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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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kennen. Aber gelt, sagte sie, ich hab' auch nicht lang gefragt, wie
ich dich gesehen hab'? Du hast nur sagen dürfen: Geh mit! und
gleich bin ich gangen.

So ist's recht, versetzte er. Wir sind ja Mann und Weib. An
Gottes Segen ist Alles, an der Pfaffen Segen gar nichts gelegen.

Jetzt erzähl' weiter, drängte sie.

Auf Hohentwiel, fuhr er fort, hab' ich keine gute Zeit gehabt.
Harte, schwere Arbeit und lüderliche Kost Tag aus Tag ein, immer
das nämliche Leben zwei Jahre lang, und dazu die Aussicht, daß es
in alle Ewigkeit so bleiben soll. Da kann einem der Spaß vergehen.
Ich hab' aber den Muth nicht sinken lassen, und gleich ein paar Wo¬
chen nach meinem Eintritt hab' ich mich zu salviren versucht. Das
ist aber nicht so leicht wie im Zuchthaus, von wo mir's ein Kinder¬
spiel war, dich ein paarmal zu besuchen. Sie haben mich zum Festungs¬
bau gebraucht, denn an ihrer unüberwindlichen und unübersteiglichen
Festung, wie sie's heißen, bauen sie beständig fort, wie am Thurn zu
Babel, um sie immer noch unüberwindlicher und unübersteiglicher zu
machen. Wenn ich eine Armee gegen sie zu führen hätte, ich wollt'
ihnen ventre a terre im Nest sitzen, eh' sie's merkten, denn ich weiß,
wo ihr berühmtes Kleinod schadhaft ist. Das erstemal ist mir's aber
schlecht gerathen, da hab' ich noch im Bubenunverstand und im Despe¬
rationsfieber gehandelt, bin nur grad' mitten in die Freiheit hineinge¬
sprungen, wo sie am breitsten und aber auch am tiefsten war, von
einer großen Höhe herunter, aber dann auch keinen Schritt weiter
mehr. Die Wachen haben gleich nach mir geschossen, aber von oben
her trifft man nicht so geschwind, und das Schießen war unnöthig,
denn ich blieb ganz ruhig liegen, weil ich den Fuß gebrochen hatte.
Nachdem ich geheilt war, mußte ich wieder arbeiten, und bei Nacht
sperrten sie mich allein in ein Käfig, wo ich von lauter Quadern
umgeben war. Nun war ich schon so gewitzigt, um zu wissen daß
das Verzweifeln zu gar nichts hilft, fraß also allen Grimm und allen
Jammer um dich und allen Durst nach Befreiung in mich hinein,
Tag und Nacht, und hielt mich still, als ob ich ganz zufrieden wär'
und hätte die Welt vergessen. Geduld, sagt das Sprichwort, Geduld
überwindet Sauerkraut; aber freilich, man darf dabei nicht müßig
gehen. Zum Glück hatte ich schon im Ludwigsburger Zuchthaus einige

kennen. Aber gelt, ſagte ſie, ich hab' auch nicht lang gefragt, wie
ich dich geſehen hab'? Du haſt nur ſagen dürfen: Geh mit! und
gleich bin ich gangen.

So iſt's recht, verſetzte er. Wir ſind ja Mann und Weib. An
Gottes Segen iſt Alles, an der Pfaffen Segen gar nichts gelegen.

Jetzt erzähl' weiter, drängte ſie.

Auf Hohentwiel, fuhr er fort, hab' ich keine gute Zeit gehabt.
Harte, ſchwere Arbeit und lüderliche Koſt Tag aus Tag ein, immer
das nämliche Leben zwei Jahre lang, und dazu die Ausſicht, daß es
in alle Ewigkeit ſo bleiben ſoll. Da kann einem der Spaß vergehen.
Ich hab' aber den Muth nicht ſinken laſſen, und gleich ein paar Wo¬
chen nach meinem Eintritt hab' ich mich zu ſalviren verſucht. Das
iſt aber nicht ſo leicht wie im Zuchthaus, von wo mir's ein Kinder¬
ſpiel war, dich ein paarmal zu beſuchen. Sie haben mich zum Feſtungs¬
bau gebraucht, denn an ihrer unüberwindlichen und unüberſteiglichen
Feſtung, wie ſie's heißen, bauen ſie beſtändig fort, wie am Thurn zu
Babel, um ſie immer noch unüberwindlicher und unüberſteiglicher zu
machen. Wenn ich eine Armee gegen ſie zu führen hätte, ich wollt'
ihnen ventre à terre im Neſt ſitzen, eh' ſie's merkten, denn ich weiß,
wo ihr berühmtes Kleinod ſchadhaft iſt. Das erſtemal iſt mir's aber
ſchlecht gerathen, da hab' ich noch im Bubenunverſtand und im Deſpe¬
rationsfieber gehandelt, bin nur grad' mitten in die Freiheit hineinge¬
ſprungen, wo ſie am breitſten und aber auch am tiefſten war, von
einer großen Höhe herunter, aber dann auch keinen Schritt weiter
mehr. Die Wachen haben gleich nach mir geſchoſſen, aber von oben
her trifft man nicht ſo geſchwind, und das Schießen war unnöthig,
denn ich blieb ganz ruhig liegen, weil ich den Fuß gebrochen hatte.
Nachdem ich geheilt war, mußte ich wieder arbeiten, und bei Nacht
ſperrten ſie mich allein in ein Käfig, wo ich von lauter Quadern
umgeben war. Nun war ich ſchon ſo gewitzigt, um zu wiſſen daß
das Verzweifeln zu gar nichts hilft, fraß alſo allen Grimm und allen
Jammer um dich und allen Durſt nach Befreiung in mich hinein,
Tag und Nacht, und hielt mich ſtill, als ob ich ganz zufrieden wär'
und hätte die Welt vergeſſen. Geduld, ſagt das Sprichwort, Geduld
überwindet Sauerkraut; aber freilich, man darf dabei nicht müßig
gehen. Zum Glück hatte ich ſchon im Ludwigsburger Zuchthaus einige

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[296/0312] kennen. Aber gelt, ſagte ſie, ich hab' auch nicht lang gefragt, wie ich dich geſehen hab'? Du haſt nur ſagen dürfen: Geh mit! und gleich bin ich gangen. So iſt's recht, verſetzte er. Wir ſind ja Mann und Weib. An Gottes Segen iſt Alles, an der Pfaffen Segen gar nichts gelegen. Jetzt erzähl' weiter, drängte ſie. Auf Hohentwiel, fuhr er fort, hab' ich keine gute Zeit gehabt. Harte, ſchwere Arbeit und lüderliche Koſt Tag aus Tag ein, immer das nämliche Leben zwei Jahre lang, und dazu die Ausſicht, daß es in alle Ewigkeit ſo bleiben ſoll. Da kann einem der Spaß vergehen. Ich hab' aber den Muth nicht ſinken laſſen, und gleich ein paar Wo¬ chen nach meinem Eintritt hab' ich mich zu ſalviren verſucht. Das iſt aber nicht ſo leicht wie im Zuchthaus, von wo mir's ein Kinder¬ ſpiel war, dich ein paarmal zu beſuchen. Sie haben mich zum Feſtungs¬ bau gebraucht, denn an ihrer unüberwindlichen und unüberſteiglichen Feſtung, wie ſie's heißen, bauen ſie beſtändig fort, wie am Thurn zu Babel, um ſie immer noch unüberwindlicher und unüberſteiglicher zu machen. Wenn ich eine Armee gegen ſie zu führen hätte, ich wollt' ihnen ventre à terre im Neſt ſitzen, eh' ſie's merkten, denn ich weiß, wo ihr berühmtes Kleinod ſchadhaft iſt. Das erſtemal iſt mir's aber ſchlecht gerathen, da hab' ich noch im Bubenunverſtand und im Deſpe¬ rationsfieber gehandelt, bin nur grad' mitten in die Freiheit hineinge¬ ſprungen, wo ſie am breitſten und aber auch am tiefſten war, von einer großen Höhe herunter, aber dann auch keinen Schritt weiter mehr. Die Wachen haben gleich nach mir geſchoſſen, aber von oben her trifft man nicht ſo geſchwind, und das Schießen war unnöthig, denn ich blieb ganz ruhig liegen, weil ich den Fuß gebrochen hatte. Nachdem ich geheilt war, mußte ich wieder arbeiten, und bei Nacht ſperrten ſie mich allein in ein Käfig, wo ich von lauter Quadern umgeben war. Nun war ich ſchon ſo gewitzigt, um zu wiſſen daß das Verzweifeln zu gar nichts hilft, fraß alſo allen Grimm und allen Jammer um dich und allen Durſt nach Befreiung in mich hinein, Tag und Nacht, und hielt mich ſtill, als ob ich ganz zufrieden wär' und hätte die Welt vergeſſen. Geduld, ſagt das Sprichwort, Geduld überwindet Sauerkraut; aber freilich, man darf dabei nicht müßig gehen. Zum Glück hatte ich ſchon im Ludwigsburger Zuchthaus einige

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/312>, abgerufen am 22.11.2024.