Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

wollten, wurde er immer noch mehr verhetzt, und so kam er von
einem Schabernack zum andern. Die ärgsten Streiche erfuhr der
Alte gar nicht, die sind von der Mutter vertuscht worden. Da ist
mancher Sechsbätzner, mancher Krug Wein als Schmerzengeld hinter
seinem Rücken aus der Sonne gewandert.

Wenn man dem Ding nachdenkt, sagte der obere Müller, so hat
es mit so einem verzogenen Söhnle eigentlich nicht anders kommen
können. Ich glaub', ein Anderer wär' auch so geworden.

Vielleicht lauft er sich die Hörner noch ab, versetzte der Jüngere.
Wiewohl, es wird schwer halten. Er ist eben einmal an die Ge¬
waltthätigkeit gewöhnt. Wenn man ihm irgendwie einen Riegel
vor die Thür' schiebt, so muß er mit dem Kopf durch die Wand,
das thut er nicht anders.

Ja und sein Hochmuth wird ihn auch nicht anders werden lassen,
sagte der Fischer: denn das ist der Hauptteufel, der ihn reitet.

Der steckt in der ganzen Sippschaft. Ist die Magdalene vorhin
wieder hereingekommen? Nein, weil man sich einen kleinen Spaß
mit ihr herausgenommen hat, so hat sie den Wein durch die
Mutter geschickt.

Aha! sagte der ältere Müller leise, dem Fischer zuwinkend: hast
ihn hören trappen?

Immer hat er sich für was Besonderes gehalten, fuhr dieser fort,
ohne auf die Bemerkung Acht zu geben. Ha, wenn ich nur daran
denke, was er mir einmal für eine Zumuthung gemacht hat! Das
war das einzige Mal, daß ich was Apartes in die Schule mitbrachte,
wo ich mir was drauf zu gut thun konnte. Der Herzog war eben
vorher durch den Flecken gefahren, und da fand meine Mutter auf
der Straße ein kleines Stück hellblauen Sammet, Gott weiß, woher
und wie er auf den Boden gefallen war. Meine Mutter wußte
nicht was damit thun, nun zerschnitt sie's in Läpplein und machte
mir eine Windmühle, wißt ihr, wie's die Buben an Stecken haben;
wenn sie damit springen, so dreht sich's herum. Das Ding sah hof¬
färtig aus und die ganze Schule hatte Respect davor. Den Sonnen¬
wirthle aber verdroß es, daß er mir's zum ersten Mal nicht gleich thun
konnte; er ließ sich aber nichts anmerken, sondern verspottete mich
und schalt mich den herzoglichen Windmüller. Da war's auch bei den

wollten, wurde er immer noch mehr verhetzt, und ſo kam er von
einem Schabernack zum andern. Die ärgſten Streiche erfuhr der
Alte gar nicht, die ſind von der Mutter vertuſcht worden. Da iſt
mancher Sechsbätzner, mancher Krug Wein als Schmerzengeld hinter
ſeinem Rücken aus der Sonne gewandert.

Wenn man dem Ding nachdenkt, ſagte der obere Müller, ſo hat
es mit ſo einem verzogenen Söhnle eigentlich nicht anders kommen
können. Ich glaub', ein Anderer wär' auch ſo geworden.

Vielleicht lauft er ſich die Hörner noch ab, verſetzte der Jüngere.
Wiewohl, es wird ſchwer halten. Er iſt eben einmal an die Ge¬
waltthätigkeit gewöhnt. Wenn man ihm irgendwie einen Riegel
vor die Thür' ſchiebt, ſo muß er mit dem Kopf durch die Wand,
das thut er nicht anders.

Ja und ſein Hochmuth wird ihn auch nicht anders werden laſſen,
ſagte der Fiſcher: denn das iſt der Hauptteufel, der ihn reitet.

Der ſteckt in der ganzen Sippſchaft. Iſt die Magdalene vorhin
wieder hereingekommen? Nein, weil man ſich einen kleinen Spaß
mit ihr herausgenommen hat, ſo hat ſie den Wein durch die
Mutter geſchickt.

Aha! ſagte der ältere Müller leiſe, dem Fiſcher zuwinkend: haſt
ihn hören trappen?

Immer hat er ſich für was Beſonderes gehalten, fuhr dieſer fort,
ohne auf die Bemerkung Acht zu geben. Ha, wenn ich nur daran
denke, was er mir einmal für eine Zumuthung gemacht hat! Das
war das einzige Mal, daß ich was Apartes in die Schule mitbrachte,
wo ich mir was drauf zu gut thun konnte. Der Herzog war eben
vorher durch den Flecken gefahren, und da fand meine Mutter auf
der Straße ein kleines Stück hellblauen Sammet, Gott weiß, woher
und wie er auf den Boden gefallen war. Meine Mutter wußte
nicht was damit thun, nun zerſchnitt ſie's in Läpplein und machte
mir eine Windmühle, wißt ihr, wie's die Buben an Stecken haben;
wenn ſie damit ſpringen, ſo dreht ſich's herum. Das Ding ſah hof¬
färtig aus und die ganze Schule hatte Reſpect davor. Den Sonnen¬
wirthle aber verdroß es, daß er mir's zum erſten Mal nicht gleich thun
konnte; er ließ ſich aber nichts anmerken, ſondern verſpottete mich
und ſchalt mich den herzoglichen Windmüller. Da war's auch bei den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="24"/>
wollten, wurde er immer noch mehr verhetzt, und &#x017F;o kam er von<lb/>
einem Schabernack zum andern. Die ärg&#x017F;ten Streiche erfuhr der<lb/>
Alte gar nicht, die &#x017F;ind von der Mutter vertu&#x017F;cht worden. Da i&#x017F;t<lb/>
mancher Sechsbätzner, mancher Krug Wein als Schmerzengeld hinter<lb/>
&#x017F;einem Rücken aus der Sonne gewandert.</p><lb/>
        <p>Wenn man dem Ding nachdenkt, &#x017F;agte der obere Müller, &#x017F;o hat<lb/>
es mit &#x017F;o einem verzogenen Söhnle eigentlich nicht anders kommen<lb/>
können. Ich glaub', ein Anderer wär' auch &#x017F;o geworden.</p><lb/>
        <p>Vielleicht lauft er &#x017F;ich die Hörner noch ab, ver&#x017F;etzte der Jüngere.<lb/>
Wiewohl, es wird &#x017F;chwer halten. Er i&#x017F;t eben einmal an die Ge¬<lb/>
waltthätigkeit gewöhnt. Wenn man ihm irgendwie einen Riegel<lb/>
vor die Thür' &#x017F;chiebt, &#x017F;o muß er mit dem Kopf durch die Wand,<lb/>
das thut er nicht anders.</p><lb/>
        <p>Ja und &#x017F;ein Hochmuth wird ihn auch nicht anders werden la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;agte der Fi&#x017F;cher: denn das i&#x017F;t der Hauptteufel, der ihn reitet.</p><lb/>
        <p>Der &#x017F;teckt in der ganzen Sipp&#x017F;chaft. I&#x017F;t die Magdalene vorhin<lb/>
wieder hereingekommen? Nein, weil man &#x017F;ich einen kleinen Spaß<lb/>
mit ihr herausgenommen hat, &#x017F;o hat &#x017F;ie den Wein durch die<lb/>
Mutter ge&#x017F;chickt.</p><lb/>
        <p>Aha! &#x017F;agte der ältere Müller lei&#x017F;e, dem Fi&#x017F;cher zuwinkend: ha&#x017F;t<lb/>
ihn hören trappen?</p><lb/>
        <p>Immer hat er &#x017F;ich für was Be&#x017F;onderes gehalten, fuhr die&#x017F;er fort,<lb/>
ohne auf die Bemerkung Acht zu geben. Ha, wenn ich nur daran<lb/>
denke, was er mir einmal für eine Zumuthung gemacht hat! Das<lb/>
war das einzige Mal, daß ich was Apartes in die Schule mitbrachte,<lb/>
wo ich mir was drauf zu gut thun konnte. Der Herzog war eben<lb/>
vorher durch den Flecken gefahren, und da fand meine Mutter auf<lb/>
der Straße ein kleines Stück hellblauen Sammet, Gott weiß, woher<lb/>
und wie er auf den Boden gefallen war. Meine Mutter wußte<lb/>
nicht was damit thun, nun zer&#x017F;chnitt &#x017F;ie's in Läpplein und machte<lb/>
mir eine Windmühle, wißt ihr, wie's die Buben an Stecken haben;<lb/>
wenn &#x017F;ie damit &#x017F;pringen, &#x017F;o dreht &#x017F;ich's herum. Das Ding &#x017F;ah hof¬<lb/>
färtig aus und die ganze Schule hatte Re&#x017F;pect davor. Den Sonnen¬<lb/>
wirthle aber verdroß es, daß er mir's zum er&#x017F;ten Mal nicht gleich thun<lb/>
konnte; er ließ &#x017F;ich aber nichts anmerken, &#x017F;ondern ver&#x017F;pottete mich<lb/>
und &#x017F;chalt mich den herzoglichen Windmüller. Da war's auch bei den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0040] wollten, wurde er immer noch mehr verhetzt, und ſo kam er von einem Schabernack zum andern. Die ärgſten Streiche erfuhr der Alte gar nicht, die ſind von der Mutter vertuſcht worden. Da iſt mancher Sechsbätzner, mancher Krug Wein als Schmerzengeld hinter ſeinem Rücken aus der Sonne gewandert. Wenn man dem Ding nachdenkt, ſagte der obere Müller, ſo hat es mit ſo einem verzogenen Söhnle eigentlich nicht anders kommen können. Ich glaub', ein Anderer wär' auch ſo geworden. Vielleicht lauft er ſich die Hörner noch ab, verſetzte der Jüngere. Wiewohl, es wird ſchwer halten. Er iſt eben einmal an die Ge¬ waltthätigkeit gewöhnt. Wenn man ihm irgendwie einen Riegel vor die Thür' ſchiebt, ſo muß er mit dem Kopf durch die Wand, das thut er nicht anders. Ja und ſein Hochmuth wird ihn auch nicht anders werden laſſen, ſagte der Fiſcher: denn das iſt der Hauptteufel, der ihn reitet. Der ſteckt in der ganzen Sippſchaft. Iſt die Magdalene vorhin wieder hereingekommen? Nein, weil man ſich einen kleinen Spaß mit ihr herausgenommen hat, ſo hat ſie den Wein durch die Mutter geſchickt. Aha! ſagte der ältere Müller leiſe, dem Fiſcher zuwinkend: haſt ihn hören trappen? Immer hat er ſich für was Beſonderes gehalten, fuhr dieſer fort, ohne auf die Bemerkung Acht zu geben. Ha, wenn ich nur daran denke, was er mir einmal für eine Zumuthung gemacht hat! Das war das einzige Mal, daß ich was Apartes in die Schule mitbrachte, wo ich mir was drauf zu gut thun konnte. Der Herzog war eben vorher durch den Flecken gefahren, und da fand meine Mutter auf der Straße ein kleines Stück hellblauen Sammet, Gott weiß, woher und wie er auf den Boden gefallen war. Meine Mutter wußte nicht was damit thun, nun zerſchnitt ſie's in Läpplein und machte mir eine Windmühle, wißt ihr, wie's die Buben an Stecken haben; wenn ſie damit ſpringen, ſo dreht ſich's herum. Das Ding ſah hof¬ färtig aus und die ganze Schule hatte Reſpect davor. Den Sonnen¬ wirthle aber verdroß es, daß er mir's zum erſten Mal nicht gleich thun konnte; er ließ ſich aber nichts anmerken, ſondern verſpottete mich und ſchalt mich den herzoglichen Windmüller. Da war's auch bei den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/40
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/40>, abgerufen am 21.11.2024.