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Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.

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Mikroskopie besonders gut auszubilden, dann wird man später
sicher noch manche hervorragende Grösse unter den Aerz-
tinnen bewundern können; für heute müssen sie sich bei uns
leider oft noch mit der Mittelmässigkeit begnügen, weil
ihnen Gesellschaft, Gesetz und Klugheit es nicht gestatten,
dass sie leisten dürfen, was sie leisten könnten.

Dass übrigens Frauen trotz aller Zweifel der Männer-
welt geistig im Durchschnitt das Gleiche leisten können
wie Männer, sollte doch jedem Einsichtigen und nicht gerade
Uebelwollenden der Umstand beweisen, dass seit einer
ganzen Reihe von Jahren nun schon Frauen an den schwei-
zerischen Universitäten die gleichen Staatsexamen wie die
Männer bestehen, obgleich sie meist höchstens gerechten,
sehr oft principiell der Sache des Frauenstudiums gegneri-
schen Richtern gegenüberstehen. Es heisst mehr als ver-
blendet sein, wenn man diesen Umstand nicht zu Gunsten
des weiblichen Geistes ausbeuten wollte.

An dieser Stelle muss ich noch einem allgemeinen
Irrthum entgegentreten, den die Gegner des Frauenstudiums
nur allzu oft ausnützen: Man behauptet allgemein, heutigen
Tages gingen nur die gut und bestbegabten Frauen in das
Studium hinein. Dem muss ich erfahrungsgemäss absolut
widersprechen und hier constatiren: In Deutschland, wo
heute noch so riesengrosse, gesellschaftliche Vorurtheile dem
Studium der Frauen im Allgemeinen gegenüberstehen, wenden
sich sehr häufig die muthigen und die romantischen dem
Studium zu, die sehr oft wenig Begabung, Talent und Be-
geisterung für ihr Fach mitbringen; sie sind meist nichts
als Romanheldinnen, die sich auffällig machen wollen, und
die dann häufig auf halbem Wege flügellahm hinfallen oder
vor ihrem wissenschaftlichen Schiffbruch noch glücklich im
Hafen der Ehe landen. Ich behaupte aus Erfahrung, dass
unter den heutigen Verhältnissen nur ausnahmsweise
auch die Begabtesten sich dem Studium zuwenden, denn
der moralische Muth, sich über die als falsch erkannten

Mikroskopie besonders gut auszubilden, dann wird man später
sicher noch manche hervorragende Grösse unter den Aerz-
tinnen bewundern können; für heute müssen sie sich bei uns
leider oft noch mit der Mittelmässigkeit begnügen, weil
ihnen Gesellschaft, Gesetz und Klugheit es nicht gestatten,
dass sie leisten dürfen, was sie leisten könnten.

Dass übrigens Frauen trotz aller Zweifel der Männer-
welt geistig im Durchschnitt das Gleiche leisten können
wie Männer, sollte doch jedem Einsichtigen und nicht gerade
Uebelwollenden der Umstand beweisen, dass seit einer
ganzen Reihe von Jahren nun schon Frauen an den schwei-
zerischen Universitäten die gleichen Staatsexamen wie die
Männer bestehen, obgleich sie meist höchstens gerechten,
sehr oft principiell der Sache des Frauenstudiums gegneri-
schen Richtern gegenüberstehen. Es heisst mehr als ver-
blendet sein, wenn man diesen Umstand nicht zu Gunsten
des weiblichen Geistes ausbeuten wollte.

An dieser Stelle muss ich noch einem allgemeinen
Irrthum entgegentreten, den die Gegner des Frauenstudiums
nur allzu oft ausnützen: Man behauptet allgemein, heutigen
Tages gingen nur die gut und bestbegabten Frauen in das
Studium hinein. Dem muss ich erfahrungsgemäss absolut
widersprechen und hier constatiren: In Deutschland, wo
heute noch so riesengrosse, gesellschaftliche Vorurtheile dem
Studium der Frauen im Allgemeinen gegenüberstehen, wenden
sich sehr häufig die muthigen und die romantischen dem
Studium zu, die sehr oft wenig Begabung, Talent und Be-
geisterung für ihr Fach mitbringen; sie sind meist nichts
als Romanheldinnen, die sich auffällig machen wollen, und
die dann häufig auf halbem Wege flügellahm hinfallen oder
vor ihrem wissenschaftlichen Schiffbruch noch glücklich im
Hafen der Ehe landen. Ich behaupte aus Erfahrung, dass
unter den heutigen Verhältnissen nur ausnahmsweise
auch die Begabtesten sich dem Studium zuwenden, denn
der moralische Muth, sich über die als falsch erkannten

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[31/0032] Mikroskopie besonders gut auszubilden, dann wird man später sicher noch manche hervorragende Grösse unter den Aerz- tinnen bewundern können; für heute müssen sie sich bei uns leider oft noch mit der Mittelmässigkeit begnügen, weil ihnen Gesellschaft, Gesetz und Klugheit es nicht gestatten, dass sie leisten dürfen, was sie leisten könnten. Dass übrigens Frauen trotz aller Zweifel der Männer- welt geistig im Durchschnitt das Gleiche leisten können wie Männer, sollte doch jedem Einsichtigen und nicht gerade Uebelwollenden der Umstand beweisen, dass seit einer ganzen Reihe von Jahren nun schon Frauen an den schwei- zerischen Universitäten die gleichen Staatsexamen wie die Männer bestehen, obgleich sie meist höchstens gerechten, sehr oft principiell der Sache des Frauenstudiums gegneri- schen Richtern gegenüberstehen. Es heisst mehr als ver- blendet sein, wenn man diesen Umstand nicht zu Gunsten des weiblichen Geistes ausbeuten wollte. An dieser Stelle muss ich noch einem allgemeinen Irrthum entgegentreten, den die Gegner des Frauenstudiums nur allzu oft ausnützen: Man behauptet allgemein, heutigen Tages gingen nur die gut und bestbegabten Frauen in das Studium hinein. Dem muss ich erfahrungsgemäss absolut widersprechen und hier constatiren: In Deutschland, wo heute noch so riesengrosse, gesellschaftliche Vorurtheile dem Studium der Frauen im Allgemeinen gegenüberstehen, wenden sich sehr häufig die muthigen und die romantischen dem Studium zu, die sehr oft wenig Begabung, Talent und Be- geisterung für ihr Fach mitbringen; sie sind meist nichts als Romanheldinnen, die sich auffällig machen wollen, und die dann häufig auf halbem Wege flügellahm hinfallen oder vor ihrem wissenschaftlichen Schiffbruch noch glücklich im Hafen der Ehe landen. Ich behaupte aus Erfahrung, dass unter den heutigen Verhältnissen nur ausnahmsweise auch die Begabtesten sich dem Studium zuwenden, denn der moralische Muth, sich über die als falsch erkannten

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Zitationshilfe: Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/32>, abgerufen am 23.11.2024.