Andere folgten dem Beispiel des Müllers, da der Schütz ent¬ schlossen schien, seine Neuigkeit so gut als möglich zu verwerthen.
Was ist denn los? fragte endlich der Fischer den Invaliden.
Ein Vogel, antwortete dieser lachend.
Der Schütz sah den Fischer, der seinen Wein an ihm gespart hatte, eine Weile stillschweigend an, gleichsam um die Wirkung seiner Worte vorzubereiten. Er ist durch! sagte er dann geheimnißvoll.
Das blasse Gesicht des Fischers, der die Wahrheit bereits geahnt haben mochte, wurde einen Augenblick kreideweiß. Die Andern be¬ griffen noch nicht recht, um was es sich handelte, und starrten den Schützen mit aufgerissenen Augen an. Wer ist durch? fragte der Müllerknecht.
Wer? rief der Schütz. Gibt's denn Zwei so? Der von Hohentwiel über alle Mauern und Felsen fortgeflogen ist, hat dem Göppinger Käfig die Ehr' auch nicht lassen wollen. Wie er gestern eingeliefert worden ist, schon spät in der Nacht, hat man ihn auf die Hauptwacht gesetzt, hat ihm ein eisern Halsband und den Hosenträger angelegt und hat ihn mit einer Kette an die Wand angefesselt, so daß er drei, vier Schritt' hat in der Stub' 'rumgehen können. Auch hat man ihm zween Mann beigeben, die ihn die ganz' Nacht hätten verwachen sollen. In der Nachmittnacht ist der ein' Wächter fort und hat Eins ge¬ schrieen; wie er aber zurückkommt, sind't er sein' Kameraden einge¬ schlafen -- der behauptet, es müss' ihm angethan worden sein -- und kein Sonnenwirthle ist nimmer dagewesen. Er hat den Göppingern ihren Geschmuck mit fort, Halsband und Hosenträger, wahrscheinlich hat er's zum Andenken behalten wollen. Und sein' Christine wird jetzt auch wieder bei ihm sein. Ich glaub', er hat sich extra deswegen fangen und nach Göppingen liefern lassen, um sie dort abzuholen, aber er ist zu spät kommen, denn gestern Abend, noch vor seiner Ankunft, hat man sie losgelassen, weil man nicht gewußt hat, was man eigentlich mit ihr thun soll; und da wird er wohl denkt haben, er sei jetzt überflüssig, und ist also auch gleich wieder fort.
Wie's Teufels ist er denn aber von der Kette kommen? fragte der Müller.
Du hast schon den rechten Namen genannt, schrieen ihm Mehrere zu. Kannst dir wohl denken, wer ihm allemal forthilft.
Andere folgten dem Beiſpiel des Müllers, da der Schütz ent¬ ſchloſſen ſchien, ſeine Neuigkeit ſo gut als möglich zu verwerthen.
Was iſt denn los? fragte endlich der Fiſcher den Invaliden.
Ein Vogel, antwortete dieſer lachend.
Der Schütz ſah den Fiſcher, der ſeinen Wein an ihm geſpart hatte, eine Weile ſtillſchweigend an, gleichſam um die Wirkung ſeiner Worte vorzubereiten. Er iſt durch! ſagte er dann geheimnißvoll.
Das blaſſe Geſicht des Fiſchers, der die Wahrheit bereits geahnt haben mochte, wurde einen Augenblick kreideweiß. Die Andern be¬ griffen noch nicht recht, um was es ſich handelte, und ſtarrten den Schützen mit aufgeriſſenen Augen an. Wer iſt durch? fragte der Müllerknecht.
Wer? rief der Schütz. Gibt's denn Zwei ſo? Der von Hohentwiel über alle Mauern und Felſen fortgeflogen iſt, hat dem Göppinger Käfig die Ehr' auch nicht laſſen wollen. Wie er geſtern eingeliefert worden iſt, ſchon ſpät in der Nacht, hat man ihn auf die Hauptwacht geſetzt, hat ihm ein eiſern Halsband und den Hoſenträger angelegt und hat ihn mit einer Kette an die Wand angefeſſelt, ſo daß er drei, vier Schritt' hat in der Stub' 'rumgehen können. Auch hat man ihm zween Mann beigeben, die ihn die ganz' Nacht hätten verwachen ſollen. In der Nachmittnacht iſt der ein' Wächter fort und hat Eins ge¬ ſchrieen; wie er aber zurückkommt, ſind't er ſein' Kameraden einge¬ ſchlafen — der behauptet, es müſſ' ihm angethan worden ſein — und kein Sonnenwirthle iſt nimmer dageweſen. Er hat den Göppingern ihren Geſchmuck mit fort, Halsband und Hoſenträger, wahrſcheinlich hat er's zum Andenken behalten wollen. Und ſein' Chriſtine wird jetzt auch wieder bei ihm ſein. Ich glaub', er hat ſich extra deswegen fangen und nach Göppingen liefern laſſen, um ſie dort abzuholen, aber er iſt zu ſpät kommen, denn geſtern Abend, noch vor ſeiner Ankunft, hat man ſie losgelaſſen, weil man nicht gewußt hat, was man eigentlich mit ihr thun ſoll; und da wird er wohl denkt haben, er ſei jetzt überflüſſig, und iſt alſo auch gleich wieder fort.
Wie's Teufels iſt er denn aber von der Kette kommen? fragte der Müller.
Du haſt ſchon den rechten Namen genannt, ſchrieen ihm Mehrere zu. Kannſt dir wohl denken, wer ihm allemal forthilft.
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Andere folgten dem Beiſpiel des Müllers, da der Schütz ent¬
ſchloſſen ſchien, ſeine Neuigkeit ſo gut als möglich zu verwerthen.
Was iſt denn los? fragte endlich der Fiſcher den Invaliden.
Ein Vogel, antwortete dieſer lachend.
Der Schütz ſah den Fiſcher, der ſeinen Wein an ihm geſpart
hatte, eine Weile ſtillſchweigend an, gleichſam um die Wirkung ſeiner
Worte vorzubereiten. Er iſt durch! ſagte er dann geheimnißvoll.
Das blaſſe Geſicht des Fiſchers, der die Wahrheit bereits geahnt
haben mochte, wurde einen Augenblick kreideweiß. Die Andern be¬
griffen noch nicht recht, um was es ſich handelte, und ſtarrten den
Schützen mit aufgeriſſenen Augen an. Wer iſt durch? fragte der
Müllerknecht.
Wer? rief der Schütz. Gibt's denn Zwei ſo? Der von Hohentwiel
über alle Mauern und Felſen fortgeflogen iſt, hat dem Göppinger
Käfig die Ehr' auch nicht laſſen wollen. Wie er geſtern eingeliefert
worden iſt, ſchon ſpät in der Nacht, hat man ihn auf die Hauptwacht
geſetzt, hat ihm ein eiſern Halsband und den Hoſenträger angelegt
und hat ihn mit einer Kette an die Wand angefeſſelt, ſo daß er drei,
vier Schritt' hat in der Stub' 'rumgehen können. Auch hat man ihm
zween Mann beigeben, die ihn die ganz' Nacht hätten verwachen ſollen.
In der Nachmittnacht iſt der ein' Wächter fort und hat Eins ge¬
ſchrieen; wie er aber zurückkommt, ſind't er ſein' Kameraden einge¬
ſchlafen — der behauptet, es müſſ' ihm angethan worden ſein — und
kein Sonnenwirthle iſt nimmer dageweſen. Er hat den Göppingern
ihren Geſchmuck mit fort, Halsband und Hoſenträger, wahrſcheinlich
hat er's zum Andenken behalten wollen. Und ſein' Chriſtine wird jetzt
auch wieder bei ihm ſein. Ich glaub', er hat ſich extra deswegen fangen
und nach Göppingen liefern laſſen, um ſie dort abzuholen, aber er iſt
zu ſpät kommen, denn geſtern Abend, noch vor ſeiner Ankunft, hat
man ſie losgelaſſen, weil man nicht gewußt hat, was man eigentlich
mit ihr thun ſoll; und da wird er wohl denkt haben, er ſei jetzt
überflüſſig, und iſt alſo auch gleich wieder fort.
Wie's Teufels iſt er denn aber von der Kette kommen? fragte der
Müller.
Du haſt ſchon den rechten Namen genannt, ſchrieen ihm Mehrere
zu. Kannſt dir wohl denken, wer ihm allemal forthilft.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/366>, abgerufen am 28.11.2024.
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