ärgerlich: "Wohledler, vielgeehrter Herr Amtmann! Ich vernemme, daß die Anstalten, welche der Herr Amtmann bis dahero zur Beifahung des von der Festung echappirten Böswichts Friedrich Schwanen ge¬ machet, nicht die beste gewesen, und daß dardurch nur große Kosten gemachet, in der Hauptsach aber nichts gerichtet werde, wie es auch der Effect selbst gegeben, da es zumalen gut gewesen wäre, wann die Haussuchung unterblieben und dagegen das Müllerische Haus ex im¬ proviso überfallen worden wäre."
Sapperment! rief der Amtmann dazwischen: wenn der Einfalts¬ pinsel von Fischerhanne ihm hinterbracht hätte, der Schurke stecke drin, so würde er eben auch Haussuchung gehalten haben, bis er ihn ge¬ funden oder -- nicht gefunden hätte. Was hilft mich's aber das Haus zu überfallen, wenn ich ihn nicht drinnen weiß?
"Es wolle dahero" -- fuhr sie fort zu lesen -- "der Herr Amt¬ mann die bisherige nächtliche Patrouille abgehen lassen und dagegen ein paar vertraute Mann als Spionen bestellen, die etwan Nachbarn von dem Müllerischen Haus und in der Stille auf des Schwanen Aus- und Eingang Achtung geben, und alsdann in tempore davon Anzeig machen lassen. Da mir auch ferner bekannt, daß sich der Schütz fast täglich berausche", -- das ist wahr, bemerkte sie dazwi¬ schen -- "mit versoffenen Leuten aber nichts zu richten, sondern durch deren Ungeschicklichkeit Alles, zumal bei einem solchen Böswicht, ver¬ rathen seie, so wolle der Herr Amtmann ihne Schützen zur Nüchtern¬ heit ermahnen, und ihme dabei bedeuten, daß, wann ich noch ein ein¬ igsmal höre, daß er sich volltrinke, ich ihne ohne weiteres abschaffen werde." Mein Gott! bemerkte sie: was schreibt der Mann mesquin! Dein Geschäftsstyl athmet zwar auch nicht gerade Rosen und Lilien, aber mit dieser Diction da verglichen, liest er sich wie ein französischer Roman.
Den Schützen habe ich tüchtig abgecapitelt, sagte der Amtmann. Bei einem solchen Geschäft könnte übrigens der Solideste aus der Art schlagen lernen, geschweige der alte Zapf von Haus aus. Da er noch von Allen am meisten vertragen kann, so wird er dazu gebraucht, in den Wirthshäusern umher zu spioniren, ob man's nicht irgendwo in der Stille mit dem Verbrecher halte. Da muß er nun überall pro forma sei¬ nen Schoppen trinken -- ich selbst hab' ihm schon Geld dazu gegeben --
ärgerlich: „Wohledler, vielgeehrter Herr Amtmann! Ich vernemme, daß die Anſtalten, welche der Herr Amtmann bis dahero zur Beifahung des von der Feſtung echappirten Böswichts Friedrich Schwanen ge¬ machet, nicht die beſte geweſen, und daß dardurch nur große Koſten gemachet, in der Hauptſach aber nichts gerichtet werde, wie es auch der Effect ſelbſt gegeben, da es zumalen gut geweſen wäre, wann die Hausſuchung unterblieben und dagegen das Mülleriſche Haus ex im¬ proviso überfallen worden wäre.“
Sapperment! rief der Amtmann dazwiſchen: wenn der Einfalts¬ pinſel von Fiſcherhanne ihm hinterbracht hätte, der Schurke ſtecke drin, ſo würde er eben auch Hausſuchung gehalten haben, bis er ihn ge¬ funden oder — nicht gefunden hätte. Was hilft mich's aber das Haus zu überfallen, wenn ich ihn nicht drinnen weiß?
„Es wolle dahero“ — fuhr ſie fort zu leſen — „der Herr Amt¬ mann die bisherige nächtliche Patrouille abgehen laſſen und dagegen ein paar vertraute Mann als Spionen beſtellen, die etwan Nachbarn von dem Mülleriſchen Haus und in der Stille auf des Schwanen Aus- und Eingang Achtung geben, und alsdann in tempore davon Anzeig machen laſſen. Da mir auch ferner bekannt, daß ſich der Schütz faſt täglich berauſche“, — das iſt wahr, bemerkte ſie dazwi¬ ſchen — „mit verſoffenen Leuten aber nichts zu richten, ſondern durch deren Ungeſchicklichkeit Alles, zumal bei einem ſolchen Böswicht, ver¬ rathen ſeie, ſo wolle der Herr Amtmann ihne Schützen zur Nüchtern¬ heit ermahnen, und ihme dabei bedeuten, daß, wann ich noch ein ein¬ igsmal höre, daß er ſich volltrinke, ich ihne ohne weiteres abſchaffen werde.“ Mein Gott! bemerkte ſie: was ſchreibt der Mann mesquin! Dein Geſchäftsſtyl athmet zwar auch nicht gerade Roſen und Lilien, aber mit dieſer Diction da verglichen, liest er ſich wie ein franzöſiſcher Roman.
Den Schützen habe ich tüchtig abgecapitelt, ſagte der Amtmann. Bei einem ſolchen Geſchäft könnte übrigens der Solideſte aus der Art ſchlagen lernen, geſchweige der alte Zapf von Haus aus. Da er noch von Allen am meiſten vertragen kann, ſo wird er dazu gebraucht, in den Wirthshäuſern umher zu ſpioniren, ob man's nicht irgendwo in der Stille mit dem Verbrecher halte. Da muß er nun überall pro forma ſei¬ nen Schoppen trinken — ich ſelbſt hab' ihm ſchon Geld dazu gegeben —
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ärgerlich: „Wohledler, vielgeehrter Herr Amtmann! Ich vernemme, daß
die Anſtalten, welche der Herr Amtmann bis dahero zur Beifahung
des von der Feſtung echappirten Böswichts Friedrich Schwanen ge¬
machet, nicht die beſte geweſen, und daß dardurch nur große Koſten
gemachet, in der Hauptſach aber nichts gerichtet werde, wie es auch
der Effect ſelbſt gegeben, da es zumalen gut geweſen wäre, wann die
Hausſuchung unterblieben und dagegen das Mülleriſche Haus ex im¬
proviso überfallen worden wäre.“
Sapperment! rief der Amtmann dazwiſchen: wenn der Einfalts¬
pinſel von Fiſcherhanne ihm hinterbracht hätte, der Schurke ſtecke drin,
ſo würde er eben auch Hausſuchung gehalten haben, bis er ihn ge¬
funden oder — nicht gefunden hätte. Was hilft mich's aber das
Haus zu überfallen, wenn ich ihn nicht drinnen weiß?
„Es wolle dahero“ — fuhr ſie fort zu leſen — „der Herr Amt¬
mann die bisherige nächtliche Patrouille abgehen laſſen und dagegen
ein paar vertraute Mann als Spionen beſtellen, die etwan Nachbarn
von dem Mülleriſchen Haus und in der Stille auf des Schwanen
Aus- und Eingang Achtung geben, und alsdann in tempore davon
Anzeig machen laſſen. Da mir auch ferner bekannt, daß ſich der
Schütz faſt täglich berauſche“, — das iſt wahr, bemerkte ſie dazwi¬
ſchen — „mit verſoffenen Leuten aber nichts zu richten, ſondern durch
deren Ungeſchicklichkeit Alles, zumal bei einem ſolchen Böswicht, ver¬
rathen ſeie, ſo wolle der Herr Amtmann ihne Schützen zur Nüchtern¬
heit ermahnen, und ihme dabei bedeuten, daß, wann ich noch ein ein¬
igsmal höre, daß er ſich volltrinke, ich ihne ohne weiteres abſchaffen
werde.“ Mein Gott! bemerkte ſie: was ſchreibt der Mann mesquin!
Dein Geſchäftsſtyl athmet zwar auch nicht gerade Roſen und Lilien, aber
mit dieſer Diction da verglichen, liest er ſich wie ein franzöſiſcher
Roman.
Den Schützen habe ich tüchtig abgecapitelt, ſagte der Amtmann.
Bei einem ſolchen Geſchäft könnte übrigens der Solideſte aus der Art
ſchlagen lernen, geſchweige der alte Zapf von Haus aus. Da er noch
von Allen am meiſten vertragen kann, ſo wird er dazu gebraucht, in den
Wirthshäuſern umher zu ſpioniren, ob man's nicht irgendwo in der Stille
mit dem Verbrecher halte. Da muß er nun überall pro forma ſei¬
nen Schoppen trinken — ich ſelbſt hab' ihm ſchon Geld dazu gegeben —
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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