Er hat aber doch 'n curiosen Zwilch an Seinem Kittel, hob der Invalide wieder an. Läßt sich da um ein Weibsbild von Haus und Hof fortschicken. Ist sie denn auch so viel werth?
Friedrich schwang den Stecken um seinen Kopf, daß es durch die scharfe Morgenluft pfiff. Profoß, sagte er, wenn ich Euch gut zum Rath bin, so redet mit mehr Respekt von ihr, denn ich versteh' kein' Spaß in dem Punkt. Oder könnt Ihr vielleicht etwas von ihr sa¬ gen, das nicht recht wär'?
Das kann ich nicht und will's auch nicht, erwiderte der Invalide. Nur nicht so hitzig! Das Mädle kann brav sein, ich will ihr gar nichts thun, aber darum fragt sich's doch noch zehnmal, ob sie zu Ihm taugt. In meinen jungen Jahren, ach, was hab' ich mich nicht ver¬ leiden müssen um mein Weib, bis ich sie gehabt hab', und nachher, wiewohl ich nichts weniger als schlecht mit ihr gehauset hab', hab' ich oft denken müssen, ich hätt' grad' eben so gut eine andere nehmen können. Wenn man einander einmal innen und außen kennt, dann sieht man erst ein, daß man nicht bloß für die Kürze, sondern auch für die Länge hätt' sorgen und auf Das und Jenes hätt' sehen sollen, was nicht bloß in die Augen sticht; denn die Schönheit vergeht und die Jugend mit, und das Leben ist oft so gar lang.
Aber das Sprichwort sagt doch: Frühe Hochzeit, lange Liebe.
Das Sprichwort hat nicht immer recht, sonderlich je nachdem die Hochzeit gewesen ist.
Friedrich grub nachdenklich mit dem Stecken im Schnee.
Wenn ich Er wär', fuhr der Invalide fort, so würd' ich da drau¬ ßen die Zeit und die Vernunft walten lassen und meinem Vater nach¬ geben; auch blieb' ich nicht zu lang in der Fremde, denn viel macht böse Hosen, das sieht Er an meinem Fuß.
Ihr, ein alter Soldat, werdet mir doch nicht zumuthen, daß ich mein Wort breche? fuhr Friedrich aus. Ich hab' mich mit heiligen Eiden verschworen, und dabei bleibt's.
Wenn's so steht, erwiderte der Invalide, so will ich weiter nichts gesagt haben als: 's wär' eben gut, wenn alle junge Leut' könnten vor alt werden, eh' sie jung würden.
Das mag sein, entgegnete Friedrich, weil's aber unser Herrgott anders
Er hat aber doch 'n curioſen Zwilch an Seinem Kittel, hob der Invalide wieder an. Läßt ſich da um ein Weibsbild von Haus und Hof fortſchicken. Iſt ſie denn auch ſo viel werth?
Friedrich ſchwang den Stecken um ſeinen Kopf, daß es durch die ſcharfe Morgenluft pfiff. Profoß, ſagte er, wenn ich Euch gut zum Rath bin, ſo redet mit mehr Reſpekt von ihr, denn ich verſteh' kein' Spaß in dem Punkt. Oder könnt Ihr vielleicht etwas von ihr ſa¬ gen, das nicht recht wär'?
Das kann ich nicht und will's auch nicht, erwiderte der Invalide. Nur nicht ſo hitzig! Das Mädle kann brav ſein, ich will ihr gar nichts thun, aber darum fragt ſich's doch noch zehnmal, ob ſie zu Ihm taugt. In meinen jungen Jahren, ach, was hab' ich mich nicht ver¬ leiden müſſen um mein Weib, bis ich ſie gehabt hab', und nachher, wiewohl ich nichts weniger als ſchlecht mit ihr gehauſet hab', hab' ich oft denken müſſen, ich hätt' grad' eben ſo gut eine andere nehmen können. Wenn man einander einmal innen und außen kennt, dann ſieht man erſt ein, daß man nicht bloß für die Kürze, ſondern auch für die Länge hätt' ſorgen und auf Das und Jenes hätt' ſehen ſollen, was nicht bloß in die Augen ſticht; denn die Schönheit vergeht und die Jugend mit, und das Leben iſt oft ſo gar lang.
Aber das Sprichwort ſagt doch: Frühe Hochzeit, lange Liebe.
Das Sprichwort hat nicht immer recht, ſonderlich je nachdem die Hochzeit geweſen iſt.
Friedrich grub nachdenklich mit dem Stecken im Schnee.
Wenn ich Er wär', fuhr der Invalide fort, ſo würd' ich da drau¬ ßen die Zeit und die Vernunft walten laſſen und meinem Vater nach¬ geben; auch blieb' ich nicht zu lang in der Fremde, denn viel macht böſe Hoſen, das ſieht Er an meinem Fuß.
Ihr, ein alter Soldat, werdet mir doch nicht zumuthen, daß ich mein Wort breche? fuhr Friedrich aus. Ich hab' mich mit heiligen Eiden verſchworen, und dabei bleibt's.
Wenn's ſo ſteht, erwiderte der Invalide, ſo will ich weiter nichts geſagt haben als: 's wär' eben gut, wenn alle junge Leut' könnten vor alt werden, eh' ſie jung würden.
Das mag ſein, entgegnete Friedrich, weil's aber unſer Herrgott anders
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0170"n="154"/><p>Er hat aber doch 'n curioſen Zwilch an Seinem Kittel, hob der<lb/>
Invalide wieder an. Läßt ſich da um ein Weibsbild von Haus und<lb/>
Hof fortſchicken. Iſt ſie denn auch ſo viel werth?</p><lb/><p>Friedrich ſchwang den Stecken um ſeinen Kopf, daß es durch die<lb/>ſcharfe Morgenluft pfiff. Profoß, ſagte er, wenn ich Euch gut zum<lb/>
Rath bin, ſo redet mit mehr Reſpekt von ihr, denn ich verſteh' kein'<lb/>
Spaß in dem Punkt. Oder könnt Ihr vielleicht etwas von ihr ſa¬<lb/>
gen, das nicht recht wär'?</p><lb/><p>Das kann ich nicht und will's auch nicht, erwiderte der Invalide.<lb/>
Nur nicht ſo hitzig! Das Mädle kann brav ſein, ich will ihr gar<lb/>
nichts thun, aber darum fragt ſich's doch noch zehnmal, ob ſie zu Ihm<lb/>
taugt. In meinen jungen Jahren, ach, was hab' ich mich nicht ver¬<lb/>
leiden müſſen um mein Weib, bis ich ſie gehabt hab', und nachher,<lb/>
wiewohl ich nichts weniger als ſchlecht mit ihr gehauſet hab', hab' ich<lb/>
oft denken müſſen, ich hätt' grad' eben ſo gut eine andere nehmen<lb/>
können. Wenn man einander einmal innen und außen kennt, dann<lb/>ſieht man erſt ein, daß man nicht bloß für die Kürze, ſondern auch<lb/>
für die Länge hätt' ſorgen und auf Das und Jenes hätt' ſehen ſollen,<lb/>
was nicht bloß in die Augen ſticht; denn die Schönheit vergeht und<lb/>
die Jugend mit, und das Leben iſt oft ſo gar lang.</p><lb/><p>Aber das Sprichwort ſagt doch: Frühe Hochzeit, lange Liebe.</p><lb/><p>Das Sprichwort hat nicht immer recht, ſonderlich je nachdem die<lb/>
Hochzeit geweſen iſt.</p><lb/><p>Friedrich grub nachdenklich mit dem Stecken im Schnee.</p><lb/><p>Wenn ich Er wär', fuhr der Invalide fort, ſo würd' ich da drau¬<lb/>
ßen die Zeit und die Vernunft walten laſſen und meinem Vater nach¬<lb/>
geben; auch blieb' ich nicht zu lang in der Fremde, denn viel<lb/>
macht böſe Hoſen, das ſieht Er an meinem Fuß.</p><lb/><p>Ihr, ein alter Soldat, werdet mir doch nicht zumuthen, daß ich<lb/>
mein Wort breche? fuhr Friedrich aus. Ich hab' mich mit heiligen<lb/>
Eiden verſchworen, und dabei bleibt's.</p><lb/><p>Wenn's ſo ſteht, erwiderte der Invalide, ſo will ich weiter nichts<lb/>
geſagt haben als: 's wär' eben gut, wenn alle junge Leut' könnten<lb/>
vor alt werden, eh' ſie jung würden.</p><lb/><p>Das mag ſein, entgegnete Friedrich, weil's aber unſer Herrgott anders<lb/></p></div></body></text></TEI>
[154/0170]
Er hat aber doch 'n curioſen Zwilch an Seinem Kittel, hob der
Invalide wieder an. Läßt ſich da um ein Weibsbild von Haus und
Hof fortſchicken. Iſt ſie denn auch ſo viel werth?
Friedrich ſchwang den Stecken um ſeinen Kopf, daß es durch die
ſcharfe Morgenluft pfiff. Profoß, ſagte er, wenn ich Euch gut zum
Rath bin, ſo redet mit mehr Reſpekt von ihr, denn ich verſteh' kein'
Spaß in dem Punkt. Oder könnt Ihr vielleicht etwas von ihr ſa¬
gen, das nicht recht wär'?
Das kann ich nicht und will's auch nicht, erwiderte der Invalide.
Nur nicht ſo hitzig! Das Mädle kann brav ſein, ich will ihr gar
nichts thun, aber darum fragt ſich's doch noch zehnmal, ob ſie zu Ihm
taugt. In meinen jungen Jahren, ach, was hab' ich mich nicht ver¬
leiden müſſen um mein Weib, bis ich ſie gehabt hab', und nachher,
wiewohl ich nichts weniger als ſchlecht mit ihr gehauſet hab', hab' ich
oft denken müſſen, ich hätt' grad' eben ſo gut eine andere nehmen
können. Wenn man einander einmal innen und außen kennt, dann
ſieht man erſt ein, daß man nicht bloß für die Kürze, ſondern auch
für die Länge hätt' ſorgen und auf Das und Jenes hätt' ſehen ſollen,
was nicht bloß in die Augen ſticht; denn die Schönheit vergeht und
die Jugend mit, und das Leben iſt oft ſo gar lang.
Aber das Sprichwort ſagt doch: Frühe Hochzeit, lange Liebe.
Das Sprichwort hat nicht immer recht, ſonderlich je nachdem die
Hochzeit geweſen iſt.
Friedrich grub nachdenklich mit dem Stecken im Schnee.
Wenn ich Er wär', fuhr der Invalide fort, ſo würd' ich da drau¬
ßen die Zeit und die Vernunft walten laſſen und meinem Vater nach¬
geben; auch blieb' ich nicht zu lang in der Fremde, denn viel
macht böſe Hoſen, das ſieht Er an meinem Fuß.
Ihr, ein alter Soldat, werdet mir doch nicht zumuthen, daß ich
mein Wort breche? fuhr Friedrich aus. Ich hab' mich mit heiligen
Eiden verſchworen, und dabei bleibt's.
Wenn's ſo ſteht, erwiderte der Invalide, ſo will ich weiter nichts
geſagt haben als: 's wär' eben gut, wenn alle junge Leut' könnten
vor alt werden, eh' ſie jung würden.
Das mag ſein, entgegnete Friedrich, weil's aber unſer Herrgott anders
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/170>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.