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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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keiten, läßt auch noch den Kelch sammt Hostien mitlaufen und steckt
die Sachen in seines Vaters Stroh, damit sie gleich am andern
Morgen dem Knecht ganz gewiß in die Händ' fallen müssen. Daß
er Grütz im Kopf hat, das leugnet ihm sein ärgster Feind nicht ab.
Heißt aber das Grütz, wenn man eine That thut, von der am andern
Tag jedes Kind sagen muß: das hat niemand anders gethan als des
Sonnenwirths Frieder! Heißt das Grütz, wenn man den Raub so
versteckt, daß in der nächsten Stund' Alles 'rauskommen muß? Ent¬
weder hat er's absichtlich gethan, weil er lieber wieder im Zuchthaus
gewesen wär', als in der Welt haußen, oder er ist ganz rappelköpfisch
gewesen und hat gar nimmer gewußt was er thut. Ein wüster Streich
ist's gewesen, ja, das streit' ich nicht, aber noch viel dümmer als wüst.
Wo wird ein Dieb von Profession so wüst und dumm und buben¬
mäßig sein' Muthwillen ausüben? Und doch hat man ihn zu einem
Dieb und Räuber von Profession gestempelt und hat ihn lebenslänglich
auf die Festung geschickt. Hätt' man ihn mir geben, ich hätt' ein
paar Stecken an ihm verschlagen, und dann noch ein' drüber, weil ich
immer auf den Bursch was gehalten hab'.

Auf die Art, bemerkte der Fischer mürrisch, kann man alles
Lumpenpack in Schutz nehmen, bis man zuletzt selber ihresgleichen
wird. Grad so hat der Sonnenwirthle auch angefangen: der hat zuerst
sei'm Vater 'n Zigeuner in's Haus schleifen wollen, und nachher hat
er sich mit dem Hirschbauren und seiner Tochter gemein gemacht, und
so ist er von einem bösen Trappen auf den andern kommen.

Mir wird's ganz übel, rief der Invalide, wenn ich's mit anhören
muß, wie Einer, der selber arm ist, arme Leut' verwirft. Wenn ein
paar Arme bei einander sind, so klagen sie, man lass' die Armuth
nicht gelten, und in der Kirch' singen Arm' und Reich' mit einander,
die Menschen seien alle gleich; so wie einer aber einmal darnach leben
will, so fallen Arm und Reich über ihn her. Die Liebschaft hätt' er
unangefangen lassen können, ich hab's ihm mehr als einmal gesagt,
wiewohl das Mensch auch nicht so übel gewesen wär': aber daß er sich
zur Armuth gehalten hat, grad das muß ihm einmal 'n Stuhl im Himmel
erwerben, mag's in der schnöden Welt noch mit ihm gehen wie's will.

Während der Invalide so die einzelnen Einwendungen, die ihm
gemacht wurden, niederschlug, hörte er nicht, wie das Murmeln und

keiten, läßt auch noch den Kelch ſammt Hoſtien mitlaufen und ſteckt
die Sachen in ſeines Vaters Stroh, damit ſie gleich am andern
Morgen dem Knecht ganz gewiß in die Händ' fallen müſſen. Daß
er Grütz im Kopf hat, das leugnet ihm ſein ärgſter Feind nicht ab.
Heißt aber das Grütz, wenn man eine That thut, von der am andern
Tag jedes Kind ſagen muß: das hat niemand anders gethan als des
Sonnenwirths Frieder! Heißt das Grütz, wenn man den Raub ſo
verſteckt, daß in der nächſten Stund' Alles 'rauskommen muß? Ent¬
weder hat er's abſichtlich gethan, weil er lieber wieder im Zuchthaus
geweſen wär', als in der Welt haußen, oder er iſt ganz rappelköpfiſch
geweſen und hat gar nimmer gewußt was er thut. Ein wüſter Streich
iſt's geweſen, ja, das ſtreit' ich nicht, aber noch viel dümmer als wüſt.
Wo wird ein Dieb von Profeſſion ſo wüſt und dumm und buben¬
mäßig ſein' Muthwillen ausüben? Und doch hat man ihn zu einem
Dieb und Räuber von Profeſſion geſtempelt und hat ihn lebenslänglich
auf die Feſtung geſchickt. Hätt' man ihn mir geben, ich hätt' ein
paar Stecken an ihm verſchlagen, und dann noch ein' drüber, weil ich
immer auf den Burſch was gehalten hab'.

Auf die Art, bemerkte der Fiſcher mürriſch, kann man alles
Lumpenpack in Schutz nehmen, bis man zuletzt ſelber ihresgleichen
wird. Grad ſo hat der Sonnenwirthle auch angefangen: der hat zuerſt
ſei'm Vater 'n Zigeuner in's Haus ſchleifen wollen, und nachher hat
er ſich mit dem Hirſchbauren und ſeiner Tochter gemein gemacht, und
ſo iſt er von einem böſen Trappen auf den andern kommen.

Mir wird's ganz übel, rief der Invalide, wenn ich's mit anhören
muß, wie Einer, der ſelber arm iſt, arme Leut' verwirft. Wenn ein
paar Arme bei einander ſind, ſo klagen ſie, man laſſ' die Armuth
nicht gelten, und in der Kirch' ſingen Arm' und Reich' mit einander,
die Menſchen ſeien alle gleich; ſo wie einer aber einmal darnach leben
will, ſo fallen Arm und Reich über ihn her. Die Liebſchaft hätt' er
unangefangen laſſen können, ich hab's ihm mehr als einmal geſagt,
wiewohl das Menſch auch nicht ſo übel geweſen wär': aber daß er ſich
zur Armuth gehalten hat, grad das muß ihm einmal 'n Stuhl im Himmel
erwerben, mag's in der ſchnöden Welt noch mit ihm gehen wie's will.

Während der Invalide ſo die einzelnen Einwendungen, die ihm
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[346/0362] keiten, läßt auch noch den Kelch ſammt Hoſtien mitlaufen und ſteckt die Sachen in ſeines Vaters Stroh, damit ſie gleich am andern Morgen dem Knecht ganz gewiß in die Händ' fallen müſſen. Daß er Grütz im Kopf hat, das leugnet ihm ſein ärgſter Feind nicht ab. Heißt aber das Grütz, wenn man eine That thut, von der am andern Tag jedes Kind ſagen muß: das hat niemand anders gethan als des Sonnenwirths Frieder! Heißt das Grütz, wenn man den Raub ſo verſteckt, daß in der nächſten Stund' Alles 'rauskommen muß? Ent¬ weder hat er's abſichtlich gethan, weil er lieber wieder im Zuchthaus geweſen wär', als in der Welt haußen, oder er iſt ganz rappelköpfiſch geweſen und hat gar nimmer gewußt was er thut. Ein wüſter Streich iſt's geweſen, ja, das ſtreit' ich nicht, aber noch viel dümmer als wüſt. Wo wird ein Dieb von Profeſſion ſo wüſt und dumm und buben¬ mäßig ſein' Muthwillen ausüben? Und doch hat man ihn zu einem Dieb und Räuber von Profeſſion geſtempelt und hat ihn lebenslänglich auf die Feſtung geſchickt. Hätt' man ihn mir geben, ich hätt' ein paar Stecken an ihm verſchlagen, und dann noch ein' drüber, weil ich immer auf den Burſch was gehalten hab'. Auf die Art, bemerkte der Fiſcher mürriſch, kann man alles Lumpenpack in Schutz nehmen, bis man zuletzt ſelber ihresgleichen wird. Grad ſo hat der Sonnenwirthle auch angefangen: der hat zuerſt ſei'm Vater 'n Zigeuner in's Haus ſchleifen wollen, und nachher hat er ſich mit dem Hirſchbauren und ſeiner Tochter gemein gemacht, und ſo iſt er von einem böſen Trappen auf den andern kommen. Mir wird's ganz übel, rief der Invalide, wenn ich's mit anhören muß, wie Einer, der ſelber arm iſt, arme Leut' verwirft. Wenn ein paar Arme bei einander ſind, ſo klagen ſie, man laſſ' die Armuth nicht gelten, und in der Kirch' ſingen Arm' und Reich' mit einander, die Menſchen ſeien alle gleich; ſo wie einer aber einmal darnach leben will, ſo fallen Arm und Reich über ihn her. Die Liebſchaft hätt' er unangefangen laſſen können, ich hab's ihm mehr als einmal geſagt, wiewohl das Menſch auch nicht ſo übel geweſen wär': aber daß er ſich zur Armuth gehalten hat, grad das muß ihm einmal 'n Stuhl im Himmel erwerben, mag's in der ſchnöden Welt noch mit ihm gehen wie's will. Während der Invalide ſo die einzelnen Einwendungen, die ihm gemacht wurden, niederſchlug, hörte er nicht, wie das Murmeln und

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/362>, abgerufen am 28.11.2024.