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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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auf der Straße herausfuhr, mußte Halt machen, weil ihn das Ge¬
dränge nicht durchließ. Bei den Pferden stand der alte Fuhrmann
und blickte, traurig den Kopf schüttelnd, nach dem verwahrlosten Jüng¬
ling hinauf, den er hatte retten wollen. In seinen gefurchten Zügen
malte sich eine trübselige Befriedigung; er nickte ein paarmal und
sagte vor sich hin: Hab' auch wieder einmal eine richtige Vorahnung
gehabt.

Der Sonnenwirth, der sich halbtodt schämte, hatte sich mit dem
verwundeten Knechte zu seinem Schwiegersohne, dem Chirurgen, zurück¬
gezogen, und schickte diesen, ob er dem schmählichen Auftritte nicht auf
irgend eine Weise ein Ende machen könne. Der Chirurg, nachdem
er die Wunde des Knechts untersucht und verbunden, drängte sich durch
die Menge, wurde von dem Amtmann, der rathlos, was er befehlen
sollte, in der Hausthür der Sonne stand, herbei gewinkt und mit ei¬
nem heimlichen Auftrage versehen, drängte sich wieder in die Straße
durch und gab Zeichen nach dem Dache, um die Aufmerksamkeit seines
jungen Schwagers auf sich zu ziehen. Friedrich, der ihn mit seinen
Falkenaugen schon längst bemerkt und angerufen hatte, ohne in dem
Tumult vernommen zu werden, schrie mit einer Stimme, die Alle
übertönte: Still da drunten! Ein zorniges Gelächter der Menge ant¬
wortete ihm. Der Chirurg aber bat und beschwor die Umstehenden
so lange, bis wenigstens in der Nähe der Lärm sich etwas legte und
eine nothdürftige Stille entstand. Herr Schwager! rief jetzt Friedrich
herab: was macht der Peter?

Er ist den Umständen nach ganz wohl! antwortete der Chirurg
durch die vorgehaltenen Hände, mit welchen er das etwas schwache
Erzeugniß seiner Lunge zu verstärken suchte: die Wunde ist gar nicht
gefährlich!

Gott sei Lob und Dank! rief Friedlich und schlug die Hände er¬
freut zusammen.

Gib doch Acht! sei nicht so frech! schrien Einige von denen, die
ihm wohlwollten.

Das hat kein' Noth! antwortete er und drehte sich wie der Blitz
herum, so daß er, die Kniee schnell wieder an das Dach anstemmend,
nach der entgegengesetzten Seite gerichtet saß. Das tolldreiste Kunst¬
stück, das er in der Freude seines Herzens machte, rief bei der Menge

auf der Straße herausfuhr, mußte Halt machen, weil ihn das Ge¬
dränge nicht durchließ. Bei den Pferden ſtand der alte Fuhrmann
und blickte, traurig den Kopf ſchüttelnd, nach dem verwahrloſten Jüng¬
ling hinauf, den er hatte retten wollen. In ſeinen gefurchten Zügen
malte ſich eine trübſelige Befriedigung; er nickte ein paarmal und
ſagte vor ſich hin: Hab' auch wieder einmal eine richtige Vorahnung
gehabt.

Der Sonnenwirth, der ſich halbtodt ſchämte, hatte ſich mit dem
verwundeten Knechte zu ſeinem Schwiegerſohne, dem Chirurgen, zurück¬
gezogen, und ſchickte dieſen, ob er dem ſchmählichen Auftritte nicht auf
irgend eine Weiſe ein Ende machen könne. Der Chirurg, nachdem
er die Wunde des Knechts unterſucht und verbunden, drängte ſich durch
die Menge, wurde von dem Amtmann, der rathlos, was er befehlen
ſollte, in der Hausthür der Sonne ſtand, herbei gewinkt und mit ei¬
nem heimlichen Auftrage verſehen, drängte ſich wieder in die Straße
durch und gab Zeichen nach dem Dache, um die Aufmerkſamkeit ſeines
jungen Schwagers auf ſich zu ziehen. Friedrich, der ihn mit ſeinen
Falkenaugen ſchon längſt bemerkt und angerufen hatte, ohne in dem
Tumult vernommen zu werden, ſchrie mit einer Stimme, die Alle
übertönte: Still da drunten! Ein zorniges Gelächter der Menge ant¬
wortete ihm. Der Chirurg aber bat und beſchwor die Umſtehenden
ſo lange, bis wenigſtens in der Nähe der Lärm ſich etwas legte und
eine nothdürftige Stille entſtand. Herr Schwager! rief jetzt Friedrich
herab: was macht der Peter?

Er iſt den Umſtänden nach ganz wohl! antwortete der Chirurg
durch die vorgehaltenen Hände, mit welchen er das etwas ſchwache
Erzeugniß ſeiner Lunge zu verſtärken ſuchte: die Wunde iſt gar nicht
gefährlich!

Gott ſei Lob und Dank! rief Friedlich und ſchlug die Hände er¬
freut zuſammen.

Gib doch Acht! ſei nicht ſo frech! ſchrien Einige von denen, die
ihm wohlwollten.

Das hat kein' Noth! antwortete er und drehte ſich wie der Blitz
herum, ſo daß er, die Kniee ſchnell wieder an das Dach anſtemmend,
nach der entgegengeſetzten Seite gerichtet ſaß. Das tolldreiſte Kunſt¬
ſtück, das er in der Freude ſeines Herzens machte, rief bei der Menge

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[261/0277] auf der Straße herausfuhr, mußte Halt machen, weil ihn das Ge¬ dränge nicht durchließ. Bei den Pferden ſtand der alte Fuhrmann und blickte, traurig den Kopf ſchüttelnd, nach dem verwahrloſten Jüng¬ ling hinauf, den er hatte retten wollen. In ſeinen gefurchten Zügen malte ſich eine trübſelige Befriedigung; er nickte ein paarmal und ſagte vor ſich hin: Hab' auch wieder einmal eine richtige Vorahnung gehabt. Der Sonnenwirth, der ſich halbtodt ſchämte, hatte ſich mit dem verwundeten Knechte zu ſeinem Schwiegerſohne, dem Chirurgen, zurück¬ gezogen, und ſchickte dieſen, ob er dem ſchmählichen Auftritte nicht auf irgend eine Weiſe ein Ende machen könne. Der Chirurg, nachdem er die Wunde des Knechts unterſucht und verbunden, drängte ſich durch die Menge, wurde von dem Amtmann, der rathlos, was er befehlen ſollte, in der Hausthür der Sonne ſtand, herbei gewinkt und mit ei¬ nem heimlichen Auftrage verſehen, drängte ſich wieder in die Straße durch und gab Zeichen nach dem Dache, um die Aufmerkſamkeit ſeines jungen Schwagers auf ſich zu ziehen. Friedrich, der ihn mit ſeinen Falkenaugen ſchon längſt bemerkt und angerufen hatte, ohne in dem Tumult vernommen zu werden, ſchrie mit einer Stimme, die Alle übertönte: Still da drunten! Ein zorniges Gelächter der Menge ant¬ wortete ihm. Der Chirurg aber bat und beſchwor die Umſtehenden ſo lange, bis wenigſtens in der Nähe der Lärm ſich etwas legte und eine nothdürftige Stille entſtand. Herr Schwager! rief jetzt Friedrich herab: was macht der Peter? Er iſt den Umſtänden nach ganz wohl! antwortete der Chirurg durch die vorgehaltenen Hände, mit welchen er das etwas ſchwache Erzeugniß ſeiner Lunge zu verſtärken ſuchte: die Wunde iſt gar nicht gefährlich! Gott ſei Lob und Dank! rief Friedlich und ſchlug die Hände er¬ freut zuſammen. Gib doch Acht! ſei nicht ſo frech! ſchrien Einige von denen, die ihm wohlwollten. Das hat kein' Noth! antwortete er und drehte ſich wie der Blitz herum, ſo daß er, die Kniee ſchnell wieder an das Dach anſtemmend, nach der entgegengeſetzten Seite gerichtet ſaß. Das tolldreiſte Kunſt¬ ſtück, das er in der Freude ſeines Herzens machte, rief bei der Menge

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/277>, abgerufen am 25.11.2024.