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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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"Da ich vernemme, daß der Erzböswicht Schwan immerhin um Ebers¬
bach herumschwärme und den Flecken in Sorgen und Aengsten setze,
als wolle der Herr Amtmann, um einen Versuch zu machen, ob er nicht
durch Finessen wiederum zur Hand zu bringen, dessen Vater, den
Sonnenwirth" -- endlich schreibt er doch einmal den richtigen Titel --
"auf den Abend zu sich berufen und ihm in der Stille die Anleitung
geben, daß er des Nachts die alte Müllerin zu sich in ein besonderes
Zimmer kommen lassen und simuliren solle, als wann er aus großer
Angst sich resolvirt, seinem Sohn die versprochene vierhundert Gulden,
und zwar zweihundert Gulden baar, zweihundert aber, wenn er in
Pennsylvanien wirklich angekommen, zu geben, ihro auch wirklich, um
es ihm zu bringen, etlich Gulden behändigen, und täglich heimlich
vor die Kinder essende Waaren zu schicken, und mit dem Geld Gulden¬
weis zu geben, um ihn sicher und in die Wirthshäuser der Nachbar¬
schaft schwärmend und ihne vollsaufend zu machen, continuiren solle,
was sich aber so ein als andernfalls von Zeit zu Zeit darauf ergebe,
um die Messures" -- beide lachten -- "darnach nemmen zu können,
dem Herrn Amtmann zu hinterbringen. Sollte durch diesen Modum
der Böswicht nicht zur Hand gebracht werden können, werde ich in¬
zwischen auf etwas andres raffiniren" -- raffinir' du und der Teufel!
bemerkte der Amtmann -- "und nicht nachlassen bis ich dessen habhaft
geworden. Unterdessen ist Alles möglichst geheim zu halten. Mit gött¬
lichen Schutzes Erlassung verharrend" et caetera.

Das Raffinement ist übrigens doch nicht so gänzlich aus der Luft
gegriffen, bemerkte die Amtmännin, welche aufmerksam zugehört hatte.
Und zwar könnten wir vielleicht noch einen Schritt weiter gehen. Daß
er seine Kinder bei der Großmutter fleißig besucht, obgleich es bis
jetzt nicht gelungen ist, ihn daselbst aufzuheben, darüber kann nach
seinem ganzen Temperament und Charakter kein Zweifel sein. Nun
käme es nur darauf an, ob man nicht das alte Muster, statt sie
durch einen zweifelhaften Versuch mißtrauisch zu machen, in's Complott
ziehen sollte.

Meinst du? fragte der Amtmann überrascht.

Natürlich müßte man da sehr reservirt zu Werke gehen. Wenn
es aber gelänge, so dürften der Herr Vogt und Expeditionsrath alle
ihre erlassenen Nasen wieder einziehen, und sollte ihnen dero hohes

„Da ich vernemme, daß der Erzböswicht Schwan immerhin um Ebers¬
bach herumſchwärme und den Flecken in Sorgen und Aengſten ſetze,
als wolle der Herr Amtmann, um einen Verſuch zu machen, ob er nicht
durch Fineſſen wiederum zur Hand zu bringen, deſſen Vater, den
Sonnenwirth“ — endlich ſchreibt er doch einmal den richtigen Titel —
„auf den Abend zu ſich berufen und ihm in der Stille die Anleitung
geben, daß er des Nachts die alte Müllerin zu ſich in ein beſonderes
Zimmer kommen laſſen und ſimuliren ſolle, als wann er aus großer
Angſt ſich reſolvirt, ſeinem Sohn die verſprochene vierhundert Gulden,
und zwar zweihundert Gulden baar, zweihundert aber, wenn er in
Pennſylvanien wirklich angekommen, zu geben, ihro auch wirklich, um
es ihm zu bringen, etlich Gulden behändigen, und täglich heimlich
vor die Kinder eſſende Waaren zu ſchicken, und mit dem Geld Gulden¬
weis zu geben, um ihn ſicher und in die Wirthshäuſer der Nachbar¬
ſchaft ſchwärmend und ihne vollſaufend zu machen, continuiren ſolle,
was ſich aber ſo ein als andernfalls von Zeit zu Zeit darauf ergebe,
um die Messures“ — beide lachten — „darnach nemmen zu können,
dem Herrn Amtmann zu hinterbringen. Sollte durch dieſen Modum
der Böswicht nicht zur Hand gebracht werden können, werde ich in¬
zwiſchen auf etwas andres raffiniren“ — raffinir' du und der Teufel!
bemerkte der Amtmann — „und nicht nachlaſſen bis ich deſſen habhaft
geworden. Unterdeſſen iſt Alles möglichſt geheim zu halten. Mit gött¬
lichen Schutzes Erlaſſung verharrend“ et caetera.

Das Raffinement iſt übrigens doch nicht ſo gänzlich aus der Luft
gegriffen, bemerkte die Amtmännin, welche aufmerkſam zugehört hatte.
Und zwar könnten wir vielleicht noch einen Schritt weiter gehen. Daß
er ſeine Kinder bei der Großmutter fleißig beſucht, obgleich es bis
jetzt nicht gelungen iſt, ihn daſelbſt aufzuheben, darüber kann nach
ſeinem ganzen Temperament und Charakter kein Zweifel ſein. Nun
käme es nur darauf an, ob man nicht das alte Muſter, ſtatt ſie
durch einen zweifelhaften Verſuch mißtrauiſch zu machen, in's Complott
ziehen ſollte.

Meinſt du? fragte der Amtmann überraſcht.

Natürlich müßte man da ſehr reſervirt zu Werke gehen. Wenn
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ihre erlaſſenen Naſen wieder einziehen, und ſollte ihnen dero hohes

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[328/0344] „Da ich vernemme, daß der Erzböswicht Schwan immerhin um Ebers¬ bach herumſchwärme und den Flecken in Sorgen und Aengſten ſetze, als wolle der Herr Amtmann, um einen Verſuch zu machen, ob er nicht durch Fineſſen wiederum zur Hand zu bringen, deſſen Vater, den Sonnenwirth“ — endlich ſchreibt er doch einmal den richtigen Titel — „auf den Abend zu ſich berufen und ihm in der Stille die Anleitung geben, daß er des Nachts die alte Müllerin zu ſich in ein beſonderes Zimmer kommen laſſen und ſimuliren ſolle, als wann er aus großer Angſt ſich reſolvirt, ſeinem Sohn die verſprochene vierhundert Gulden, und zwar zweihundert Gulden baar, zweihundert aber, wenn er in Pennſylvanien wirklich angekommen, zu geben, ihro auch wirklich, um es ihm zu bringen, etlich Gulden behändigen, und täglich heimlich vor die Kinder eſſende Waaren zu ſchicken, und mit dem Geld Gulden¬ weis zu geben, um ihn ſicher und in die Wirthshäuſer der Nachbar¬ ſchaft ſchwärmend und ihne vollſaufend zu machen, continuiren ſolle, was ſich aber ſo ein als andernfalls von Zeit zu Zeit darauf ergebe, um die Messures“ — beide lachten — „darnach nemmen zu können, dem Herrn Amtmann zu hinterbringen. Sollte durch dieſen Modum der Böswicht nicht zur Hand gebracht werden können, werde ich in¬ zwiſchen auf etwas andres raffiniren“ — raffinir' du und der Teufel! bemerkte der Amtmann — „und nicht nachlaſſen bis ich deſſen habhaft geworden. Unterdeſſen iſt Alles möglichſt geheim zu halten. Mit gött¬ lichen Schutzes Erlaſſung verharrend“ et caetera. Das Raffinement iſt übrigens doch nicht ſo gänzlich aus der Luft gegriffen, bemerkte die Amtmännin, welche aufmerkſam zugehört hatte. Und zwar könnten wir vielleicht noch einen Schritt weiter gehen. Daß er ſeine Kinder bei der Großmutter fleißig beſucht, obgleich es bis jetzt nicht gelungen iſt, ihn daſelbſt aufzuheben, darüber kann nach ſeinem ganzen Temperament und Charakter kein Zweifel ſein. Nun käme es nur darauf an, ob man nicht das alte Muſter, ſtatt ſie durch einen zweifelhaften Verſuch mißtrauiſch zu machen, in's Complott ziehen ſollte. Meinſt du? fragte der Amtmann überraſcht. Natürlich müßte man da ſehr reſervirt zu Werke gehen. Wenn es aber gelänge, ſo dürften der Herr Vogt und Expeditionsrath alle ihre erlaſſenen Naſen wieder einziehen, und ſollte ihnen dero hohes

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/344>, abgerufen am 16.05.2024.