feld nur eines einzigen Besuches in einer beliebten Damenkirche be¬ durft. Da stand der Prediger zwischen den Blumen und Goldleisten seiner zierlichen Kanzel, war ein scheinheilig-kokettes, lächelndes Bürschchen, hatte gebrannte Locken, athmete Parfüms und predigte von den weiblichen Tugenden und wie die Mütter mütterlich und die Jung¬ frauen jungfräulich sein sollen und von der Würde der Ehe und von der Süße des Brautstandes und was ein praller Leib für ein schöner Tempel Gottes und Runzeln für ein verehrungswürdiger Anblick seien, und mischte Bibelsprüche und Citate aus Byron und Walter Scott reizend durcheinander, und die frühlebenden Fräulein und die frühver¬ lebten Frauen Newyorks dehnten sich auf ihren Polsterstühlen, wäh¬ rend die warme Maiensonne ihre vollen und welken Büsten beschien; sie hatten die Augen geschlossen, scheinbar der Sonne wegen, in der That aber um das Behagen zu verbergen, das sich darin malte, und durch die ganze Kirche ging ein wollüstiges Gähnen und ein faules Seufzen, und Moorfeld gestand sich gerne, wenn er eine Newyorker- Lady wäre, so wüßte er sich keine bessere -- Leibesbewegung als solch einen Gottesdienst. Er begriff ohne Umstände den Enthusiasmus des schönen Geschlechts für ihren sonntäglichen Kirchengang. -- Der Shoppinggang war eine Variation über dasselbe Thema, nur daß hier Seide und Mousselin und dort die Bibel den vorgeblichen Text bildeten. Auf dem Shoppinggang flanirte der buntgefiederte Wander¬ schwarm von Eva's Töchtern durch die Bazars der Manhattan-Stadt und zwar nicht sowohl um die modistische Nachkommenschaft des paradiesischen Feigenblattes zu inspiciren, als vielmehr um die Schlange zu belauschen, welche jenem ersten Schnittwaarengeschäfte den Impuls gegeben. Die Ladendiener wußten dabei nicht weniger als die Kanzeldiener den Be¬ dürfnissen ihres Publikums entgegen zu kommen und aus Sabbath und Shopping sogen die Damen Newyorks die Kraft, eine Woche lang zu Hause so langweilig zu sein, als es ihnen die Landessitte vorschrieb. Ein Fremder gab es auf, mit diesen Quellen zu concur¬ riren, wenn er ihnen erst auf die Spur gekommen. Seine Huldigung wurde von der Hausfrau, welche in ihren vier Wänden mehr Götze als Weib zu sein hatte, weder erwartet noch nur zugelassen, dafür empfing er aber auch nichts von jenen Gegengeschenken, womit Frauen¬ anmuth die schöne Geselligkeit bei andern Culturvölkern bereichert.
feld nur eines einzigen Beſuches in einer beliebten Damenkirche be¬ durft. Da ſtand der Prediger zwiſchen den Blumen und Goldleiſten ſeiner zierlichen Kanzel, war ein ſcheinheilig-kokettes, lächelndes Bürſchchen, hatte gebrannte Locken, athmete Parfüms und predigte von den weiblichen Tugenden und wie die Mütter mütterlich und die Jung¬ frauen jungfräulich ſein ſollen und von der Würde der Ehe und von der Süße des Brautſtandes und was ein praller Leib für ein ſchöner Tempel Gottes und Runzeln für ein verehrungswürdiger Anblick ſeien, und miſchte Bibelſprüche und Citate aus Byron und Walter Scott reizend durcheinander, und die frühlebenden Fräulein und die frühver¬ lebten Frauen Newyorks dehnten ſich auf ihren Polſterſtühlen, wäh¬ rend die warme Maienſonne ihre vollen und welken Büſten beſchien; ſie hatten die Augen geſchloſſen, ſcheinbar der Sonne wegen, in der That aber um das Behagen zu verbergen, das ſich darin malte, und durch die ganze Kirche ging ein wollüſtiges Gähnen und ein faules Seufzen, und Moorfeld geſtand ſich gerne, wenn er eine Newyorker- Lady wäre, ſo wüßte er ſich keine beſſere — Leibesbewegung als ſolch einen Gottesdienſt. Er begriff ohne Umſtände den Enthuſiasmus des ſchönen Geſchlechts für ihren ſonntäglichen Kirchengang. — Der Shoppinggang war eine Variation über daſſelbe Thema, nur daß hier Seide und Mouſſelin und dort die Bibel den vorgeblichen Text bildeten. Auf dem Shoppinggang flanirte der buntgefiederte Wander¬ ſchwarm von Eva's Töchtern durch die Bazars der Manhattan-Stadt und zwar nicht ſowohl um die modiſtiſche Nachkommenſchaft des paradieſiſchen Feigenblattes zu inſpiciren, als vielmehr um die Schlange zu belauſchen, welche jenem erſten Schnittwaarengeſchäfte den Impuls gegeben. Die Ladendiener wußten dabei nicht weniger als die Kanzeldiener den Be¬ dürfniſſen ihres Publikums entgegen zu kommen und aus Sabbath und Shopping ſogen die Damen Newyorks die Kraft, eine Woche lang zu Hauſe ſo langweilig zu ſein, als es ihnen die Landesſitte vorſchrieb. Ein Fremder gab es auf, mit dieſen Quellen zu concur¬ riren, wenn er ihnen erſt auf die Spur gekommen. Seine Huldigung wurde von der Hausfrau, welche in ihren vier Wänden mehr Götze als Weib zu ſein hatte, weder erwartet noch nur zugelaſſen, dafür empfing er aber auch nichts von jenen Gegengeſchenken, womit Frauen¬ anmuth die ſchöne Geſelligkeit bei andern Culturvölkern bereichert.
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feld nur eines einzigen Beſuches in einer beliebten Damenkirche be¬
durft. Da ſtand der Prediger zwiſchen den Blumen und Goldleiſten
ſeiner zierlichen Kanzel, war ein ſcheinheilig-kokettes, lächelndes
Bürſchchen, hatte gebrannte Locken, athmete Parfüms und predigte von
den weiblichen Tugenden und wie die Mütter mütterlich und die Jung¬
frauen jungfräulich ſein ſollen und von der Würde der Ehe und von
der Süße des Brautſtandes und was ein praller Leib für ein ſchöner
Tempel Gottes und Runzeln für ein verehrungswürdiger Anblick ſeien,
und miſchte Bibelſprüche und Citate aus Byron und Walter Scott
reizend durcheinander, und die frühlebenden Fräulein und die frühver¬
lebten Frauen Newyorks dehnten ſich auf ihren Polſterſtühlen, wäh¬
rend die warme Maienſonne ihre vollen und welken Büſten beſchien;
ſie hatten die Augen geſchloſſen, ſcheinbar der Sonne wegen, in der
That aber um das Behagen zu verbergen, das ſich darin malte, und
durch die ganze Kirche ging ein wollüſtiges Gähnen und ein faules
Seufzen, und Moorfeld geſtand ſich gerne, wenn er eine Newyorker-
Lady wäre, ſo wüßte er ſich keine beſſere — Leibesbewegung als ſolch
einen Gottesdienſt. Er begriff ohne Umſtände den Enthuſiasmus des
ſchönen Geſchlechts für ihren ſonntäglichen Kirchengang. — Der
Shoppinggang war eine Variation über daſſelbe Thema, nur daß
hier Seide und Mouſſelin und dort die Bibel den vorgeblichen Text
bildeten. Auf dem Shoppinggang flanirte der buntgefiederte Wander¬
ſchwarm von Eva's Töchtern durch die Bazars der Manhattan-Stadt
und zwar nicht ſowohl um die modiſtiſche Nachkommenſchaft des paradieſiſchen
Feigenblattes zu inſpiciren, als vielmehr um die Schlange zu belauſchen,
welche jenem erſten Schnittwaarengeſchäfte den Impuls gegeben. Die
Ladendiener wußten dabei nicht weniger als die Kanzeldiener den Be¬
dürfniſſen ihres Publikums entgegen zu kommen und aus Sabbath
und Shopping ſogen die Damen Newyorks die Kraft, eine Woche
lang zu Hauſe ſo langweilig zu ſein, als es ihnen die Landesſitte
vorſchrieb. Ein Fremder gab es auf, mit dieſen Quellen zu concur¬
riren, wenn er ihnen erſt auf die Spur gekommen. Seine Huldigung
wurde von der Hausfrau, welche in ihren vier Wänden mehr Götze
als Weib zu ſein hatte, weder erwartet noch nur zugelaſſen, dafür
empfing er aber auch nichts von jenen Gegengeſchenken, womit Frauen¬
anmuth die ſchöne Geſelligkeit bei andern Culturvölkern bereichert.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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