Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Pflanz' dich nur her, sagte der Andere. Du gehörst ja in Ein
Element mit uns. Ein Glas Wein für den Fisch! Willst nicht?
Und meinethalb noch einen Freitrunk drüber, daß der Weinkauf
richtig ist.

So macht nur geschwind, daß die Alte nicht dazu kommt, erwi¬
derte der Fischer. Aber mehr als einen auf den Mann kann ich
nicht hergeben und hier könnet ihr sie auch nicht essen, denn die Sonnen¬
wirthin darf beileib nichts davon wissen.

Freilich, 's ist ein halber Kirchenraub! rief der ältere Müller
lachend, fuhr in den Kübel, griff mit sicherer Hand eine große schöne
Forelle heraus, zu welcher der Fischer gewaltig sauer sah, schlug sie
mit dem Kopf gegen die Tischecke, und steckte sie eilig in die Tasche.
Der Jüngere war eben so schnell seinem Beispiel gefolgt.

So, Fischerhanne, sagte der Aeltere, nachdem sie den Handel be¬
endigt hatten, wir wollen das Element leben lassen, das unsere gemein¬
schaftliche Nahrung ist. Nahrung wohlverstanden! denn für den Hunger
ist's zwar gut, aber nicht für den Durst. Der Eulenspiegel hat's
allezeit den starken Trank geheißen; es treibe Mühlräder, sagte er,
und deßhalb sei es ihm zu stark für seine Natur.

Er klingelte am Glase, um noch eine Flasche zu bestellen. Aber
jetzt ist's recht, rief er, als die Thüre aufging: jetzt kommt auch ein¬
mal die Oberkellnerin, die Magdalene. Komm her, du Hübsche und
du Feine, da gibt's schmachtende Herzen zu laben.

Das Mädchen, das auf den Ruf der durstigen Sturmglocke er¬
schienen war, konnte man nicht ansehen ohne ihr freundlich gesinnt zu
werden. Sie trug auf einem wohlgewachsenen Körper ein rundes,
unschuldiges, gutmüthiges Gesichtchen, ein weiblich mildes Abbild von
den derben Zügen ihres Bruders, und zugleich eine Bürgschaft, daß
auch hinter dieser rauhen Schale ein guter Kern verborgen sein
könnte.

Hab' ich's nicht gesagt? rief der ältere Müller: und es verlohnt
sich der Müh', es zweimal zu sagen, wiewohl wir nicht in der Mühle
sind! Das Mädle gäb' einen staatsmäßigen Arm voll, nicht zu viel
und nicht zu wenig, für einen braven Junggesellen.

Er blickte dabei mit einer Spaßvogelsmiene auf den Andern. Wenn
Ihr sie zu Eurer Käther hin heirathen wollt, so müßt Ihr eben ein

Pflanz' dich nur her, ſagte der Andere. Du gehörſt ja in Ein
Element mit uns. Ein Glas Wein für den Fiſch! Willſt nicht?
Und meinethalb noch einen Freitrunk drüber, daß der Weinkauf
richtig iſt.

So macht nur geſchwind, daß die Alte nicht dazu kommt, erwi¬
derte der Fiſcher. Aber mehr als einen auf den Mann kann ich
nicht hergeben und hier könnet ihr ſie auch nicht eſſen, denn die Sonnen¬
wirthin darf beileib nichts davon wiſſen.

Freilich, 's iſt ein halber Kirchenraub! rief der ältere Müller
lachend, fuhr in den Kübel, griff mit ſicherer Hand eine große ſchöne
Forelle heraus, zu welcher der Fiſcher gewaltig ſauer ſah, ſchlug ſie
mit dem Kopf gegen die Tiſchecke, und ſteckte ſie eilig in die Taſche.
Der Jüngere war eben ſo ſchnell ſeinem Beiſpiel gefolgt.

So, Fiſcherhanne, ſagte der Aeltere, nachdem ſie den Handel be¬
endigt hatten, wir wollen das Element leben laſſen, das unſere gemein¬
ſchaftliche Nahrung iſt. Nahrung wohlverſtanden! denn für den Hunger
iſt's zwar gut, aber nicht für den Durſt. Der Eulenſpiegel hat's
allezeit den ſtarken Trank geheißen; es treibe Mühlräder, ſagte er,
und deßhalb ſei es ihm zu ſtark für ſeine Natur.

Er klingelte am Glaſe, um noch eine Flaſche zu beſtellen. Aber
jetzt iſt's recht, rief er, als die Thüre aufging: jetzt kommt auch ein¬
mal die Oberkellnerin, die Magdalene. Komm her, du Hübſche und
du Feine, da gibt's ſchmachtende Herzen zu laben.

Das Mädchen, das auf den Ruf der durſtigen Sturmglocke er¬
ſchienen war, konnte man nicht anſehen ohne ihr freundlich geſinnt zu
werden. Sie trug auf einem wohlgewachſenen Körper ein rundes,
unſchuldiges, gutmüthiges Geſichtchen, ein weiblich mildes Abbild von
den derben Zügen ihres Bruders, und zugleich eine Bürgſchaft, daß
auch hinter dieſer rauhen Schale ein guter Kern verborgen ſein
könnte.

Hab' ich's nicht geſagt? rief der ältere Müller: und es verlohnt
ſich der Müh', es zweimal zu ſagen, wiewohl wir nicht in der Mühle
ſind! Das Mädle gäb' einen ſtaatsmäßigen Arm voll, nicht zu viel
und nicht zu wenig, für einen braven Junggeſellen.

Er blickte dabei mit einer Spaßvogelsmiene auf den Andern. Wenn
Ihr ſie zu Eurer Käther hin heirathen wollt, ſo müßt Ihr eben ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0036" n="20"/>
        <p>Pflanz' dich nur her, &#x017F;agte der Andere. Du gehör&#x017F;t ja in Ein<lb/>
Element mit uns. Ein Glas Wein für den Fi&#x017F;ch! Will&#x017F;t nicht?<lb/>
Und meinethalb noch einen Freitrunk drüber, daß der Weinkauf<lb/>
richtig i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>So macht nur ge&#x017F;chwind, daß die Alte nicht dazu kommt, erwi¬<lb/>
derte der Fi&#x017F;cher. Aber mehr als einen auf den Mann kann ich<lb/>
nicht hergeben und hier könnet ihr &#x017F;ie auch nicht e&#x017F;&#x017F;en, denn die Sonnen¬<lb/>
wirthin darf beileib nichts davon wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Freilich, 's i&#x017F;t ein halber Kirchenraub! rief der ältere Müller<lb/>
lachend, fuhr in den Kübel, griff mit &#x017F;icherer Hand eine große &#x017F;chöne<lb/>
Forelle heraus, zu welcher der Fi&#x017F;cher gewaltig &#x017F;auer &#x017F;ah, &#x017F;chlug &#x017F;ie<lb/>
mit dem Kopf gegen die Ti&#x017F;checke, und &#x017F;teckte &#x017F;ie eilig in die Ta&#x017F;che.<lb/>
Der Jüngere war eben &#x017F;o &#x017F;chnell &#x017F;einem Bei&#x017F;piel gefolgt.</p><lb/>
        <p>So, Fi&#x017F;cherhanne, &#x017F;agte der Aeltere, nachdem &#x017F;ie den Handel be¬<lb/>
endigt hatten, wir wollen das Element leben la&#x017F;&#x017F;en, das un&#x017F;ere gemein¬<lb/>
&#x017F;chaftliche Nahrung i&#x017F;t. Nahrung wohlver&#x017F;tanden! denn für den Hunger<lb/>
i&#x017F;t's zwar gut, aber nicht für den Dur&#x017F;t. Der Eulen&#x017F;piegel hat's<lb/>
allezeit den &#x017F;tarken Trank geheißen; es treibe Mühlräder, &#x017F;agte er,<lb/>
und deßhalb &#x017F;ei es ihm zu &#x017F;tark für &#x017F;eine Natur.</p><lb/>
        <p>Er klingelte am Gla&#x017F;e, um noch eine Fla&#x017F;che zu be&#x017F;tellen. Aber<lb/>
jetzt i&#x017F;t's recht, rief er, als die Thüre aufging: jetzt kommt auch ein¬<lb/>
mal die Oberkellnerin, die Magdalene. Komm her, du Hüb&#x017F;che und<lb/>
du Feine, da gibt's &#x017F;chmachtende Herzen zu laben.</p><lb/>
        <p>Das Mädchen, das auf den Ruf der dur&#x017F;tigen Sturmglocke er¬<lb/>
&#x017F;chienen war, konnte man nicht an&#x017F;ehen ohne ihr freundlich ge&#x017F;innt zu<lb/>
werden. Sie trug auf einem wohlgewach&#x017F;enen Körper ein rundes,<lb/>
un&#x017F;chuldiges, gutmüthiges Ge&#x017F;ichtchen, ein weiblich mildes Abbild von<lb/>
den derben Zügen ihres Bruders, und zugleich eine Bürg&#x017F;chaft, daß<lb/>
auch hinter die&#x017F;er rauhen Schale ein guter Kern verborgen &#x017F;ein<lb/>
könnte.</p><lb/>
        <p>Hab' ich's nicht ge&#x017F;agt? rief der ältere Müller: und es verlohnt<lb/>
&#x017F;ich der Müh', es zweimal zu &#x017F;agen, wiewohl wir nicht in der Mühle<lb/>
&#x017F;ind! Das Mädle gäb' einen &#x017F;taatsmäßigen Arm voll, nicht zu viel<lb/>
und nicht zu wenig, für einen braven Jungge&#x017F;ellen.</p><lb/>
        <p>Er blickte dabei mit einer Spaßvogelsmiene auf den Andern. Wenn<lb/>
Ihr &#x017F;ie zu Eurer Käther hin heirathen wollt, &#x017F;o müßt Ihr eben ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0036] Pflanz' dich nur her, ſagte der Andere. Du gehörſt ja in Ein Element mit uns. Ein Glas Wein für den Fiſch! Willſt nicht? Und meinethalb noch einen Freitrunk drüber, daß der Weinkauf richtig iſt. So macht nur geſchwind, daß die Alte nicht dazu kommt, erwi¬ derte der Fiſcher. Aber mehr als einen auf den Mann kann ich nicht hergeben und hier könnet ihr ſie auch nicht eſſen, denn die Sonnen¬ wirthin darf beileib nichts davon wiſſen. Freilich, 's iſt ein halber Kirchenraub! rief der ältere Müller lachend, fuhr in den Kübel, griff mit ſicherer Hand eine große ſchöne Forelle heraus, zu welcher der Fiſcher gewaltig ſauer ſah, ſchlug ſie mit dem Kopf gegen die Tiſchecke, und ſteckte ſie eilig in die Taſche. Der Jüngere war eben ſo ſchnell ſeinem Beiſpiel gefolgt. So, Fiſcherhanne, ſagte der Aeltere, nachdem ſie den Handel be¬ endigt hatten, wir wollen das Element leben laſſen, das unſere gemein¬ ſchaftliche Nahrung iſt. Nahrung wohlverſtanden! denn für den Hunger iſt's zwar gut, aber nicht für den Durſt. Der Eulenſpiegel hat's allezeit den ſtarken Trank geheißen; es treibe Mühlräder, ſagte er, und deßhalb ſei es ihm zu ſtark für ſeine Natur. Er klingelte am Glaſe, um noch eine Flaſche zu beſtellen. Aber jetzt iſt's recht, rief er, als die Thüre aufging: jetzt kommt auch ein¬ mal die Oberkellnerin, die Magdalene. Komm her, du Hübſche und du Feine, da gibt's ſchmachtende Herzen zu laben. Das Mädchen, das auf den Ruf der durſtigen Sturmglocke er¬ ſchienen war, konnte man nicht anſehen ohne ihr freundlich geſinnt zu werden. Sie trug auf einem wohlgewachſenen Körper ein rundes, unſchuldiges, gutmüthiges Geſichtchen, ein weiblich mildes Abbild von den derben Zügen ihres Bruders, und zugleich eine Bürgſchaft, daß auch hinter dieſer rauhen Schale ein guter Kern verborgen ſein könnte. Hab' ich's nicht geſagt? rief der ältere Müller: und es verlohnt ſich der Müh', es zweimal zu ſagen, wiewohl wir nicht in der Mühle ſind! Das Mädle gäb' einen ſtaatsmäßigen Arm voll, nicht zu viel und nicht zu wenig, für einen braven Junggeſellen. Er blickte dabei mit einer Spaßvogelsmiene auf den Andern. Wenn Ihr ſie zu Eurer Käther hin heirathen wollt, ſo müßt Ihr eben ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/36
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/36>, abgerufen am 26.04.2024.