt immer vorwärts, und er folgte ihr.
Bist du heut Nacht mit dabei gewesen in Börtlingen? fragte sie nach einer Weile.
Woher weißt du was von Börtlingen?
Heut früh schon hat man's auf dem Hof gehört, es sind Leut' dort vorbeikommen, und heut Nachmittag sind mir Leut' im Wald begegnet, denn wenn ich allein bin, so brauch' ich mich nicht zu fürchten und kann die Straß' gehen. In der ganzen Gegend ist Ein Geschrei: eine Räuberbande sei bei lichtem hellem Mondschein zu Börtlingen ein¬ gefallen und der Sonnenwirthle sei ihr Hauptmann gewesen und hab' die Leut' schwer mißhandelt und den Schultheißen am Feuer geröstet.
Und gefressen wie einen Schöps! setzte er lachend hinzu. So arg ist's nicht.
Also in der Hauptsach' ist's wahr?
Dir leugn' ich's nicht, antwortete er.
Sie waren bei diesen Worten wieder in der Nähe des Hofes an¬ gekommen. Wart' ein wenig, sagte sie, ich will nur geschwind meine Sachen holen, denn ich muß eilen, wenn ich noch nach Ebersbach kommen will, vor's ganz Nacht wird. Begleiten wirst mich wenigstens zu guter Letzt noch ein bisle.
Ist dir's Ernst? fragte er düster.
Ich weiß mir kein' andern Weg.
Ich lass' dich nicht! rief er, und seine Stimme verrieth, daß es in ihm zu kochen begann.
Wir können ja unterwegs streiten, wenn du streiten willst, erwiderte
wolle ſie dich wie eine Schweſter halten, und nur, wenn du durchaus nicht mit mir gehen wolleſt und nach Haus begehreſt, wolle ſie mir Geld für dich geben, damit du nicht Noth leiden müſſeſt.
Ich will kein Geld von ihr, um mich abfinden zu laſſen, ſagte ſie heftig, ich will mich und meine Kinder von meiner Hände Arbeit ernähren.
So ſchimpf' wenigſtens nicht über ſie, denn ſie thut nichts um dich zu verdrängen, und meint's ehrlich mit dir. Daß es aber zwiſchen uns endlich zu einer Entſcheidung kommen muß, das wirſt du ſelbſt einſehen.
Während dieſes unfreundlichen Wortwechſels ging Chriſtine ohne Aufenthalt immer vorwärts, und er folgte ihr.
Biſt du heut Nacht mit dabei geweſen in Börtlingen? fragte ſie nach einer Weile.
Woher weißt du was von Börtlingen?
Heut früh ſchon hat man's auf dem Hof gehört, es ſind Leut' dort vorbeikommen, und heut Nachmittag ſind mir Leut' im Wald begegnet, denn wenn ich allein bin, ſo brauch' ich mich nicht zu fürchten und kann die Straß' gehen. In der ganzen Gegend iſt Ein Geſchrei: eine Räuberbande ſei bei lichtem hellem Mondſchein zu Börtlingen ein¬ gefallen und der Sonnenwirthle ſei ihr Hauptmann geweſen und hab' die Leut' ſchwer mißhandelt und den Schultheißen am Feuer geröſtet.
Und gefreſſen wie einen Schöps! ſetzte er lachend hinzu. So arg iſt's nicht.
Alſo in der Hauptſach' iſt's wahr?
Dir leugn' ich's nicht, antwortete er.
Sie waren bei dieſen Worten wieder in der Nähe des Hofes an¬ gekommen. Wart' ein wenig, ſagte ſie, ich will nur geſchwind meine Sachen holen, denn ich muß eilen, wenn ich noch nach Ebersbach kommen will, vor's ganz Nacht wird. Begleiten wirſt mich wenigſtens zu guter Letzt noch ein bisle.
Iſt dir's Ernſt? fragte er düſter.
Ich weiß mir kein' andern Weg.
Ich laſſ' dich nicht! rief er, und ſeine Stimme verrieth, daß es in ihm zu kochen begann.
Wir können ja unterwegs ſtreiten, wenn du ſtreiten willſt, erwiderte
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wolle ſie dich wie eine Schweſter halten, und nur, wenn du durchaus
nicht mit mir gehen wolleſt und nach Haus begehreſt, wolle ſie mir
Geld für dich geben, damit du nicht Noth leiden müſſeſt.
Ich will kein Geld von ihr, um mich abfinden zu laſſen, ſagte ſie
heftig, ich will mich und meine Kinder von meiner Hände Arbeit
ernähren.
So ſchimpf' wenigſtens nicht über ſie, denn ſie thut nichts um dich
zu verdrängen, und meint's ehrlich mit dir. Daß es aber zwiſchen
uns endlich zu einer Entſcheidung kommen muß, das wirſt du ſelbſt
einſehen.
Während dieſes unfreundlichen Wortwechſels ging Chriſtine ohne
Aufenthalt immer vorwärts, und er folgte ihr.
Biſt du heut Nacht mit dabei geweſen in Börtlingen? fragte ſie
nach einer Weile.
Woher weißt du was von Börtlingen?
Heut früh ſchon hat man's auf dem Hof gehört, es ſind Leut' dort
vorbeikommen, und heut Nachmittag ſind mir Leut' im Wald begegnet,
denn wenn ich allein bin, ſo brauch' ich mich nicht zu fürchten und
kann die Straß' gehen. In der ganzen Gegend iſt Ein Geſchrei:
eine Räuberbande ſei bei lichtem hellem Mondſchein zu Börtlingen ein¬
gefallen und der Sonnenwirthle ſei ihr Hauptmann geweſen und hab'
die Leut' ſchwer mißhandelt und den Schultheißen am Feuer geröſtet.
Und gefreſſen wie einen Schöps! ſetzte er lachend hinzu. So arg
iſt's nicht.
Alſo in der Hauptſach' iſt's wahr?
Dir leugn' ich's nicht, antwortete er.
Sie waren bei dieſen Worten wieder in der Nähe des Hofes an¬
gekommen. Wart' ein wenig, ſagte ſie, ich will nur geſchwind meine
Sachen holen, denn ich muß eilen, wenn ich noch nach Ebersbach
kommen will, vor's ganz Nacht wird. Begleiten wirſt mich wenigſtens
zu guter Letzt noch ein bisle.
Iſt dir's Ernſt? fragte er düſter.
Ich weiß mir kein' andern Weg.
Ich laſſ' dich nicht! rief er, und ſeine Stimme verrieth, daß es
in ihm zu kochen begann.
Wir können ja unterwegs ſtreiten, wenn du ſtreiten willſt, erwiderte
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/437>, abgerufen am 16.02.2025.
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