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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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plötzlich stürzt er nieder und ist in Zeit einer Minut' maustodt. Es
ist so schnell gangen, daß ein tanzendes Paar über ihn zu Fall kom¬
men ist; die haben einen Gräusel davon getragen, daß sie's ein paar
Tag' lang geschüttelt hat. Man hat viel drüber gesprochen.

Nun ja, was wird's gewesen sein? sagte Friedrich: ein Steck-
und Schlagfluß.

Ja, so hat man bei Amt auch gesagt und hat ihn mit einer
Leichenpredigt auf dem Kirchhof begraben. Ich weiß noch, wie sie
angefangen hat: "Hui, hui, sagt der Tod, der starke Held, ich kann
auch mittanzen." Aber es gibt Leut', die wollen's besser wissen, die
sagen -- Nun, ich will nichts gesagt haben, aber so viel ist gewiß,
daß der Alten die Heirath von Anfang an nicht nach ihrem Gusto
gewesen ist. Die Junge hat erschrecklich gethan und hat sich nicht
trösten lassen wollen. Nachmals aber hat sie den Schneider genommen;
ich weiß noch, auf ihrer Hochzeit ist grad' die Nachricht ankommen,
daß ihr Schwager, der Goldstein, der sein Weib mit drei Kindern
hier hat sitzen lassen, in Speier die Religion schangschirt hab' und eine
Katholische geheirathet und sei mit ihr nach Pennsylvanien gangen.

Von der Alten erzählt man ein feines Stücklein aus ihren jungen
Jahren, wo sie bei Seines Pflegers Vater im Dienst gewesen ist, hob
ein Anderer zu Friedrich gewendet an. Damals hat sie's mit einem
Balbierersgesellen gehabt aus Adelberg. Er hat ihr zu Familie ver¬
holfen, eine Tochter ist's gewesen, ich glaub', eben die Schneiderin,
die so unglücklich hat Hochzeit gehabt. Sie hat ihn aber verschont und
hat ihn nicht angegeben, daß er der Vater zu ihrem Kind sei. Er
hat's ihr nachher schlecht gedankt und ist von ihr weg blieben. Jetzt,
was hat das leichtfertig' Mensch gethan, das nichtsnutzig'? Ueber
einmal, wie ihr Herr in die Küche kommt, sieht er ein Paar Strümpf'
im Kamin hängen. Was sind denn das für Würst', fragt er, sollen
denn die geräuchert werden? Die Magd nicht faul, reißt die
Strümpf' geschwind herunter und gibt vor, die Strümpf' gehören ihr,
sie hab' sie schnell wollen trocknen, weil sie naß geworden seien. Er
aber eben so flink, reißt ihr noch einen aus der Hand und sieht daß
es ein Mannsstrumpf ist. Wie er ihr nun das fürgehalten hat und
sie hat nicht wollen weichgeben, so hat er sie beim Pfarrer angezeigt,
und da hat sie endlich nach vielem Leugnen gestanden, ein Schäfer

plötzlich ſtürzt er nieder und iſt in Zeit einer Minut' maustodt. Es
iſt ſo ſchnell gangen, daß ein tanzendes Paar über ihn zu Fall kom¬
men iſt; die haben einen Gräuſel davon getragen, daß ſie's ein paar
Tag' lang geſchüttelt hat. Man hat viel drüber geſprochen.

Nun ja, was wird's geweſen ſein? ſagte Friedrich: ein Steck-
und Schlagfluß.

Ja, ſo hat man bei Amt auch geſagt und hat ihn mit einer
Leichenpredigt auf dem Kirchhof begraben. Ich weiß noch, wie ſie
angefangen hat: „Hui, hui, ſagt der Tod, der ſtarke Held, ich kann
auch mittanzen.“ Aber es gibt Leut', die wollen's beſſer wiſſen, die
ſagen — Nun, ich will nichts geſagt haben, aber ſo viel iſt gewiß,
daß der Alten die Heirath von Anfang an nicht nach ihrem Guſto
geweſen iſt. Die Junge hat erſchrecklich gethan und hat ſich nicht
tröſten laſſen wollen. Nachmals aber hat ſie den Schneider genommen;
ich weiß noch, auf ihrer Hochzeit iſt grad' die Nachricht ankommen,
daß ihr Schwager, der Goldſtein, der ſein Weib mit drei Kindern
hier hat ſitzen laſſen, in Speier die Religion ſchangſchirt hab' und eine
Katholiſche geheirathet und ſei mit ihr nach Pennſylvanien gangen.

Von der Alten erzählt man ein feines Stücklein aus ihren jungen
Jahren, wo ſie bei Seines Pflegers Vater im Dienſt geweſen iſt, hob
ein Anderer zu Friedrich gewendet an. Damals hat ſie's mit einem
Balbierersgeſellen gehabt aus Adelberg. Er hat ihr zu Familie ver¬
holfen, eine Tochter iſt's geweſen, ich glaub', eben die Schneiderin,
die ſo unglücklich hat Hochzeit gehabt. Sie hat ihn aber verſchont und
hat ihn nicht angegeben, daß er der Vater zu ihrem Kind ſei. Er
hat's ihr nachher ſchlecht gedankt und iſt von ihr weg blieben. Jetzt,
was hat das leichtfertig' Menſch gethan, das nichtsnutzig'? Ueber
einmal, wie ihr Herr in die Küche kommt, ſieht er ein Paar Strümpf'
im Kamin hängen. Was ſind denn das für Würſt', fragt er, ſollen
denn die geräuchert werden? Die Magd nicht faul, reißt die
Strümpf' geſchwind herunter und gibt vor, die Strümpf' gehören ihr,
ſie hab' ſie ſchnell wollen trocknen, weil ſie naß geworden ſeien. Er
aber eben ſo flink, reißt ihr noch einen aus der Hand und ſieht daß
es ein Mannsſtrumpf iſt. Wie er ihr nun das fürgehalten hat und
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[106/0122] plötzlich ſtürzt er nieder und iſt in Zeit einer Minut' maustodt. Es iſt ſo ſchnell gangen, daß ein tanzendes Paar über ihn zu Fall kom¬ men iſt; die haben einen Gräuſel davon getragen, daß ſie's ein paar Tag' lang geſchüttelt hat. Man hat viel drüber geſprochen. Nun ja, was wird's geweſen ſein? ſagte Friedrich: ein Steck- und Schlagfluß. Ja, ſo hat man bei Amt auch geſagt und hat ihn mit einer Leichenpredigt auf dem Kirchhof begraben. Ich weiß noch, wie ſie angefangen hat: „Hui, hui, ſagt der Tod, der ſtarke Held, ich kann auch mittanzen.“ Aber es gibt Leut', die wollen's beſſer wiſſen, die ſagen — Nun, ich will nichts geſagt haben, aber ſo viel iſt gewiß, daß der Alten die Heirath von Anfang an nicht nach ihrem Guſto geweſen iſt. Die Junge hat erſchrecklich gethan und hat ſich nicht tröſten laſſen wollen. Nachmals aber hat ſie den Schneider genommen; ich weiß noch, auf ihrer Hochzeit iſt grad' die Nachricht ankommen, daß ihr Schwager, der Goldſtein, der ſein Weib mit drei Kindern hier hat ſitzen laſſen, in Speier die Religion ſchangſchirt hab' und eine Katholiſche geheirathet und ſei mit ihr nach Pennſylvanien gangen. Von der Alten erzählt man ein feines Stücklein aus ihren jungen Jahren, wo ſie bei Seines Pflegers Vater im Dienſt geweſen iſt, hob ein Anderer zu Friedrich gewendet an. Damals hat ſie's mit einem Balbierersgeſellen gehabt aus Adelberg. Er hat ihr zu Familie ver¬ holfen, eine Tochter iſt's geweſen, ich glaub', eben die Schneiderin, die ſo unglücklich hat Hochzeit gehabt. Sie hat ihn aber verſchont und hat ihn nicht angegeben, daß er der Vater zu ihrem Kind ſei. Er hat's ihr nachher ſchlecht gedankt und iſt von ihr weg blieben. Jetzt, was hat das leichtfertig' Menſch gethan, das nichtsnutzig'? Ueber einmal, wie ihr Herr in die Küche kommt, ſieht er ein Paar Strümpf' im Kamin hängen. Was ſind denn das für Würſt', fragt er, ſollen denn die geräuchert werden? Die Magd nicht faul, reißt die Strümpf' geſchwind herunter und gibt vor, die Strümpf' gehören ihr, ſie hab' ſie ſchnell wollen trocknen, weil ſie naß geworden ſeien. Er aber eben ſo flink, reißt ihr noch einen aus der Hand und ſieht daß es ein Mannsſtrumpf iſt. Wie er ihr nun das fürgehalten hat und ſie hat nicht wollen weichgeben, ſo hat er ſie beim Pfarrer angezeigt, und da hat ſie endlich nach vielem Leugnen geſtanden, ein Schäfer

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/122>, abgerufen am 24.11.2024.