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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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dann kamen Vatermörder, dann dieses und jenes, nach und nach die
ganze Transcription in den steifen, unkleidsamen Comptoir- und Bör¬
senmenschen. Als Pauline ihr Leidwesen um die liebe, vaterländische
Tracht bezeigte, antwortete Theodor: sie scheine auch nur zum "Leid¬
wesen" geschaffen, seine Freuden theile sie wenig.

Uebrigens standen diese Freuden selbst noch hinter manchem Meilen¬
stein. Wovon Theodor depensirte, das scheint nur ein glänzendes, oder
vielmehr lockendes Handgeld gewesen zu sein. Der Abschluß des eigent¬
lichen Engagements ließ auf sich warten. Es ist das ein dunkler,
labyrinthischer Handel, den eine Frau schwer durchdringt, wohl auch
nicht durchdringen will. Ich habe mich nie in die Karten gemischt.
Wenn es indeß erlaubt ist, aus Gerüchten, Winken, Andeutungen und
dergleichen Halbheiten ein Urtheil zu bilden, so dürfte auf Herrn
Staunton's Charakter und bürgerliche Stellung ein Schein von Zwei¬
deutigkeit fallen. Dieser Herr, wie man sagen will, hat sich von ver¬
schiedenen Geschäften mit wiederholten Bankrotten zurückgezogen, was
freilich in Amerika anders, als bei uns beurtheilt werden wag. Das
hiesige Creditsystem, und der volksthümliche Geist des kühnen Wagens
mögen dafür Maßstäbe haben, welche nicht die unsrigen sind; ich will
darüber nicht absprechen. Auch will ich nicht entscheiden, ob er den
Versuch, ein fashionables Boardinghouse erst im Kleinen, dann im
großartigeren Style zu halten, direct zu dem Zwecke unternommen
hat, um reichere Auswanderer, welche er in Europa selbst schon an¬
zuködern wußte, den Händen einer mystisch-organisirten Landspeculation
zu überantworten. Unzweifelhaft dürfte nur sein, daß er in seinem
Geschäfte mit Theodor wirklich oder auch wirklich nur als Makler
einer großen hinter ihm stehenden Actiengesellschaft handelte. Er scheint
aber außer den Zwecken dieser Gesellschaft noch gewisse ihm allein eigene
verfolgt zu haben; wenigstens leuchtete aus all seinen verworrenen
Manövres der Eine Grundgedanke durch: Theodor' in seiner Hand zu
behalten. Er brachte den jungen Mann nie unmittelbar in Verbin¬
dung mit den Leitern der Gesellschaft, er ließ sein Engagement selbst
eine Reihe von verschiedenen Chancen durchlaufen, heute streckte ein
unermeßliches Capital sichtlich und greiflich seine goldgefüllte Hand nach
Theodor aus und morgen war Alles wieder so schattenhaft, so ent¬
legen, daß die Hoffnung auf immer Abschied zu nehmen schien. Ich

dann kamen Vatermörder, dann dieſes und jenes, nach und nach die
ganze Tranſcription in den ſteifen, unkleidſamen Comptoir- und Bör¬
ſenmenſchen. Als Pauline ihr Leidweſen um die liebe, vaterländiſche
Tracht bezeigte, antwortete Theodor: ſie ſcheine auch nur zum „Leid¬
weſen“ geſchaffen, ſeine Freuden theile ſie wenig.

Uebrigens ſtanden dieſe Freuden ſelbſt noch hinter manchem Meilen¬
ſtein. Wovon Theodor depenſirte, das ſcheint nur ein glänzendes, oder
vielmehr lockendes Handgeld geweſen zu ſein. Der Abſchluß des eigent¬
lichen Engagements ließ auf ſich warten. Es iſt das ein dunkler,
labyrinthiſcher Handel, den eine Frau ſchwer durchdringt, wohl auch
nicht durchdringen will. Ich habe mich nie in die Karten gemiſcht.
Wenn es indeß erlaubt iſt, aus Gerüchten, Winken, Andeutungen und
dergleichen Halbheiten ein Urtheil zu bilden, ſo dürfte auf Herrn
Staunton's Charakter und bürgerliche Stellung ein Schein von Zwei¬
deutigkeit fallen. Dieſer Herr, wie man ſagen will, hat ſich von ver¬
ſchiedenen Geſchäften mit wiederholten Bankrotten zurückgezogen, was
freilich in Amerika anders, als bei uns beurtheilt werden wag. Das
hieſige Creditſyſtem, und der volksthümliche Geiſt des kühnen Wagens
mögen dafür Maßſtäbe haben, welche nicht die unſrigen ſind; ich will
darüber nicht abſprechen. Auch will ich nicht entſcheiden, ob er den
Verſuch, ein faſhionables Boardinghouſe erſt im Kleinen, dann im
großartigeren Style zu halten, direct zu dem Zwecke unternommen
hat, um reichere Auswanderer, welche er in Europa ſelbſt ſchon an¬
zuködern wußte, den Händen einer myſtiſch-organiſirten Landſpeculation
zu überantworten. Unzweifelhaft dürfte nur ſein, daß er in ſeinem
Geſchäfte mit Theodor wirklich oder auch wirklich nur als Makler
einer großen hinter ihm ſtehenden Actiengeſellſchaft handelte. Er ſcheint
aber außer den Zwecken dieſer Geſellſchaft noch gewiſſe ihm allein eigene
verfolgt zu haben; wenigſtens leuchtete aus all ſeinen verworrenen
Manövres der Eine Grundgedanke durch: Theodor' in ſeiner Hand zu
behalten. Er brachte den jungen Mann nie unmittelbar in Verbin¬
dung mit den Leitern der Geſellſchaft, er ließ ſein Engagement ſelbſt
eine Reihe von verſchiedenen Chancen durchlaufen, heute ſtreckte ein
unermeßliches Capital ſichtlich und greiflich ſeine goldgefüllte Hand nach
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[464/0482] dann kamen Vatermörder, dann dieſes und jenes, nach und nach die ganze Tranſcription in den ſteifen, unkleidſamen Comptoir- und Bör¬ ſenmenſchen. Als Pauline ihr Leidweſen um die liebe, vaterländiſche Tracht bezeigte, antwortete Theodor: ſie ſcheine auch nur zum „Leid¬ weſen“ geſchaffen, ſeine Freuden theile ſie wenig. Uebrigens ſtanden dieſe Freuden ſelbſt noch hinter manchem Meilen¬ ſtein. Wovon Theodor depenſirte, das ſcheint nur ein glänzendes, oder vielmehr lockendes Handgeld geweſen zu ſein. Der Abſchluß des eigent¬ lichen Engagements ließ auf ſich warten. Es iſt das ein dunkler, labyrinthiſcher Handel, den eine Frau ſchwer durchdringt, wohl auch nicht durchdringen will. Ich habe mich nie in die Karten gemiſcht. Wenn es indeß erlaubt iſt, aus Gerüchten, Winken, Andeutungen und dergleichen Halbheiten ein Urtheil zu bilden, ſo dürfte auf Herrn Staunton's Charakter und bürgerliche Stellung ein Schein von Zwei¬ deutigkeit fallen. Dieſer Herr, wie man ſagen will, hat ſich von ver¬ ſchiedenen Geſchäften mit wiederholten Bankrotten zurückgezogen, was freilich in Amerika anders, als bei uns beurtheilt werden wag. Das hieſige Creditſyſtem, und der volksthümliche Geiſt des kühnen Wagens mögen dafür Maßſtäbe haben, welche nicht die unſrigen ſind; ich will darüber nicht abſprechen. Auch will ich nicht entſcheiden, ob er den Verſuch, ein faſhionables Boardinghouſe erſt im Kleinen, dann im großartigeren Style zu halten, direct zu dem Zwecke unternommen hat, um reichere Auswanderer, welche er in Europa ſelbſt ſchon an¬ zuködern wußte, den Händen einer myſtiſch-organiſirten Landſpeculation zu überantworten. Unzweifelhaft dürfte nur ſein, daß er in ſeinem Geſchäfte mit Theodor wirklich oder auch wirklich nur als Makler einer großen hinter ihm ſtehenden Actiengeſellſchaft handelte. Er ſcheint aber außer den Zwecken dieſer Geſellſchaft noch gewiſſe ihm allein eigene verfolgt zu haben; wenigſtens leuchtete aus all ſeinen verworrenen Manövres der Eine Grundgedanke durch: Theodor' in ſeiner Hand zu behalten. Er brachte den jungen Mann nie unmittelbar in Verbin¬ dung mit den Leitern der Geſellſchaft, er ließ ſein Engagement ſelbſt eine Reihe von verſchiedenen Chancen durchlaufen, heute ſtreckte ein unermeßliches Capital ſichtlich und greiflich ſeine goldgefüllte Hand nach Theodor aus und morgen war Alles wieder ſo ſchattenhaft, ſo ent¬ legen, daß die Hoffnung auf immer Abſchied zu nehmen ſchien. Ich

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/482>, abgerufen am 25.11.2024.