Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.jene Auftritte, wie sie sich bald überzeugen mußten, eine Erregtheit, eine Leidenschaftlichkeit unter dem Volke zurückgelassen, die den ferneren Aufenthalt in Athen nicht allzu erfreulich erscheinen ließen. Die heuchlerische Verschmitztheit der Griechen, die die Franken allzeit zur Vorsicht nöthigt, verwandelte sich gelegentlich in ein unumwundenes Raubgelüste. "Gott bewahre uns vor dem Juden von Salonichi, dem Türken von Negropont und dem Griechen von Athen!" --so lautet ein altes Sprichwort; Stuart und Revett fanden nur zu bald Gelegenheit, die Wahrheit desselben, wenigstens in Betreff der letzten Worte, bestätigen zu können. Ihr athenischer Wirth, Logotheti, hatte sich bis dahin, vielleicht aus Rücksicht auf seine Pflichten als brittischer Consul, mit mäßigen Vortheilen begnügt, die er von den beiden englischen Künstlern bezogen; jetzt trat er plötzlich mit der Forderung von zweihundert venezianischen Zecchinen auf, während sie überzeugt waren, ihm für Wohnung, Dienstleistungen und dergleichen augenblicklich nur mit einer Summe von siebenzig bis höchstens achtzig Piastern verpflichtet zu sein. Sie erklärten, daß sie nicht mehr zahlen würden, während Logotheti mit Ungestüm auf ungesäumte Berichtigung seiner Forderung drang. Es entspann sich ein heftiger Streit, der zu Thätlichkeiten ausartete. Stuart schlug den Griechen zu Boden. Jetzt kam die Sache vor den Erzbischof von Athen, der als solcher zugleich das Amt eines Richters in den Streitigkeiten unter den dortigen jene Auftritte, wie sie sich bald überzeugen mußten, eine Erregtheit, eine Leidenschaftlichkeit unter dem Volke zurückgelassen, die den ferneren Aufenthalt in Athen nicht allzu erfreulich erscheinen ließen. Die heuchlerische Verschmitztheit der Griechen, die die Franken allzeit zur Vorsicht nöthigt, verwandelte sich gelegentlich in ein unumwundenes Raubgelüste. „Gott bewahre uns vor dem Juden von Salonichi, dem Türken von Negropont und dem Griechen von Athen!“ —so lautet ein altes Sprichwort; Stuart und Revett fanden nur zu bald Gelegenheit, die Wahrheit desselben, wenigstens in Betreff der letzten Worte, bestätigen zu können. Ihr athenischer Wirth, Logotheti, hatte sich bis dahin, vielleicht aus Rücksicht auf seine Pflichten als brittischer Consul, mit mäßigen Vortheilen begnügt, die er von den beiden englischen Künstlern bezogen; jetzt trat er plötzlich mit der Forderung von zweihundert venezianischen Zecchinen auf, während sie überzeugt waren, ihm für Wohnung, Dienstleistungen und dergleichen augenblicklich nur mit einer Summe von siebenzig bis höchstens achtzig Piastern verpflichtet zu sein. Sie erklärten, daß sie nicht mehr zahlen würden, während Logotheti mit Ungestüm auf ungesäumte Berichtigung seiner Forderung drang. Es entspann sich ein heftiger Streit, der zu Thätlichkeiten ausartete. Stuart schlug den Griechen zu Boden. Jetzt kam die Sache vor den Erzbischof von Athen, der als solcher zugleich das Amt eines Richters in den Streitigkeiten unter den dortigen <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022"/> jene Auftritte, wie sie sich bald überzeugen mußten, eine Erregtheit, eine Leidenschaftlichkeit unter dem Volke zurückgelassen, die den ferneren Aufenthalt in Athen nicht allzu erfreulich erscheinen ließen. Die heuchlerische Verschmitztheit der Griechen, die die Franken allzeit zur Vorsicht nöthigt, verwandelte sich gelegentlich in ein unumwundenes Raubgelüste. „Gott bewahre uns vor dem Juden von Salonichi, dem Türken von Negropont und dem Griechen von Athen!“ —so lautet ein altes Sprichwort; Stuart und Revett fanden nur zu bald Gelegenheit, die Wahrheit desselben, wenigstens in Betreff der letzten Worte, bestätigen zu können. Ihr athenischer Wirth, Logotheti, hatte sich bis dahin, vielleicht aus Rücksicht auf seine Pflichten als brittischer Consul, mit mäßigen Vortheilen begnügt, die er von den beiden englischen Künstlern bezogen; jetzt trat er plötzlich mit der Forderung von zweihundert venezianischen Zecchinen auf, während sie überzeugt waren, ihm für Wohnung, Dienstleistungen und dergleichen augenblicklich nur mit einer Summe von siebenzig bis höchstens achtzig Piastern verpflichtet zu sein. Sie erklärten, daß sie nicht mehr zahlen würden, während Logotheti mit Ungestüm auf ungesäumte Berichtigung seiner Forderung drang. Es entspann sich ein heftiger Streit, der zu Thätlichkeiten ausartete. Stuart schlug den Griechen zu Boden. Jetzt kam die Sache vor den Erzbischof von Athen, der als solcher zugleich das Amt eines Richters in den Streitigkeiten unter den dortigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
jene Auftritte, wie sie sich bald überzeugen mußten, eine Erregtheit, eine Leidenschaftlichkeit unter dem Volke zurückgelassen, die den ferneren Aufenthalt in Athen nicht allzu erfreulich erscheinen ließen. Die heuchlerische Verschmitztheit der Griechen, die die Franken allzeit zur Vorsicht nöthigt, verwandelte sich gelegentlich in ein unumwundenes Raubgelüste. „Gott bewahre uns vor dem Juden von Salonichi, dem Türken von Negropont und dem Griechen von Athen!“ —so lautet ein altes Sprichwort; Stuart und Revett fanden nur zu bald Gelegenheit, die Wahrheit desselben, wenigstens in Betreff der letzten Worte, bestätigen zu können. Ihr athenischer Wirth, Logotheti, hatte sich bis dahin, vielleicht aus Rücksicht auf seine Pflichten als brittischer Consul, mit mäßigen Vortheilen begnügt, die er von den beiden englischen Künstlern bezogen; jetzt trat er plötzlich mit der Forderung von zweihundert venezianischen Zecchinen auf, während sie überzeugt waren, ihm für Wohnung, Dienstleistungen und dergleichen augenblicklich nur mit einer Summe von siebenzig bis höchstens achtzig Piastern verpflichtet zu sein. Sie erklärten, daß sie nicht mehr zahlen würden, während Logotheti mit Ungestüm auf ungesäumte Berichtigung seiner Forderung drang. Es entspann sich ein heftiger Streit, der zu Thätlichkeiten ausartete. Stuart schlug den Griechen zu Boden. Jetzt kam die Sache vor den Erzbischof von Athen, der als solcher zugleich das Amt eines Richters in den Streitigkeiten unter den dortigen
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Zitationshilfe: | Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/22>, abgerufen am 16.07.2024. |