Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

gemessener Eile erhob und der Thüre zuging: 's gibt noch mehr
Wirthshäuser in Ebersbach.

Mein'twegen! rief der Sonnenwirth.

Der Alte ging hinaus, nachdem er der Gesellschaft Adje beisammen!
zugerufen hatte. Draußen traf er auf Friedrich, der die Treppe lang¬
sam und nachdenklich heraufkam. Frieder, sagte er zu ihm und legte
ihm die Hand auf die Schulter, wir kennen einander schon lang, ich
hab' dich oft 'rumtragen, wie du noch klein gewesen bist, und hab'
dich auf meine Gäul' sitzen lassen.

Ha freilich, Bot'! erwiderte Friedrich aufgeheitert. Wir sind immer
gut Freund' gewesen. Wißt Ihr's nimmer? Ich hab' Euch ja ein¬
mal den Wagen ausplündert, dem langen Mathes, dem Knecht, zum
Torten.

Weiß wohl, Friederle, dir ist aber auch mancher Tort gespielt
worden, und mein kleiner Finger sagt mir, es stehen dir noch ärgere
bevor. Komm, Frieder, komm du mit mir. Alt bin ich, kein Kind
hab' ich nicht, mein Handwerk kennst du -- ich will dich annehmen.
Ich spür's, deines Bleibens ist nicht mehr in dem Haus da, es thut
nicht lang mehr gut. Komm mit mir, sag' ich. Du kennst mich: ich
halt' dich rauh, wie ich selber bin und wie's bei meinem Wesen her¬
geht, aber ich halt' dich wie ein Vater.

Botenjakob! stammelte Friedrich betreten und zögernd, das ist ein
Wort, das alles Danks werth ist -- aber Ihr werdet mir's gewiß
nicht verargen, wenn ich sag': es will überlegt sein. Was sollt' denn
aus meiner Christine werden?

Mein Fuhrwesen, sagte der Alte, trägt dich und mich, aber ein
Haus voll Kinder trägt's nicht mehr, seit die Straß' durch's Rems¬
thal verbessert ist, und du kannst mir nicht zumuthen, daß ich in mei¬
nem Alter noch Hunger leiden soll.

Wie könnt' Ihr mein Fragen so auslegen? unterbrach ihn Friedrich
tief verletzt. Haltet Ihr mich im Ernst für so undankbar und un¬
verschämt?

Nein, nein! versetzte der Alte mit sanfterer Stimme. Mußt
nicht gleich so auffahren, wie dein Vater. Man red't ja nur. Deine
Christine wirst freilich nicht mitnehmen können, aber wenn ich einmal

gemeſſener Eile erhob und der Thüre zuging: 's gibt noch mehr
Wirthshäuſer in Ebersbach.

Mein'twegen! rief der Sonnenwirth.

Der Alte ging hinaus, nachdem er der Geſellſchaft Adje beiſammen!
zugerufen hatte. Draußen traf er auf Friedrich, der die Treppe lang¬
ſam und nachdenklich heraufkam. Frieder, ſagte er zu ihm und legte
ihm die Hand auf die Schulter, wir kennen einander ſchon lang, ich
hab' dich oft 'rumtragen, wie du noch klein geweſen biſt, und hab'
dich auf meine Gäul' ſitzen laſſen.

Ha freilich, Bot'! erwiderte Friedrich aufgeheitert. Wir ſind immer
gut Freund' geweſen. Wißt Ihr's nimmer? Ich hab' Euch ja ein¬
mal den Wagen ausplündert, dem langen Mathes, dem Knecht, zum
Torten.

Weiß wohl, Friederle, dir iſt aber auch mancher Tort geſpielt
worden, und mein kleiner Finger ſagt mir, es ſtehen dir noch ärgere
bevor. Komm, Frieder, komm du mit mir. Alt bin ich, kein Kind
hab' ich nicht, mein Handwerk kennſt du — ich will dich annehmen.
Ich ſpür's, deines Bleibens iſt nicht mehr in dem Haus da, es thut
nicht lang mehr gut. Komm mit mir, ſag' ich. Du kennſt mich: ich
halt' dich rauh, wie ich ſelber bin und wie's bei meinem Weſen her¬
geht, aber ich halt' dich wie ein Vater.

Botenjakob! ſtammelte Friedrich betreten und zögernd, das iſt ein
Wort, das alles Danks werth iſt — aber Ihr werdet mir's gewiß
nicht verargen, wenn ich ſag': es will überlegt ſein. Was ſollt' denn
aus meiner Chriſtine werden?

Mein Fuhrweſen, ſagte der Alte, trägt dich und mich, aber ein
Haus voll Kinder trägt's nicht mehr, ſeit die Straß' durch's Rems¬
thal verbeſſert iſt, und du kannſt mir nicht zumuthen, daß ich in mei¬
nem Alter noch Hunger leiden ſoll.

Wie könnt' Ihr mein Fragen ſo auslegen? unterbrach ihn Friedrich
tief verletzt. Haltet Ihr mich im Ernſt für ſo undankbar und un¬
verſchämt?

Nein, nein! verſetzte der Alte mit ſanfterer Stimme. Mußt
nicht gleich ſo auffahren, wie dein Vater. Man red't ja nur. Deine
Chriſtine wirſt freilich nicht mitnehmen können, aber wenn ich einmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="250"/>
geme&#x017F;&#x017F;ener Eile erhob und der Thüre zuging: 's gibt noch mehr<lb/>
Wirthshäu&#x017F;er in Ebersbach.</p><lb/>
        <p>Mein'twegen! rief der Sonnenwirth.</p><lb/>
        <p>Der Alte ging hinaus, nachdem er der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft Adje bei&#x017F;ammen!<lb/>
zugerufen hatte. Draußen traf er auf Friedrich, der die Treppe lang¬<lb/>
&#x017F;am und nachdenklich heraufkam. Frieder, &#x017F;agte er zu ihm und legte<lb/>
ihm die Hand auf die Schulter, wir kennen einander &#x017F;chon lang, ich<lb/>
hab' dich oft 'rumtragen, wie du noch klein gewe&#x017F;en bi&#x017F;t, und hab'<lb/>
dich auf meine Gäul' &#x017F;itzen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Ha freilich, Bot'! erwiderte Friedrich aufgeheitert. Wir &#x017F;ind immer<lb/>
gut Freund' gewe&#x017F;en. Wißt Ihr's nimmer? Ich hab' Euch ja ein¬<lb/>
mal den Wagen ausplündert, dem langen Mathes, dem Knecht, zum<lb/>
Torten.</p><lb/>
        <p>Weiß wohl, Friederle, dir i&#x017F;t aber auch mancher Tort ge&#x017F;pielt<lb/>
worden, und mein kleiner Finger &#x017F;agt mir, es &#x017F;tehen dir noch ärgere<lb/>
bevor. Komm, Frieder, komm du mit mir. Alt bin ich, kein Kind<lb/>
hab' ich nicht, mein Handwerk kenn&#x017F;t du &#x2014; ich will dich annehmen.<lb/>
Ich &#x017F;pür's, deines Bleibens i&#x017F;t nicht mehr in dem Haus da, es thut<lb/>
nicht lang mehr gut. Komm mit mir, &#x017F;ag' ich. Du kenn&#x017F;t mich: ich<lb/>
halt' dich rauh, wie ich &#x017F;elber bin und wie's bei meinem We&#x017F;en her¬<lb/>
geht, aber ich halt' dich wie ein Vater.</p><lb/>
        <p>Botenjakob! &#x017F;tammelte Friedrich betreten und zögernd, das i&#x017F;t ein<lb/>
Wort, das alles Danks werth i&#x017F;t &#x2014; aber Ihr werdet mir's gewiß<lb/>
nicht verargen, wenn ich &#x017F;ag': es will überlegt &#x017F;ein. Was &#x017F;ollt' denn<lb/>
aus meiner Chri&#x017F;tine werden?</p><lb/>
        <p>Mein Fuhrwe&#x017F;en, &#x017F;agte der Alte, trägt dich und mich, aber ein<lb/>
Haus voll Kinder trägt's nicht mehr, &#x017F;eit die Straß' durch's Rems¬<lb/>
thal verbe&#x017F;&#x017F;ert i&#x017F;t, und du kann&#x017F;t mir nicht zumuthen, daß ich in mei¬<lb/>
nem Alter noch Hunger leiden &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Wie könnt' Ihr mein Fragen &#x017F;o auslegen? unterbrach ihn Friedrich<lb/>
tief verletzt. Haltet Ihr mich im Ern&#x017F;t für &#x017F;o undankbar und un¬<lb/>
ver&#x017F;chämt?</p><lb/>
        <p>Nein, nein! ver&#x017F;etzte der Alte mit &#x017F;anfterer Stimme. Mußt<lb/>
nicht gleich &#x017F;o auffahren, wie dein Vater. Man red't ja nur. Deine<lb/>
Chri&#x017F;tine wir&#x017F;t freilich nicht mitnehmen können, aber wenn ich einmal<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0266] gemeſſener Eile erhob und der Thüre zuging: 's gibt noch mehr Wirthshäuſer in Ebersbach. Mein'twegen! rief der Sonnenwirth. Der Alte ging hinaus, nachdem er der Geſellſchaft Adje beiſammen! zugerufen hatte. Draußen traf er auf Friedrich, der die Treppe lang¬ ſam und nachdenklich heraufkam. Frieder, ſagte er zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter, wir kennen einander ſchon lang, ich hab' dich oft 'rumtragen, wie du noch klein geweſen biſt, und hab' dich auf meine Gäul' ſitzen laſſen. Ha freilich, Bot'! erwiderte Friedrich aufgeheitert. Wir ſind immer gut Freund' geweſen. Wißt Ihr's nimmer? Ich hab' Euch ja ein¬ mal den Wagen ausplündert, dem langen Mathes, dem Knecht, zum Torten. Weiß wohl, Friederle, dir iſt aber auch mancher Tort geſpielt worden, und mein kleiner Finger ſagt mir, es ſtehen dir noch ärgere bevor. Komm, Frieder, komm du mit mir. Alt bin ich, kein Kind hab' ich nicht, mein Handwerk kennſt du — ich will dich annehmen. Ich ſpür's, deines Bleibens iſt nicht mehr in dem Haus da, es thut nicht lang mehr gut. Komm mit mir, ſag' ich. Du kennſt mich: ich halt' dich rauh, wie ich ſelber bin und wie's bei meinem Weſen her¬ geht, aber ich halt' dich wie ein Vater. Botenjakob! ſtammelte Friedrich betreten und zögernd, das iſt ein Wort, das alles Danks werth iſt — aber Ihr werdet mir's gewiß nicht verargen, wenn ich ſag': es will überlegt ſein. Was ſollt' denn aus meiner Chriſtine werden? Mein Fuhrweſen, ſagte der Alte, trägt dich und mich, aber ein Haus voll Kinder trägt's nicht mehr, ſeit die Straß' durch's Rems¬ thal verbeſſert iſt, und du kannſt mir nicht zumuthen, daß ich in mei¬ nem Alter noch Hunger leiden ſoll. Wie könnt' Ihr mein Fragen ſo auslegen? unterbrach ihn Friedrich tief verletzt. Haltet Ihr mich im Ernſt für ſo undankbar und un¬ verſchämt? Nein, nein! verſetzte der Alte mit ſanfterer Stimme. Mußt nicht gleich ſo auffahren, wie dein Vater. Man red't ja nur. Deine Chriſtine wirſt freilich nicht mitnehmen können, aber wenn ich einmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/266
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/266>, abgerufen am 22.11.2024.