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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Nein, nein! befahl der Pfarrer, darüber darf und soll Er sich
verantworten, daß Er den kindlichen Gehorsam so gänzlich hintangesetzt
und sich eigenmächtig in eine Verbündniß eingelassen hat, die ein junger
Mensch, wenn der Segen Gottes dabei sein soll, nur unter ausdrück¬
lichem Consens seiner Eltern nach deren reiflicher Erwägung und in
der Zucht Gottes schließen soll.

Herr Pfarrer, antwortete Friedrich, meine Meinung ist, wenn ein
Mensch heirathen soll, so kann's sein Vater nicht für ihn versehen,
sondern jeder muß selber wissen, was sich für ihn schickt. Wenn ich
meinen Vater für mich wählen ließ' und es thät' nachher übel aus¬
fallen, so kann ich ihm doch die Waar' nicht heimschlagen, sondern
muß sie behalten. Darum, weil ich die Verantwortlichkeit dafür mein
ganzes Leben lang, oder bis Gott anders verhängt, tragen muß, so
halt' ich's auch für recht und billig, daß es dabei nach meinem
Kopf geht und nicht nach einem fremden. Hab' ich mich dann ver¬
griffen in meiner Wahl, so muß ich's haben und geschieht mir Recht,
wenn ich's mein ganzes Leben durch büßen muß, darf mich auch über
keinen Andern beklagen; muß ich aber einen fremden Fehler büßen, so
widerfährt mir groß Unrecht und hilft mich all' mein Klagen und
Schelten doch nichts mehr.

Das sind sündliche, eigenwillige, aufrührerische Reden! rief der
Pfarrer: Er wird's noch an Galgen bringen, wenn Er so fortfährt,
nach Seinem Kopf zu leben und elterliche, obrigkeitliche und göttliche
Autorität zu verachten.

Herr Pfarrer, was werden wir uns lange mit dem rechthaberischen
Thunichtgut herum streiten? sagte der Amtmann. Die Obrigkeit gibt
sich viel zu sehr herunter und büßt an ihrem Ansehen ein, wenn sie
sich mit den Unterthanen in Disputationen einläßt, absonderlich mit
einem Buben, der der Ruthe noch nicht entwachsen ist. Hier liegen
die Gesetze und Verordnungen. Unsere Sache ist es, sie auszuüben,
seine, sich in das Gesetz und in die Welt zu fügen. Wenn er das
nicht in den Kopf bringt, so mag er dahinfahren.

Ich glaube auch, daß es verlorene Worte sind, die man an ihn
verschwendet, versetzte der Pfarrer.

Ja, ich hab' das öd' Geschwätz ganz satt, sagte der Anwalt, wel¬
cher schwerlich damit die Reden des Pfarrers und des Amtmanns

Nein, nein! befahl der Pfarrer, darüber darf und ſoll Er ſich
verantworten, daß Er den kindlichen Gehorſam ſo gänzlich hintangeſetzt
und ſich eigenmächtig in eine Verbündniß eingelaſſen hat, die ein junger
Menſch, wenn der Segen Gottes dabei ſein ſoll, nur unter ausdrück¬
lichem Conſens ſeiner Eltern nach deren reiflicher Erwägung und in
der Zucht Gottes ſchließen ſoll.

Herr Pfarrer, antwortete Friedrich, meine Meinung iſt, wenn ein
Menſch heirathen ſoll, ſo kann's ſein Vater nicht für ihn verſehen,
ſondern jeder muß ſelber wiſſen, was ſich für ihn ſchickt. Wenn ich
meinen Vater für mich wählen ließ' und es thät' nachher übel aus¬
fallen, ſo kann ich ihm doch die Waar' nicht heimſchlagen, ſondern
muß ſie behalten. Darum, weil ich die Verantwortlichkeit dafür mein
ganzes Leben lang, oder bis Gott anders verhängt, tragen muß, ſo
halt' ich's auch für recht und billig, daß es dabei nach meinem
Kopf geht und nicht nach einem fremden. Hab' ich mich dann ver¬
griffen in meiner Wahl, ſo muß ich's haben und geſchieht mir Recht,
wenn ich's mein ganzes Leben durch büßen muß, darf mich auch über
keinen Andern beklagen; muß ich aber einen fremden Fehler büßen, ſo
widerfährt mir groß Unrecht und hilft mich all' mein Klagen und
Schelten doch nichts mehr.

Das ſind ſündliche, eigenwillige, aufrühreriſche Reden! rief der
Pfarrer: Er wird's noch an Galgen bringen, wenn Er ſo fortfährt,
nach Seinem Kopf zu leben und elterliche, obrigkeitliche und göttliche
Autorität zu verachten.

Herr Pfarrer, was werden wir uns lange mit dem rechthaberiſchen
Thunichtgut herum ſtreiten? ſagte der Amtmann. Die Obrigkeit gibt
ſich viel zu ſehr herunter und büßt an ihrem Anſehen ein, wenn ſie
ſich mit den Unterthanen in Disputationen einläßt, abſonderlich mit
einem Buben, der der Ruthe noch nicht entwachſen iſt. Hier liegen
die Geſetze und Verordnungen. Unſere Sache iſt es, ſie auszuüben,
ſeine, ſich in das Geſetz und in die Welt zu fügen. Wenn er das
nicht in den Kopf bringt, ſo mag er dahinfahren.

Ich glaube auch, daß es verlorene Worte ſind, die man an ihn
verſchwendet, verſetzte der Pfarrer.

Ja, ich hab' das öd' Geſchwätz ganz ſatt, ſagte der Anwalt, wel¬
cher ſchwerlich damit die Reden des Pfarrers und des Amtmanns

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[188/0204] Nein, nein! befahl der Pfarrer, darüber darf und ſoll Er ſich verantworten, daß Er den kindlichen Gehorſam ſo gänzlich hintangeſetzt und ſich eigenmächtig in eine Verbündniß eingelaſſen hat, die ein junger Menſch, wenn der Segen Gottes dabei ſein ſoll, nur unter ausdrück¬ lichem Conſens ſeiner Eltern nach deren reiflicher Erwägung und in der Zucht Gottes ſchließen ſoll. Herr Pfarrer, antwortete Friedrich, meine Meinung iſt, wenn ein Menſch heirathen ſoll, ſo kann's ſein Vater nicht für ihn verſehen, ſondern jeder muß ſelber wiſſen, was ſich für ihn ſchickt. Wenn ich meinen Vater für mich wählen ließ' und es thät' nachher übel aus¬ fallen, ſo kann ich ihm doch die Waar' nicht heimſchlagen, ſondern muß ſie behalten. Darum, weil ich die Verantwortlichkeit dafür mein ganzes Leben lang, oder bis Gott anders verhängt, tragen muß, ſo halt' ich's auch für recht und billig, daß es dabei nach meinem Kopf geht und nicht nach einem fremden. Hab' ich mich dann ver¬ griffen in meiner Wahl, ſo muß ich's haben und geſchieht mir Recht, wenn ich's mein ganzes Leben durch büßen muß, darf mich auch über keinen Andern beklagen; muß ich aber einen fremden Fehler büßen, ſo widerfährt mir groß Unrecht und hilft mich all' mein Klagen und Schelten doch nichts mehr. Das ſind ſündliche, eigenwillige, aufrühreriſche Reden! rief der Pfarrer: Er wird's noch an Galgen bringen, wenn Er ſo fortfährt, nach Seinem Kopf zu leben und elterliche, obrigkeitliche und göttliche Autorität zu verachten. Herr Pfarrer, was werden wir uns lange mit dem rechthaberiſchen Thunichtgut herum ſtreiten? ſagte der Amtmann. Die Obrigkeit gibt ſich viel zu ſehr herunter und büßt an ihrem Anſehen ein, wenn ſie ſich mit den Unterthanen in Disputationen einläßt, abſonderlich mit einem Buben, der der Ruthe noch nicht entwachſen iſt. Hier liegen die Geſetze und Verordnungen. Unſere Sache iſt es, ſie auszuüben, ſeine, ſich in das Geſetz und in die Welt zu fügen. Wenn er das nicht in den Kopf bringt, ſo mag er dahinfahren. Ich glaube auch, daß es verlorene Worte ſind, die man an ihn verſchwendet, verſetzte der Pfarrer. Ja, ich hab' das öd' Geſchwätz ganz ſatt, ſagte der Anwalt, wel¬ cher ſchwerlich damit die Reden des Pfarrers und des Amtmanns

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/204>, abgerufen am 02.05.2024.