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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Schutz nehmen zu müssen glaubten, mit seiner Stimme nicht durch¬
dringen konnte, so setzte er sich schnell wieder, ergriff die Feder und
schien sich heftig schreibend im Protokoll Recht verschaffen zu wollen.

Als der Tumult verstummte, sagte der Amtmann zum Pfarrer:
Haben Sie auch im Protokoll angemerkt, Herr Pfarrer, wie recht¬
fertig er ist?

Ja wohl, Herr Amtmann, antwortete der Pfarrer mit großer Be¬
friedigung, und zeigte ihm das Protokoll. Sehen Sie, hier steht's
schon geschrieben: "Bei aller seiner äußersten Bosheit will er immer
noch Recht haben."

Ich hoff', es ist noch eine Gerechtigkeit über uns, versetzte Friedrich,
Ebersbach ist noch nicht die Welt, ich will mich schon vor dem Herrn
Vogt und Special verantworten, Euer Protokoll und Bericht, Ihr
Herren, ist nicht nöthig.

Schweig' Er nur jetzt still, sagte der Amtmann ruhig, Sein Maß
wird nachgerade ziemlich voll sein. Uebrigens bin ich der Meinung,
Herr Pfarrer, daß der Kläger zum Schluß aufgefordert werden solle,
zu erklären, ob er denn seinen Consens zu der Heirath noch nicht
geben wolle.

Ja wohl, sagte der Pfarrer, die Frage ist der Form wegen noth¬
wendig und ich stelle sie hiermit an den Herrn Sonnenwirth.

Der Sonnenwirth war bestürzt darüber, daß die beiden Vorgesetz¬
ten, deren Ansichten er doch hauptsächlich bis jetzt gefolgt war, sich
gegen ihn einer Fragestellung bedienten, die ihn gleichsam im Stiche
ließ. Er kratzte sich hinter dem Ohr und stotterte endlich: Ich weiß
nicht, was ich thun soll, ich sehe eben nichts Anderes voraus, als daß
es sein Verderben ist.

Gut, sagte der Pfarrer. Es können nunmehro beide abtreten,
und wird das Alles an's Oberamt berichtet werden.

Vater und Sohn gingen mit einander vom Rathhause fort und
nach Hause, ohne unterwegs ein Wort mit einander zu reden.

Sie waren nicht mehr weit von der Sonne entfernt, als eine
Stimme über ihnen rief: Herr Sonnenwirth, schämt Er sich nicht,
Seinen Sohn vor Kirchenconvent zu verklagen, wo die alten Weiber
hinlaufen?

Schutz nehmen zu müſſen glaubten, mit ſeiner Stimme nicht durch¬
dringen konnte, ſo ſetzte er ſich ſchnell wieder, ergriff die Feder und
ſchien ſich heftig ſchreibend im Protokoll Recht verſchaffen zu wollen.

Als der Tumult verſtummte, ſagte der Amtmann zum Pfarrer:
Haben Sie auch im Protokoll angemerkt, Herr Pfarrer, wie recht¬
fertig er iſt?

Ja wohl, Herr Amtmann, antwortete der Pfarrer mit großer Be¬
friedigung, und zeigte ihm das Protokoll. Sehen Sie, hier ſteht's
ſchon geſchrieben: „Bei aller ſeiner äußerſten Bosheit will er immer
noch Recht haben.“

Ich hoff', es iſt noch eine Gerechtigkeit über uns, verſetzte Friedrich,
Ebersbach iſt noch nicht die Welt, ich will mich ſchon vor dem Herrn
Vogt und Special verantworten, Euer Protokoll und Bericht, Ihr
Herren, iſt nicht nöthig.

Schweig' Er nur jetzt ſtill, ſagte der Amtmann ruhig, Sein Maß
wird nachgerade ziemlich voll ſein. Uebrigens bin ich der Meinung,
Herr Pfarrer, daß der Kläger zum Schluß aufgefordert werden ſolle,
zu erklären, ob er denn ſeinen Conſens zu der Heirath noch nicht
geben wolle.

Ja wohl, ſagte der Pfarrer, die Frage iſt der Form wegen noth¬
wendig und ich ſtelle ſie hiermit an den Herrn Sonnenwirth.

Der Sonnenwirth war beſtürzt darüber, daß die beiden Vorgeſetz¬
ten, deren Anſichten er doch hauptſächlich bis jetzt gefolgt war, ſich
gegen ihn einer Frageſtellung bedienten, die ihn gleichſam im Stiche
ließ. Er kratzte ſich hinter dem Ohr und ſtotterte endlich: Ich weiß
nicht, was ich thun ſoll, ich ſehe eben nichts Anderes voraus, als daß
es ſein Verderben iſt.

Gut, ſagte der Pfarrer. Es können nunmehro beide abtreten,
und wird das Alles an's Oberamt berichtet werden.

Vater und Sohn gingen mit einander vom Rathhauſe fort und
nach Hauſe, ohne unterwegs ein Wort mit einander zu reden.

Sie waren nicht mehr weit von der Sonne entfernt, als eine
Stimme über ihnen rief: Herr Sonnenwirth, ſchämt Er ſich nicht,
Seinen Sohn vor Kirchenconvent zu verklagen, wo die alten Weiber
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[210/0226] Schutz nehmen zu müſſen glaubten, mit ſeiner Stimme nicht durch¬ dringen konnte, ſo ſetzte er ſich ſchnell wieder, ergriff die Feder und ſchien ſich heftig ſchreibend im Protokoll Recht verſchaffen zu wollen. Als der Tumult verſtummte, ſagte der Amtmann zum Pfarrer: Haben Sie auch im Protokoll angemerkt, Herr Pfarrer, wie recht¬ fertig er iſt? Ja wohl, Herr Amtmann, antwortete der Pfarrer mit großer Be¬ friedigung, und zeigte ihm das Protokoll. Sehen Sie, hier ſteht's ſchon geſchrieben: „Bei aller ſeiner äußerſten Bosheit will er immer noch Recht haben.“ Ich hoff', es iſt noch eine Gerechtigkeit über uns, verſetzte Friedrich, Ebersbach iſt noch nicht die Welt, ich will mich ſchon vor dem Herrn Vogt und Special verantworten, Euer Protokoll und Bericht, Ihr Herren, iſt nicht nöthig. Schweig' Er nur jetzt ſtill, ſagte der Amtmann ruhig, Sein Maß wird nachgerade ziemlich voll ſein. Uebrigens bin ich der Meinung, Herr Pfarrer, daß der Kläger zum Schluß aufgefordert werden ſolle, zu erklären, ob er denn ſeinen Conſens zu der Heirath noch nicht geben wolle. Ja wohl, ſagte der Pfarrer, die Frage iſt der Form wegen noth¬ wendig und ich ſtelle ſie hiermit an den Herrn Sonnenwirth. Der Sonnenwirth war beſtürzt darüber, daß die beiden Vorgeſetz¬ ten, deren Anſichten er doch hauptſächlich bis jetzt gefolgt war, ſich gegen ihn einer Frageſtellung bedienten, die ihn gleichſam im Stiche ließ. Er kratzte ſich hinter dem Ohr und ſtotterte endlich: Ich weiß nicht, was ich thun ſoll, ich ſehe eben nichts Anderes voraus, als daß es ſein Verderben iſt. Gut, ſagte der Pfarrer. Es können nunmehro beide abtreten, und wird das Alles an's Oberamt berichtet werden. Vater und Sohn gingen mit einander vom Rathhauſe fort und nach Hauſe, ohne unterwegs ein Wort mit einander zu reden. Sie waren nicht mehr weit von der Sonne entfernt, als eine Stimme über ihnen rief: Herr Sonnenwirth, ſchämt Er ſich nicht, Seinen Sohn vor Kirchenconvent zu verklagen, wo die alten Weiber hinlaufen?

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/226>, abgerufen am 28.11.2024.